Seit Wochen dominieren Bilder von der ‚Letzten Generation‘ im Fernsehen, die sich an Kunstwerke kleben oder den Straßenverkehr behindern. Ein Kommentar von Fabian Riedner.
Die Aktivisten der Umweltschutzbewegung der „Letzten Generation“ haben in den vergangenen Monaten zeitweise immer wieder die Fernseh-Nachrichten dominiert und zugleich viel Platz in der gedruckten Presse erhalten. Die jungen und älteren Menschen haben es satt, dass die Politik zwar, wie auf der 27. Weltklimakonferenz im ägyptischen Badeort Scharm asch-Schaich nette Konferenzen führt, aber sich grundsätzlich nichts ändert.
Doch genauso wie die Sitzungen der Vereinten Nationen, die interessanterweise immer dort stattfinden, wo die Veränderungen des Klimas kaum zu sehen sind, scheitert es oft an konkreten Entscheidungen und stattdessen werden Lippenbekenntnisse gegeben. Beim „Kampf ums Klima“, wie es so schön heißt, macht es letztendlich keinen Unterschied, ob Deutschland seine Hilfe auf zwei Milliarden Euro verdoppelt.
Das Nachrichtengeschäft hat Muster und das ist auch legitim, weil die Zuschauer und Abonnenten dieser Medien auch keine Veränderungen einfordern. Es könnte aber auch daran liegen, dass sich die Verlagshäuser inzwischen so zusammengespart haben, dass sie gar keine Ressourcen mehr haben, über die Dinge reflektiert nachzudenken. Beispiel „Letzte Generation“: Die Aktivisten wissen, dass sie wenig Erfolg haben, vor einem Steinkohlebergbau zu demonstrieren. Zum einen sind die Nachrichten für die Medien langweilig, zum anderen wirken auch hunderte Aktivisten vor einem Schaufelradbagger winzig. Daher kann man den jungen Menschen durchaus zugestehen, dass sie andere Mittel und Wege wählen, um Aufmerksamkeit zu generieren.
Die „Letzte Generation“ macht sich also die vermeidliche Zerstörung von Kunst zu eigen, immerhin versucht man dies auch künstlerisch umzusetzen. Das Ankleben an Bildern oder Beschmieren von Schutzgläsern mag zwar lästig und nervig sein, aber das waren beispielsweise die zahlreichen Castor-Blockierungen auch. Letztendlich führte dies aber dazu, dass sich Deutschland unter der rot-grünen Koalition auf einen Atomausstieg einigen konnte.
Als in Berlin infolgedessen sich zwei ältere Aktivisten der „Letzten Generation“ an eine Straße klebten, starb eine 44-jährige Radfahrerin. In hastiger Eile schrieben Menschen auf Twitter und anderen sozialen Medien, man müsse die Übeltäter bestrafen – und falls diese Strafen zu lasch seien, müsse man eben auch die Gesetze ändern. Natürlich schrieben die Redakteure der Zeitungen fast schon in Schnappatmung diese Meinungen ab, um hohe Clicks zu generieren. In zahlreichen Stücken, egal ob Radio, Fernsehen oder Zeitungen wurde über diese Aktion diskutiert. Es wurden Rechtsanwälte um Einschätzungen befragt, die Notärztin vor Ort hat ihre Meinung abgegeben und Politiker haben diesbezüglich Stellung genommen.
Bricht man dieses Thema aber herunter, so muss man den Medien attestieren: Das ist dilettantisch! Diese Aktion hat nichts mit Klimaschutz zu tun. Auch die Medien sollten sich endlich mal hinterfragen, wie sie dieses Thema ernstnehmen können. Klima heißt auch nicht
nur Wetter, daher bietet es auch keinen Mehrwert stetig darauf hinzuweisen, dass hierzulande die wärmsten Sommer aller Zeiten berichtet werden.
Stattdessen sollten sich die Verantwortlichen der Redaktionen zusammensetzen und von dem stetigen Schlagzeilen-Gewitter umschwenken. Das Thema in dieser Stunde ist: „Konstruktiver Journalismus“! Wie kann es also sein, dass Themen nicht an der Wurzel behandelt werden, sondern stetig an ihren Auswüchsen. Man kann den Chinesen doch keinen Vorwurf machen, dass diese bis zu 80 Kohlekraftwerke pro Jahr (seit der Jahrtausendwende) ans Netz nehmen. Gleichzeitig lebt die westeuropäische Gesellschaft vom billigen Konsum.
Fast jeder Bundesbürger in Deutschland hat inzwischen ein Smartphone, zahlreiche User holen sich alle zwei bis drei Jahre ein neues Gerät. Apple setzt im vierten Quartal eines Jahrs inzwischen über 80 Millionen neue Mobiltelefone ab. Unsere Medien feiern dies, wenn der Aktienkurs von Apple aufgrund von Jubelmeldungen steigen. Stattdessen sollten die Medien endlich Druck auf die politischen Entscheider machen, dass sich die Eigenschaften von Smartphones seit Jahren nur marginal verbessern, aber ein Akkutausch bei den Herstellern unfassbar kompliziert ist.
Auch für die deutsche Wirtschaft lässt sich dieses Beispiel belegen: Unter anderem der Volkswagen-Konzern schmeißt jährlich Millionen von Autos auf den Markt. Die Welt wird weder gerechter noch ökologisch gerechter, wenn im Jahr 100 Millionen Elektroautos mit seltenen Erden auf den Markt geworfen werden. Dazu könnte man auch durchaus hinterfragen, warum die Leasing-Fortführung eines bereits gebauten Autos teurer ist, als wenn man einen neuen Vertrag mit einem neuen Auto abschließt. Wenn die Politik einen sinnvollen Umweltschutz betreiben möchte, wieso gibt es dann noch eine Kilometerpauschale? Die Menschen werden ja fast ermutigt, möglichst weite Strecken zu fahren. Klimaschutz heißt auch der Bevölkerung klarzumachen, dass weniger Konsum an erster Stelle steht. Das heißt auch, dass man nicht eben zum Shoppen 200 Kilometer in die nächste Großstadt fährt. Oder Urlaub: Mallorca muss natürlich billig sein, es wird deshalb auch keine Kerosin-Steuer erhoben.
Die Kernbotschaft der Wirtschaft und Politik lautet: Wachstum um jeden Preis. Solange die Medien dieses Spiel mitspielen, wird sich auch in der Klimapolitik in Deutschland nichts ändern.