ProSiebenSat.1 & Markus Söder: Brothers in Crime

Bei den diesjährigen Medientagen München teilte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder mit, er wäre gegen eine engere Zusammenarbeit des deutschen ProSiebenSat.1- und des italienischen MFE-Konzerns. Ein Kommentar von Fabian Riedner.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ist im Wahlkampf. Man wolle bei der ProSiebenSat.1 Media SE nur ungern sehen, dass sie „eine Abspielstation aus Italien“ werde und spielte damit auf die Versuche des italienischen Konzerns Media For Europe an, mit den Unterföhringern eine europäische Allianz aufzubauen, die zuletzt seitens P7S1 immer abgelehnt wurde. Blanker Hohn ist diese Aussage und zeigt vor allem, dass Söder keine Ahnung vom Programm der Unterföhringer Sender abseits der Primetime hat. ProSieben sendet werktags gerade einmal sieben unterschiedliche US-Sitcoms – seit Jahren!

"Wir Bayern lieben Italien, aber wir müssen hier auch nicht komplett italienisch werden", sagte Markus Söder, der anhand eines enormen Arbeitspensum in Landtag und bei Medienereignissen gar nicht zum Fernsehen schauen kommt. Seine Expertise ist auch vom italienischen Mitbewerber klein, der sich seit Jahren kleine Stücke von ProSiebenSat.1 schnappt und inzwischen 25,1 Prozent der Anteile des Unternehmens besitzt.

Zwar ist der ehemalige Ministerpräsident Silvio Berlusconi nicht in der Media-For-Europe-Leitung, allerdings ist sein Sohn Pier dort Geschäftsführer. Fedele Confalonieri ist seit Jahren als Vorstandsvorsitzender tätig. Das ehemalige Mediaset hat das amerikanische Geschäftsmodell schon seit Jahren kopiert: Das Unternehmen besitzt neben zahlreichen Fernsehsendern in Italien und Spanien auch eigene Produktionsfirmen. Im Gegensatz zu ProSiebenSat.1 beschränkt man sich nicht größtenteils auf Factual-Unterhaltung, die außerhalb des Produktionslandes niemanden interessiere.

Auf der einen Seite produzieren die Firmen von Media For Europe zahlreiche eigenproduzierte Serien, auf der anderen Seite müssen man keine Schwämme von italienischen Serien in Deutschland fürchten. Die Firma von Berlusconi investiert große Summen, um einen europäischen Gegenspieler zu Netflix aufzubauen. Dass das funktionieren kann, zeigt das ZDF, welches mit zahlreichen Partnern mehrere europäische Serien finanziert, die zuletzt vom Feuilleton gute Kritiken bekamen. In der Pipeline ist beispielsweise auch das Projekt «Der Schwarm» und neuerdings «Concordia».

Söders Redenschreiber sollten sich ausführlich mit dem europäischen Fernsehmarkt befassen. Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass zahlreiche Sendeplätze der italienischen Sender mit amerikanischen Serien bestückt sind. Am Dienstagabend laufen aktuell «Prodigal Son» und «The Thing About Pam». Am werktäglichen Mittag wiederholt man «CSI: New York», «Noami» und «Mord ist ihr Hobby». «Supergirl» bekommen die Fernsehzuschauer um 16.00 Uhr zu sehen. Die ehemalige ProSiebenSat.1-Produktion «Bosch» (via Red Arrow) bereichert das Programm ebenso wie der Das-Erste-Dauerbrenner «Großstadtrevier».

Der bayerische Ministerpräsident überzeugt seit Jahren mit keiner eigenen Politik, sondern ändert seine Meinung wie eine Fahne im Wind. Als die Alternative für Deutschland (AfD) bei der Flüchtlingswelle 2015 Auftrieb bekam, stellte er das Grundrecht auf Asyl in Frage. Er sei der Meinung, der Islam gehöre nicht zu Deutschland und „Asyltourismus müsse beendet werden“. Als die ÖDP mit dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ Erfolg hatte, übernahm er dies als sein Ziel.

In der Corona-Pandemie reagierte Söder auf die Stimmung im Volk und unterstützte Bundeskanzlerin Angela Merkels harten Kurs, um das Virus einzudämmen. Unter seiner Führung kam es in Bayern zu Ausgangsbeschränkungen, er sprach sich noch im Dezember 2021 für eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona aus und da die Landtagswahl 2023 ansteht, passte der Nürnberger seine Empfehlungen erneut an.

Dass der bayerische Ministerpräsident also die Meinung der ProSiebenSat.1-Geschäftsführung übernimmt, ist also kein Zufall. Doch Markus Söder geht es nicht etwa um die Qualität der Fernsehprogramme, denn die hat unabhängig von vielen Experten seit Jahren massiv abgenommen. Söder stellt sich auf die Seite der Wirtschaft, weil die ProSiebenSat.1 Media SE bislang Millionen an Steuern in die bayerische Wirtschaft gesteckt hat. Die Finanzämter dürften sich freuen, ebenso die Gemeinde Unterföhring. Aus diesem Grund wird Markus Söder auch künftig in die Presche springen, wenn ein Unternehmen um Hilfe bittet.
19.10.2022 10:09 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/137639