«See How They Run»: Die Suche nach dem Mörder

«This Country»-Regisseur Tom George hat eine neue Krimikomödie umgesetzt. Trotz guter Kulissen und Kostüme ist die Tätersuche irrelevant.

Whodunit - dieser englischsprachige Begriff, abgeleitet von ‚Who has done it?‘ ist auch hierzulande längst gängig geworden, um Krimis, in denen die Überführung eines Mörders im Vordergrund steht, sujetmässig einzuordnen. Der gewaltsame Tod eines Menschen ruft einen Ermittler auf den Plan, der aus einer Gruppe von Verdächtigen mit kriminalistischer Finesse den Mörder überführen muss. Die britische Autorin Agatha Christie (1890-1976) war die Königin solcher Spannungsgeschichten und erfand mit Miss Marple und Hercule Poirot zwei Meisterdetektive, die auch im Kino mehrmals erfolgreich ermittelten, zuletzt Kenneth Branagh als Poirot in «Tod auf dem Nil». Längst gibt es auch Nachahmer wie Ex-Bond Daniel Craig («Keine Zeit zu sterben») als Privatdetektiv in «Knives Out». Aber auch Parodien wie «Eine Leiche zum Dessert» (1976) erfreuen sich einer gewissen Beliebtheit, und dazu gehört sicherlich auch die neue Krimikomödie «See How They Run» von Tom George («This Country»). In dem Film geht um die vor 70 Jahren erstmals in London aufgeführte Bühneninszenierung „Die Mausefalle“, die sich zum am längsten laufenden Theaterstück der Welt mauserte. Verfasst wurde „Die Mausefalle“ von niemand anderem als Agatha Christie.

Die schmutzige Welt hinter den Kulissen
Schon seit einigen Jahren läuft Agatha Christies «Die Mausefalle» am Theater im Londoner West End. Als die 100. Vorstellung ansteht, interessiert sich auch Filmemacher Leo Kopernick (Adrienne Brody) dafür. Doch seine Pläne einer Verfilmung werden gestoppt, als man ihn ermordet auffindet. Inspektor Stoppard (Sam Rockwell) und seine Assistentin Constable Stalker (Saoirse Ronan) ermitteln in dem Fall. Verdächtig ist nicht nur das gesamte britische Theaterensemble, sondern auch die extra angereisten Amerikaner aus Hollywood. Denn der Tote war bei niemand besonders beliebt, sowohl US-Drehbuchautor Mervyn Cocker-Norris (David Oyelowo) als auch der britische Schauspielstar Richard Attenborough (Harris Dickinson) werden von dem Ermittler-Duo unter die Lupe genommen. Dabei kommt auch der ganze Schmutz hinter der glamourösen Theater- und Filmwelt zum Vorschein. Als alle Verdächtigen zusammenkommen, eskaliert die Situation und der wahre Mörder kann sich nicht mehr verstecken.

Staraufgebot ist ein Muss
Agathas Christies Theaterstück «Die Mausefalle» als Dreh- und Angelpunkt für einen neuen ‚Whodunit‘-Kinokrimi zu nehmen, ist erst mal ein ziemlich cleverer Schachzug. Zumal es in dem Film um eine anstehende Verfilmung geht, die es nie gegeben hat. Kurioserweise hat Christie testamentarisch verfügt, dass «Die Mausefalle» erst dann adaptiert werden darf, wenn in London der letzte Vorhang gefallen ist, das Stück also abgesetzt wird, was auch nach 70 Jahren nicht passieren wird. Dabei bietet «Die Mausefalle» tatsächlich nicht mehr als einen typischen ‚Whodunit‘-Plot mit Figuren, die sich kurz nach einem Mord in London in einer abgelegenen Pension treffen. Einer ist der Täter, weitere Morde geschehen, ein Motiv haben alle. Nicht viel anders geht es nun in «See How They Run» zu, und wieder wurde eine Riege berühmter Schauspieler gecastet - schon eine Tradition in diesem Krimi-Genre, um das Ganze mit großen Namen noch etwas zu ‚veredeln‘. Oscar-Preisträger Adrien Brody («Der Pianist») verabschiedet sich als wenig sympathisches Mordopfer aber bereits nach zehn Minuten und überlässt die Bühne dann unter anderem David Oyelowo («Interstellar»), Harris Dickinson («Triangle of Sadness») sowie den Hauptdarstellern: Oscar-Preisträger Sam Rockwell («Three Billboards Outside Ebbing, Missouri») und Saoirse Ronan, die immerhin schon viermal für den Oscar nominiert wurde, zuletzt 2020 für «Little Women». Die beiden ergeben - wie sollte es anders sein - ein skurriles und gegensätzliches Ermittler-Paar. Während Rockwell als Stoppard bereits ein desillusionierter alter Hase ist, kommt Saoirse als übereifrige Jungpolizistin oft zu falschen Schlüssen und verdächtigt irgendwann sogar ihren Kollegen.



Mehr Komödie als Krimi
Daraus ergeben sich gewiss noch einige recht amüsante Szenen, die manchmal aber auch etwas bemüht wirken. Besonders Saoirse Ronan spielt ihre Rolle nicht selten krampfhaft witzig, weil dem Publikum scheinbar suggeriert werden muss, dass man sich selbst nicht so ernst nimmt und «See How They Run» dann doch bitte mehr Komödie als Krimi sein will. Doch dafür entwickelt sich der Humor leider in eine zu seichte Richtung - immer darauf abzielend, dass man ja wüsste, dass das Publikum solche Plots schon hundertfach gesehen hat. ‚Ja, ja, habt trotzdem ein bisschen Spaß‘, scheint die Devise zu lauten. Leider leidet darunter die Spannung, und irgendwann ist es auch egal, wer am Ende als Mörder entlarvt wird. ‚Der Mörder ist immer der Gärtner‘, so in etwa darf man sich das vorstellen. Lobenswert zu erwähnen sind allerdings die historischen Kulissen und Kostüme. Man fühlt sich wie in die Fünfzigerjahre zurückversetzt und schaut dann doch gern zu - und das gibt diesem Film seinen charmanten Kick.

Fazit: Ein um Komik und Spannung bemühter Agatha-Christie-Abklatsch. Doch die übliche Suche nach dem Mörder erzeugt wenig Spannung, weshalb das Ganze mit selbstironischen Humor gewürzt wird.

«See How They Run» läuft im Kino.
28.11.2022 11:43 Uhr  •  Markus Tschiedert Kurz-URL: qmde.de/138445