Nils-Morten Osburg: ‚Ich bin bei so einer Adaption natürlich nur bedingt frei‘
Der Autor Osburg sprach mit Quotenmeter über die Adaption des Romans «Das Licht im dunklen Haus».
Hallo Herr Osburg. Erinnern Sie sich an Ihren ersten Spielfilm?
Der erste Spielfilm, den ich geschrieben habe (also der dann auch verfilmt wurde), war «Sieben Monde», gedreht 1996, ins Kino gekommen ist er 1998 … was insgesamt eine doch sehr ungewöhnliche Erfahrung war. An dem Drehbuch hatte ich über einen Zeitraum von knapp zehn Jahren gearbeitet (wenn auch noch nicht so professionell wie heute, mit täglicher Arbeit im eigenen Büro). Ab 1995/96 nahm das Projekt dann plötzlich Fahrt auf, potente Partner stiegen ein (ProSieben, Buena Vista), der Cast war namhaft, Ende 1996 dann die Dreharbeiten. Das Besondere dabei war, dass ich anfangs auch der Regisseur war … zumindest für sechs Tage. Thomas Jahn hatte gerade Erfolg mit «Knocking‘ on Heaven‘s Door» gehabt, weshalb Quereinsteiger, die keine Filmhochschule besucht hatten, gerade gefragt waren. So bekam ich, der maximal unerfahren war, ziemlich überraschend die Gelegenheit, als Regisseur am Set eines recht teuren Films, mit vielen deutschen Schauspieler-Stars zu stehen. Eine Aufgabe, der ich definitiv nicht gewachsen war bzw. ich schnell merkte, dass ich gar kein Regisseur bin. Das war eigentlich eine tolle Chance, genau das, wovon ich seit Ewigkeiten geträumt hatte … ich war dennoch definitiv der falsche Mann für den Job. Der Dreh wurde unterbrochen und später mit Peter Fratzscher als Regisseur fortgesetzt und beendet. Mich als Regisseur rauszuwerfen, das war letztlich völlig in Ordnung. Es war eigentlich großartig, dass man mir das zuvor zugetraut hatte, es tat mir leid, die Erwartungen unterwandert zu haben. Ich persönlich konnte dabei auf höchstem Niveau die Erfahrung machen, dass ich keine Regie führen will (was ich zuvor immer wollte: schreiben und selbst inszenieren), dass ich ein reiner Drehbuchautor bin, habe ich da erst richtig kapiert. Den Wunsch vieler Kollegen, die eigenen Stoffe selbst umzusetzen, habe ich definitiv nicht mehr.
Der Film lief dann nicht gut im Kino. Dabei ist er die ersten 70 Minuten eigentlich noch ganz ok, aber die letzten 20 Minuten sind dann … nun ja, vorsichtig ausgedrückt: sehr problematisch. Obwohl es damals durchaus so etwas wie einen Hype um das Drehbuch gab … wirklich ausgereift war es allerdings gerade zum Schluss hin nicht. Da merkt man, dass die Geschichte ein Hybrid war: eigentlich ein Psychodrama, das man mit einem Thriller covert. Das hat seinen Reiz, doch die simple Krimiauflösung enttäuscht dann arg.
Auf die paar Stimmen, die damals vor dem Ende der Geschichte gewarnt haben, hatte man nicht gehört. Was in dem Fall ein echter Anfängerfehler (meinerseits) war.
«Die dunkle Seite» lief im März 2008 für RTL. Schon damals hatte der Privatsender nicht eigenproduzierten Filmen nicht sehr viel Glück und erreichte nur 2,71 Millionen Zuschauer. Danach gab es nur noch eine Zusammenarbeit mit den Öffentlich-Rechtlichen?
«Die dunkle Seite» halte ich für einen unterschätzten Film. Er lief gegen eine Münster-«Tatort» am Sonntagabend, das war natürlich Quoten-Selbstmord. Der Film hätte mehr verdient gehabt. Eine starke Regie von Peter Keglevic, ein toller Cast, eine Frank-Schätzing-Vorlage, sehr schade. Mit den Privaten hatte ich seither keine Zusammenarbeit mehr. Viele schöne Sachen haben bei RTL fast geklappt, aber eben leider nur fast. Bei Sat.1 wurde oft was entwickelt und dann aber nicht produziert. Die öffentlich-rechtlichen Projekte liefen für mich besser, so dass ich auf dieser Schiene verblieben bin. Das war aber nie eine Entscheidung gegen die Privaten, sondern man fährt dann eben auf einer anderen Schienen und bleibt – wenn es funktioniert – dort. Derweil man auf der andere Schiene dann eben nicht mehr unterwegs ist und da dann auch aus dem Fokus gerät. Das kann sich aber auch wieder ändern. Andererseits war die Arbeit mit den Öffentlich-Rechtlichen in den letzten Jahren für mich wirklich sehr angenehm, inhaltlich oftmals richtig gut und beglückend.
Danach waren Sie mit «Helen Dorn», «Der Island-Krimi» & Co. auf der Erfolgsspur. Ist 2014 bei Ihnen der gordische Knoten geplatzt?
Es stimmt, dass es seit 2014 kontinuierlichen besser lief. Zuvor waren es immer wieder einzelne Filme, die funktioniert haben, wie 2006 «Tod eines Keilers» für das ZDF (Regie: Urs Egger), ein Film, den ich sehr mag. Dann die erwähnte «Dunkle Seite» oder die Mankell Adaption von «Kennedys Hirn», das waren schöne Projekte. Doch es gingen immer wieder auch Vorhaben schief, was ärgerlich war, auch finanziell. Mit dem Helen Dorn Film 2014, den ich auch inhaltlich sehr schätze, wurde es dann langsam besser.
Ich finde, es braucht Zeit, bis man sich als Drehbuchautor gut auf dem dünnen Eis zu bewegen weiß. Bis man mit den – oft harschen – Ablehnungen zurechtkommt und einen Weg für sich findet, der einen weiter auf die eigene Stimme hören lässt und gleichzeitig akzeptiert und nutzt, dass so viele mitreden und die Meinungen nicht immer miteinander zu verbinden sind.
Im vergangenen Jahr schrieben Sie auch die neue Reihe «Dr. Hoffmann». Wird es hierzu eine Fortsetzung geben?
«Dr. Hoffmann» wird nicht fortgeführt. Sehr schade, denn der Film hat Charme, finde ich, Kai Wiesinger und Isabell Polak sind ein tolles Gespann, eine besondere Note hätte das sein können, in der Menge der Ermittlerkrimis. Aber die Quote war nicht gut genug.
Man muss allerdings erwähnen, dass ich das Projekt ursprünglich als Autor nicht gestartet habe. Das Buch habe ich übernommen, etwas, was immer wieder mal geschieht, dass man – oft unter großen Zeitdruck – Bücher von anderen weiter- bzw. zu Ende führt. Da gilt es dann, sich mit den Kolleg*innen abzustimmen, ob das ok für sie ist. Bestenfalls kann man das Projekt dann in ruhigere Gewässer führen und es wird gedreht. Allerdings: ureigen ist so ein Projekt dann natürlich nicht. Bei „Dr. Hoffmann“ war das Ergebnis aber erfreulich, Max Zähle hat da als Regisseur einen cleveren Job gemacht, finde ich.
Nach «Tage des letzten Schnees» kommt nun «Das Licht im dunklen Haus». Was steht dieses Mal an?
«Das Licht in einem dunklen Haus» beruht wie schon «Zage des letzten Schnees» auf einem Roman von Jan Costin Wagner. Wagners Romane sind eine eindrucksvolle Mischung aus gutem Krimi-Plot und starker Atmosphäre … da berührt der Krimi ganz klar echte Literatur. Zudem setzt er den Schwerpunkt klar aufs Drama … auf Dramen, die sich weit vom eigentlichen Krimiplot bzw. der Suche nach dem Täter/der Täterin lösen. So jetzt auch beim «Licht», ein Film, der die Geschichten von vielen Personen erzählt, alle verbunden durch ein grauenhaftes Ereignis in der Vergangenheit. Es ist ein wuchtiger, dichter Film geworden, finde ich. Ein sehr guter Nachfolger für den «Schnee».
Die Bücher von Jan Costin Wagner spielen in Finnland, sie transportieren die Handlung nach Deutschland. Welches Gebiet eignet sich hierfür am besten?
Die Entscheidungen die Romane von Jan Costin Wagner von Finnland nach Deutschland zu verlegen und aus dem 30 – 40jährigen Kimmo Joentaa die Figur Johannes Fischer, gespielt von Henry Hübchen, zu machen, sind sehr früh gefallen. Unter anderem auch von Jan Costin Wagner selbst, der verhindern wollte, dass deutsche Schauspieler Finnen spielen und dann alle deutsch reden. Zudem schreibt er sich in seinen Romanen immer tief in die Psyche seiner Figuren hinein, so dass man es vor allem mit Seelenlandschaften zu tun hat. Sicher passt die Atmosphäre Finnlands dazu, aber letztlich kann man solche inneren Landschaften überallhin versetzen. Dasselbe gilt für die Besetzung: Henry Hübchen transportiert das, was die Figur des Finnen Joentaa ausmacht, perfekt. Schön ist, dass sowohl der Romanautor als auch die Leser diese Transfers mitgemacht und angenommen haben, sie finden – trotz dieser starken Eingriffe – die Romane in den Filmen wieder.
«Das Licht in einem dunklen Haus» verfügt über ein großes Schauspieler-Ensemble. Hatten Sie völlig freie Hand beim Schreiben?
Das Ziel ist ja in der Hauptsache, dem Roman im Kern zu entsprechen, von daher bin ich bei so einer Adaption natürlich nur bedingt frei. Und es stimmt, es tauchen hier wirklich sehr viele Figuren auf, das war hier eine der Herausforderungen. Ich habe dann schon einiges und einige weggelassen, es sind immer noch viele … die vor allem auch noch viel Geschichte und Backstory im Gepäck haben. Was mir im fertigen Film aber sehr gefällt, wie es dem Regisseur Lars-Gunnar Lotz (und der Kamera von Julia Daschner) gelungen ist, in diesen mächtigen Plot immer wieder Momente von großer Ruhe einzufügen. Das ist etwas, was beide Filme auszeichnet: große Dramen, möglichst wenig normale Ermittlerarbeit, viel Atmosphäre, bei stimmiger Ruhe. Dazu Ermittler, die hauptsächlich Empathie zeigen. Nicht zu viel Ballast durch eigene Privatstränge der Kommissare, mehr die Kraft des Zuhörens und Mitfühlens.
Die Arbeit am «Schnee» und am «Licht» war beglückend. Sehr eng mit dem Regisseur zusammen (jeweils: Lars-Gunnar Lotz), dabei feinfühlig, konzentriert und angenehm ergebnisoffen geführt von Produktion (Network Movie Köln, Silke Pützer und Wolfgang Cimera) und Redaktion (Karina Ulitzsch, anfangs auch Stefanie von Heydwolff). Das ist wahrlich nicht immer so, das ist keine Lobhudelei, das ist ernst gemeint: ein gemeinsamer Arbeitsprozess, der zu guten Ergebnissen führt.
Sie bereiten gerade das Drehbuch Ihres Spielfilms «Reset» vor. Können Sie schon sagen, was da im Kino auf uns zukommt?
An dem Kinofilm «Reset» arbeiten der Regisseur Georg Maas der Produzent Rudi Teichmann und ich jetzt schon … keine Ahnung: 6 Jahre? Und ja, es sieht gut aus, dass es bald ernst wird, obwohl man noch etwas vorsichtig sein muss. Erwarten wird uns dann eine Komödie … eine romantische Komödie, ich sag mal: für ein nicht ganz junges Publikum. In der Tote quasi wiederauferstehen bzw. die Frage gestellt wird: was würdest Du ändern, wenn Du eine Sache in Deinem Leben ändern/überschreiben könntest, wie würde Dein Leben dann verlaufen. Leben und Tod. Liebe und Trennung. Diesseits und Jenseits. Ich denke, da ist einiges geboten. Daumen drücken, vielleicht demnächst im Kino.
Vorher kommt aber noch der nächste «Spreewaldkrimi» im ZDF (Anfang 2023), mit dem Titel „Die siebte Person“, ein Film/Buch, mit dem ich sehr, sehr glücklich bin (neben all den Adaptionen auch endlich mal wieder ein Originalstoff). Das sind so diese Arbeiten: der «Spreewaldkrimi», und die beiden Jan Costin Wagner-Verfilmungen, bei denen man weiß, dass sich alles lohnt. Auch der ganze Ärger und Krampf, den es oft genug gibt.
Vielen Dank für unser ausführliches Gespräch!
Das ZDF strahlt «Das Licht im dunklen Haus» am Montag, 28. November aus.