Am Montag kehrte beim Privatsender die Talkshow von Britt zurück. Diese unterscheidet sich auf den ersten Blick von ihrer früheren Sendung.
Rund zwölf Jahre war Britt Hagedorn für ihre eigene Talkshow vor der Kamera. Die erste Folge lief am 8. Januar 2001 über den Sender und sie sollte die Nachfolge der Sat.1-Show «Sonja» antreten. Das hat sie auch erfolgreich getan, denn Schwarzkopff TV Productions hat mehrere tausend Episoden in dieser Zeit hergestellt. Doch Ende der Nullerjahre war die Sendung abgenutzt, prinzipiell wurden fast nur noch Lügendetektor- und Vaterschaftstests durchgeführt. Das mochte für die Personen, die man noch ins Studios bekam, vorteilhaft gewesen sein, denn einen solchen Test bekommt man nicht umsonst – auch nicht bei Britt –, sondern man musste zeitweise auch seine Würde beim Studio-Zutritt abgeben.
Das neue «Britt – Der Talk» ist deutlich kuscheliger. Mit Clean Bandits und Jess Gynnes Lied „Rather Be“ hat man auch einen poppigen Soundtrack gefunden, der niemanden wirklich weh tut. „Anders als Andere – Ich will so bleiben, wie ich will“ lautete das Thema der ersten Sendung, die am Montag zum Start ausgewählt wurde. Interessant ist das Studio, das als Teil eines Hauses zunächst bei «Volles Haus» integriert wurde. Britt steht vor einer Backsteinwand, die Gäste kommen einer Art Treppe hinunter. In der Totalen sieht man Oberlichter. Muss Britt Hagedorn also im Keller mit ihren Gästen talken? Die Einrichtung sieht aus, als hätte die Redaktion eine halbe Westwing-Webseite leergekauft.
Erster Gast war der 29-jährige Chemnitzer namens Benni, der seine Zunge geteilt, ein Puzzle auf seinem Gesicht tätowiert, seine Zähne verchromt hat und nun mit seinem Aussehen als Model Geld verdient. Auf Britts Frage hin, warum er nicht von anderen angestarrt werden möchte, sagte er, dass er eher verwundert sei, immerhin sei sein Aussehen für ihn normal. Etwa acht Minuten durfte der Ostdeutsche über seinen Körperkult reden, bis die Redaktion allen Ernstes eine echte Hexe vorstellte. Verwunderlich: Britt stellt der 28-jährigen Melissa keine kritischen Fragen, ob es denn Hexen überhaupt gebe. Die Tatsache wird auch kein Stück hinterfragt. Es wird schon teilweise ein wenig lächerlich, als sie ihren Zauberstaub präsentiert, der ein Holzstück mit ein paar aufgeklebten Details ist.
Viel spannender ist dagegen die Story des Noah, der ohne festen Wohnsitz verreist. Durchaus interessante Antworten zu seinem alternativen Lebensstil kann Britt ihm entlocken, doch dann drückt sie bei dem 27-Jährigen auf die Tube: Schließlich hatte er vor einigen Jahren einen schweren Autounfall, bei der seine Freundin durch einen Geisterfahrer getötet wurde. Wer nun dachte, dass es weitere Details gibt, der irrte. The Show Must Go On: Richard sang „Lady Marmelade“ mehr schlecht als recht, tanzte in Nylons und war tatsächlich auch der Einzige, der neben Aische in die Zielgruppe von Sat.1 passte. Der 51-jährige Call-Center-Mitarbeiter trägt gerne Frauenklamotten. Obwohl das Outfit nicht gelungen aussah, wurden die positiven Vibes in den Vordergrund gestellt.
Und dann schaut auch noch die 40-jährige Aische rein, die seit Jahren als Pornodarstellerin und Webcamgirl arbeitet. Auch sie erzählt, warum bei ihr die Motivation bestand, in dieser Branche Fuß zu fassen. Die Geschichte ist weitaus positiver als die übrigen Werdegänge in der Erotikbranche. Das mag auch daran liegen, dass Aische nicht nur viel drumherum redet, sondern vor allem auch inhaltlich guten Stoff liefert und damit auch in ihren Szenen Britt die Show stehlt.
Zu guter Letzt kommt der Wikinger Alexander in den Keller und bringt auch noch ein alkoholisches Getränk mit. Dafür darf auch die eingebaute Kellerbar mitsamt Bartender einen Job übernehmen, der die bisherige Sendezeit nur schön hinter der Bar herumstand. Der 36-jährige Wikinger sieht zwar aus wie aus der Zeit gefallen, sagt aber von sich, dass er und seine Frau sonst in normalen Klamotten herumlaufen. Interessant wird sein Werdegang: Alexander als Kind wurde aufgrund Lippen-Gaumenscharte gehänselt und fand in dieser Welt Zuspruch.
Die Auftaktfolge von «Britt – Der Talk» gibt es sehr geteiltes Bild ab. Auf der einen Seite steht die neue Talkshow – zumindest mit der ersten Folge – für Integration und Respekt und somit in krassen Widerstand zu den Talks, die Britt früher leitete. Auf der anderen Seite muss Britt mitsamt ihrer Redaktion auch hoffen, dass sie nicht in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Im Grunde hat man sechs verschiedene Lebensstile vorgestellt, wobei man sich den Hexenpart wirklich hätte schenken können. Eine Interaktion zwischen den Gästen fand so gut wie nie statt. Schade. Hoffen wir mal, dass Britt eine Zukunft hat. Schlecht ist das Format nicht.
«Britt» ist werktags um 16.00 Uhr zu sehen. Wiederholungen laufen werktags um 10.00 Uhr und samstags ab 15.00 bis 20.00 Uhr.