Aaron Kissiov: ‚Ich wollte schon immer am Erwachsenentisch sitzen dürfen‘
Der Jungschauspieler spricht im Quotenmeter-Interview über seine Liebe zum Film und Fernsehen, sein Konsumverhalten und was er sich von Kinderrollen in Serien wünscht.
Hallo Herr Kissiov, vielen Dank für Ihre Zeit. Am 8. November ist die Serie «Souls» bei Sky Atlantic zu sehen. Werden Sie die Episoden im linearen Fernsehen verfolgen?
Ja, ich werde mir die Folgen jede Woche zu Hause zusammen mit meinen Eltern, welche die Serie noch nicht geschaut haben, auf Sky Atlantic schauen. Meinen Eltern zeigen sich manchmal recht getroffen, wenn sie mich in Serien und Filmen mit eher düsterem Ton sehen, also halte ich es für schonender es wöchentlich mit ihnen zu schauen, als ihnen alle acht Folgen auf einmal anzutun. Auch wenn sie vor Neugier fast platzen!
Wie konsumieren Sie generell Fernsehen? Ausschließlich über Streamingdienste oder zappen Sie auch gerne durch das Programm?
Das Fernsehen scheint in meiner Generation fast schon obsolet geworden zu sein, und auch ich verbringe viel mehr Zeit auf Streaming-Diensten und YouTube als beim „Durchzappen“. Manchmal jedoch finde ich es einfach entspannter, das Fernsehprogramm anzumachen und sich eine zufällige Folge «Stargate: SG-1» anzuschauen, als sich 20 Minuten lang darüber den Kopf zu zerbrechen, welche der 17 Serien auf meiner Watch-List ich jetzt schauen möchte. Mit einem fast uneingeschränkten Angebot von Medien kommt nun mal auch die berühmte „Qual der Wahl“.
Sind Sie ein echter Serien- und Filme-Nerd oder nehmen Sie die Schauspielerei eher als Beruf wahr und konzentrieren sich auf Ihre Arbeit?
Ich schaue liebend gerne Filme und Serien! Als „Nerd“ würde ich mich allerdings nur bei ausgewählten Reihen wie «Star Wars» und «Herr der Ringe» beschreiben, das waren meine Lieblingsfilme als ich ein Kind war, und es ist wirklich erschreckend, wie viele Droidentypen ich noch heute erkennen und benennen kann! Trotzdem gibt es noch viele Klassiker, welche ich noch nicht geschaut habe. Gerade bei diesen Filmen, die mir mein Vater meist vorschlägt, wird mir immer wieder bewusst gemacht, wie wunderbar groß und vielfältig die Welt des Schauspiels und der Charakter-Verkörperung sein kann. Vor kurzem sah ich zum ersten Mal den Film «Hundstage». Es war unglaublich. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich daran denke, wie viele phänomenale Filme ich noch zum ersten Mal schauen werde!
«Souls» wird in sechs Sky-Märkten ausgespielt, darunter auch Großbritannien. Macht Sie das stolz oder „fürchten“ Sie etwas die Berühmtheit der breiten Öffentlichkeit?
Ich bin grundsätzlich sehr stolz, dass ich Teil eines so außergewöhnlichen und ambitionierten Projekts sein durfte. Natürlich hoffe ich auch sehr, dass es überall gut ankommt. Über "Berühmtheit in der breiten Öffentlichkeit" habe ich aber noch nicht nachgedacht und ich glaube, es fällt mir schwer das Konzept wirklich zu begreifen, ohne es je erfahren zu haben.
Mit hohen Reichweiten kennen Sie sich seit acht Jahren bereits aus, als Sie in «Der letzte Kronzeuge» an der Seite von Lisa Maria Potthoff von mehr als 5,5 Millionen Menschen gesehen wurden. Wie haben Sie dies damals als kleiner Junge wahrgenommen? Wurden Sie in der Schule von Ihren Freunden auf den Film angesprochen?
Die "Reichweite" des Films ist mir als Achtjähriger überhaupt nicht aufgefallen. Mit neun hatte ich ganz andere Dinge, über die ich nachdenken wollte. Schauspielen tat ich prinzipiell, weil ich viel Spaß daran hatte. Ich glaube, die einzigen Leute, die mich damals auf Filme ansprachen, waren entweder Freunde der Familie oder Lehrer. Da ich in der Schule nicht oft davon sprach, war es auch selten ein Thema, und ich glaube keine meiner Freunde sah den Film.
Bereits zuvor standen Sie für Film und Fernsehen vor der Kamera. War die erste «Sarah Kohr»-Folge die endgültige Entscheidung der Schauspielerei nachzugehen?
Der Schauspielerei nachgehen wollte ich schon davor. Ich liebte es! Es war jedes Mal ein neues Erlebnis, und ich dachte mir: "Solange ich das machen darf, mach’ ich es". Dass ich versuchen könnte, die Schauspielerei auch nach der Schule weiterzuführen, wurde mir tatsächlich erst während des Drehs von «Souls» bewusst!
Welche alternativen Karriere-Wege kamen für Sie in Frage? Wenn Sie die Schauspielerei morgen aufgeben müssten, was würden Sie machen?
In der 11. und 12. Klasse dachte ich viel darüber nach, in England ein Studium im Fach "Politics, Philosophy and Economics" zu beginnen. Ich habe schon lange ein großes Interesse an Philosophie, einer meiner Abiturfächer war sogar "Jüdische Religionsphilosophie", obwohl ich in keiner Weise irgendeiner Religion angehöre. Politik fand ich schon immer spannend, und um die wirklich zu verstehen, braucht man natürlich auch ein Verständnis von Wirtschaft. Ansonsten könnte ich mir auch gut vorstellen, etwas mit Psychologie zu machen. Die psychologische Verfassung einer Person analysieren, verstehen und nachempfinden zu können, ist ja auch eine der Hauptbeschäftigungen eines Schauspielers. Ich finde das extrem faszinierend!
In «Souls» spielen Sie den 14-jährigen Jacob. Wären Sie gerne nochmal so jung oder wünschen Sie sich älter und reifer zu sein?
Nein, ich wäre nicht gerne wieder 14. Während es natürlich eine sehr spaßige Zeit im Leben eines Heranwachsenden sein kann, vergessen glaube ich viele, dass es für viele keine unbeschwerte Zeit ist. Man wird gerade alt genug, um vieles in der Erwachsenenwelt verstehen zu können, ohne daran teilhaben zu dürfen, und die in Deutschland oft rigiden Schulstrukturen sind nicht immer eine Freude. Aber vielleicht ist das nur etwas Persönliches, ich wollte schon immer am Erwachsenentisch sitzen dürfen!
Die Serie verfolgt einen durchaus philosophischen Ansatz. Sie spielt auf mehreren Zeitebenen und Ihr Charakter muss seine Erinnerungen an das frühere Leben mit dem Jetzigen vereinbaren und mit den Konsequenzen seiner Entscheidungen leben. Waren Sie sofort Feuer und Flamme für das Drehbuch?
Das kann man so sagen, ja! Ich glaube, es passiert selten, dass ich mich schon vor dem Casting so in ein Drehbuch verliebe, und da hatte ich auch nur die Rohfassung der ersten zwei Folgen. Meiner Meinung nach werden Jugendliche und Kinder in deutschen Filmen und Serien oft sehr karikaturistisch dargestellt, und ich freute mich extrem, dass eine junge Figur als so ernstzunehmend geschrieben war. Jakobs Alter wird nicht als intellektuelles Defizit erklärt, sondern zeigt sich eher in seiner noch unbeholfenen Kommunikationsart. Auch spielt sie in dem Beziehungsstatus gegenüber Erwachsenen oder seinen älteren Mitschüler eine Rolle, ohne die Nachvollziehbarkeit seiner Entscheidungen zu untergraben. Die meisten Fehler, die Jakob macht, sind darauf zurückzuführen, dass er einfach nicht weiß, wie er sich mitteilen soll, damit man ihm glaubt. Es sind keine irrationalen Tiraden oder einseitige Erklärungen wie "Gruppenzwang" oder "Weiß nicht, was er will", die jede von Jacobs Handlungen lenken. Das empfinde ich als realistisch. Das will ich öfter in Filmen und Serien sehen.
Wie haben Sie sich den Charakter Jacob erarbeitet? Durften Sie eigene Ansätze einbringen oder stand das Buch werkimmanent für sich?
Viele Dinge über Jakob erarbeitete ich mir Mithilfe meines Schauspielcoaches Hanne vor Beginn des Drehs sowie in Proben vor dem Dreh mit den beiden Regisseuren Alex Eslam und Hanna Maria Heidrich. Es ging uns bei der Vorarbeit hauptsächlich darum, eine Grundhaltung für Jakob zu entwickeln, und zu erforschen, wie wir diese verändern könnten, sobald Jakob versucht, mit den "Fremden" Erfahrungen und Erinnerungen in Einklang zu kommen. In den Proben fanden wir dann heraus, was die Regisseure davon hielten und was nicht wirklich zu funktionieren schien. Ich glaube, wir erarbeiteten so eine Version von Jakob, welche sich stark an das Drehbuch hielt, jedoch auch etwas Eigenes hatte.
Herr Kissiov, vielen Dank für das Gespräch!
Sky Atlantic zeigt die preisgekrönte Serie «Souls» ab dem 8. November immer dienstags in Doppelfolgen. Die komplette Staffel ist auf dem Streamingdienst WOW und über Sky Q abrufbar.