Intendantin Katrin Vernau hat angekündigt den Sender einer kräftigen Spar-Kur zu unterziehen. Auch das Programm ist darin mitinbegriffen.
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) kommt weiterhin nicht zur Ruhe und muss weiterhin die Auswirkungen des Skandals um die ehemalige Intendantin Patricia Schlesinger auffangen. Nachdem Katrin Vernau vor rund zwei Monaten zur Interimsintendantin gewählt worden war, hat sie nun eine erste größere Amtshandlung angekündigt. Am Freitag sie bei einer Belegschaftsversammlung mit, dass der öffentlich-rechtliche Sender sein Programmangebot grundlegend überprüfen und strategisch aus Nutzersicht neu ausrichten werde. Angesichts der finanziellen Situation des rbb und seiner eingeschränkten Reichweite sei die Schärfung des inhaltlichen Profils unausweichlich.
Vernau führte aus: „Wir müssen alles auf den Prüfstand stellen und bewerten, ob es ein bei unseren Nutzern erfolgreiches Angebot ist, ob es von Nutzen für die Gesellschaft als Ganzes ist, ob es zu unserem rbb-Profil als Landesrundfunkanstalt passt, also etwas mit Berlin oder Brandenburg zu tun hat oder besondere Kompetenzen des rbb in die ARD einbringt.“ Kernfrage sei, wie der rbb alle Beitragszahler mit seinen Programmangeboten auch künftig erreiche. Das Mediennutzungsverhalten habe sich dramatisch geändert. Spätestens ab 2030 werde mehr als die Hälfte der Mediennutzung nicht mehr linear erfolgen. „Darauf brauchen wir eine gute programmliche Antwort. Wir können nicht weiter 70 Prozent unseres Etats investieren, um damit 40 Prozent der Bevölkerung zu erreichen – diejenigen über 55 Jahre“, so Vernau. Es dürfe keine Denkverbote geben: „Ist es sinnvoll, 7 Tage die Woche 24 Stunden ein eigenes Drittes TV-Programm mit einem Marktanteil von 5,5 Prozent zu produzieren, wenn die meisten zwischen 18 und 20 Uhr einschalten, um regionale Berichterstattung zu sehen? Wir müssen unsere Nutzer besser verstehen und für alle relevante, attraktive Formate und Inhalte anbieten.“
Wie die Neuausrichtung letztlich aussehen wird, ließ der rbb am Freitag offen. Viel entscheidender scheint derzeit ohnehin die Frage, wie das Programm künftig finanziert werden soll. Begleitet wird die programmliche Neuausrichtung von einem weitreichenden Sparprogram, wie der Sender ankündigte. Der Kurswechsel stehe dadurch unter „erheblichem Zeitdruck“. Der rbb muss bis Ende 2024 Rücklagen in Höhe von 41 Millionen Euro bilden. Das ist notwendig, weil die frühere Geschäftsführung des rbb – damit darf sich vor allem die Ex-Intendantin Schlesinger angesprochen fühlen – Mehrerträge nicht, wie von der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs) erwartet, zurückzulegte, sondern in den laufenden Haushalt einfließen ließ. Um dies rückgängig zu machen, ist der rbb gezwungen, bis Ende 2024 rund 41 Millionen aus der bisherigen Planung zu nehmen: ein Drittel davon 2023, zwei Drittel im darauffolgenden Jahr.
„Das wird nicht einfach werden – aber es ist zu schaffen, insgesamt sprechen wir von etwa rund fünf Prozent bezogen auf das Gesamtbudget bis 2024 ", sagte Vernau bei der Belegschaftsversammlung. Zumindest eines schloss Vernau am Freitag aus: betriebsbedingte Kündigungen. Gleichzeitig stellte sie – trotz des engen Spielraums – Tarifverhandlungen angesichts der Inflation in Aussicht. Allerdings werden beim rbb freiwerdende Stellen ab sofort nur im Einzelfall und nach strenger Prüfung nachbesetzt.
Im ersten Schritt sperrt der rbb die benötigten Mittel über alle Budgets hinweg anteilig, um einen ausgeglichenen Wirtschaftsplan für 2023 sowie eine solide mittelfristige Finanzplanung vorlegen zu können. Die konkreten Einsparungen müssten nun bis Anfang 2023 in direktionsübergreifender Zusammenarbeit definiert werden. Parallel wird sich der Sender mit vergangener und zukünftiger Unternehmenskultur auseinandersetzen. Für die nächsten Schritte im Erneuerungsprozess des rbb stehe die Einbindung der Beschäftigten an.
Der rbb stehe aber auch vor der Frage, wo seine besonderen Stärken liegen, die er in ein gemeinsames Portfolio einbringen könne. Vernau sprach sich für eine konsequente Nutzerorientierung der Angebote aus: „Der rbb muss der Sender von Brandenburg und Berlin für die Menschen in der Region sein. Wenn wir für sie gefühlt 'ein Stück Heimat' sind, dann brauchen wir uns keine Sorgen, um unsere Legitimation zu machen", sagte die Intendantin. Hinzu käme die Notwendigkeit, in der ARD besser zusammenzuarbeiten, um doppelnde Programmangebote zu vermeiden. Aufgrund des Standorts von Brandenburg und Berlin sieht der rbb vor allem Profilierungsmöglichkeiten in Kultur und Wissenschaft, die aber noch intern zu diskutieren seien. Abwarten wolle man zunächst auch den internen Zukunftsprozess, der wichtige Hinweise liefern soll.
Als Teil des Reformprozess kündigte Katrin Vernau eine größere Öffnung des rbb nach außen an: „Wenn die Gesellschaft die großen Fragen unserer Zeit verhandelt, darf der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht abseitsstehen, sondern kann einen Beitrag leisten. Es ist wichtig, dass wir uns dafür stärker als bisher für Kooperationen öffnen – mit Kultur- und Medieneinrichtungen, mit Bildungsstätten oder mit der Wissenschaft. Wir müssen nicht nur den Menschen einen persönlichen Nutzen bieten, sondern auch unseren gesellschaftlichen Nutzen unter Beweis stellen.“