Wolfgang Lippert über «Ein Kessel Buntes»: ‚Wir haben jetzt erst mal aufgehört‘

Der 70-Jährige sprach im Interview über seine neue Haarfarbe, das Färben und seine neue Sendung «Legenden».

Wieder einmal lud der TV-Reisesender Sonnenklar zum Schlagerfestival nach El Gouna in Ägypten ein. Auch der einstige «Wetten, dass..?»-Moderator Wolfgang Lippert (70) kam, um zu zeigen, dass er auch singen kann. Immerhin landete er schon 1983 in der DDR mit dem Song „Erna kommt“ einen Riesenhit. 2020 kam mitten in der unglücklichen Corona-Zeit sein Album „Glücklich“ heraus. Lippert musste damals alle Touren und Termine absagen. El Gouna bot ihm nun die Plattform, nochmals ordentlich für sein Album zu werben. Dabei hätte ihn seine Fans fast nicht wiedererkannt. Wolfgang Lippert hat die Haarfarbe gewechselt und ist nun ganz blond. Wir trafen ihn vor Ort zum Interview.

Die meisten kennen Sie als Moderator, nicht als Sänger. Wie sehen Sie sich selbst?
Ich habe eigentlich mal Musik studiert, Gesang und Klavier, bin in der Summe aber mehr Moderator gewesen. Musik hat bei mir aber nach wie vor immer eine Rolle gespielt, neben dem Popbereich singe ich seit 20 Jahren bei den Störtebeker-Festspielen Balladen. Dass man mich mehr als Moderator wahrnimmt, hat auch was mit dem vereinten Deutschland zu tun.

Inwiefern?
Die Leute im Osten identifizieren mich mit Sicherheit als Sänger, aber im Westen bin ich eher der Moderator. Eigentlich fast man das letztlich als Entertainer zusammen.

Ihren ersten großen Hit hat Sie 1983 mit „Erna kommt“…
Ja, das war ein richtiger Gassenhauer, und interessanterweise wollte in den Song zuerst gar nicht singen. Eigentlich wollte ich mehr in Richtung Kunst. Gott sei Dank habe ich es trotzdem gemacht, denn es ging sogleich aufwärts. Wenn du erst mal einen Hit hast, wollen die Leute dich haben, und so wurde ich auch noch Moderator der DDR-Kindersendereihe „He, Du!“

Sie können gut mit Kindern, haben auch zwei eigene. Wie haben die ihren berühmten Papa anfangs wahrgenommen?
Im Osten war das sowieso anders. Starkult in dem Sinne gab es nicht. Man war zwar bekannt, aber wir haben uns bescheiden Unterhaltungskünstler genannt. Ein Star war für uns zum Beispiel Tina Turner. Heute wird dieser Begriff ein bisschen zu viel benutzt.

Was dachten Sie, als „Erna kommt“ im Westen plötzlich von Hugo Egon Balder gesungen wurde?
Jürgen von der Lippe und Rudi Carrell hatten mich zu ihren Sendungen eingeladen, aber ich durfte ja noch nicht in den Westen reisen. Meine damalige Freundin war nach Holland ausgereist, und da auch für mich aus. Jack White ist auf das Lied aufmerksam geworden und hat es dann eben mit dem Hugo für den Westen produziert. Mittlerweile gibt es aber eine gemeinsame Version mit Hugo und mir.

Einige Jahre später kam dann die Wende. Wie haben Sie diese Zeit damals wahrgenommen?
Ich war ja der erste Moderator aus dem Osten, der noch vor Maueröffnung im Westen eine eigene Sendereihe hatte, und die hieß «Stimmt’s?» und wurde von Radio Bremen produziert. Im Nachbarstudio war Hape Kerkeling, weshalb er der Dauerüberraschungsgast in meiner, und ich in seiner wurde. Dann traf ich Frank Elsner und wurde von ihm in seine Sendung «Nase vorn» eingeladen, aber es war mir nicht gestattet.

Sie sind aber trotzdem hin?
Genau, offiziell hatte ich mich für ein Theaterbesuch in West-Berlin angemeldet mit dem festen Wissen, dass ich natürlich zu Frank Elstner gehe. Ich dachte, wenn mich so viele Menschen europaweit im West-Fernsehen sehen, über 18 Millionen Menschen, können die mich zu Hause nicht im Gulag verstecken. Deshalb habe ich mich das getraut. Es gab dann auch Schelte und Drohungen, grundsätzlich ist mir aber nichts passiert.

2020 erschien Ihr Album „Glücklich“, mit dem Sie dann erst mal Pech hatten…
…weil uns Corona erst mal alles komplett verhagelt hat. Tourneen und Veranstaltungen, die wir planten, gingen nicht mehr. Es ging gar nichts mehr. Ich konnte noch Radio von zu Hause aus machen, auch meine MDR-Sendungen gingen weiter, aber für mein Album könnte ich erst mal nicht viel werben. Deshalb war ich jetzt auf dem Schlagerfestival in El Gouna, damit die Songs meines Albums ein bisschen populärer werden.

Worüber sind sie?
Es ist ein Beziehungsalbum über Menschen, die vielleicht schon eine Weile zusammen sind und die kleinen charmanten Probleme, die man damit haben kann. Ein Song heißt „17 Jahre lieb ich blonde Haare“, was eine Hommage an meine Frau ist.

Sie sind inzwischen auch blond, man kennt Sie aber eigentlich mit dunklen Haaren. Wie kommt’s?
Im Sommer werde ich immer blond, natürlich habe ich auch graue Haare, aber da ich für «Störtebeker» immer viele Proben im Freien habe, geht das ganz schnell. Dann habe ich noch ein bisschen dazu gemacht und alle sagten, sieht doch gut aus. Also ich lass‘ das jetzt erst mal so.

Wundern sich nicht viele?
Klar, aber meine Friseurin sagt: ‚80 Prozent der Leute färben ihre Haare, warum nicht auch du?‘ Ich habe damit kein Problem wie beispielsweise Gerhard Schröder. Ich verklage auch keinen, der sagt, ich töne. Nein, so empfindlich bin ich nicht. Jetzt ist mein Blond ein bisschen zu hell. Ja, das finde ich auch, aber mein Haar bleicht in der Sonne schnell aus.

Aber ist Brille und dunkles Haar nicht eine Art Markenzeichen für Sie?
Ja, vielleicht. Brille auf jeden Fall, manchmal haben mich die Leute jetzt auch nicht erkannt, wenn ich auch noch die Brille abhabe. Erst die Stimme lässt sich aufhorchen: ‚Ach Sie sind doch…ja, ja‘. Es ist ja auch mal angenehm, nicht erkannt zu werden.

Apropos glücklich, sind Sie heute glücklich?
Ja, aber nicht durchweg. Man kann ja nicht ein endloser Atommeiler mit Glücksstrahlen sein, sondern es gibt auch ernste Momente, die wir in den letzten Jahren mit meinen Schwiegereltern erlebt haben. Wir haben sie viel zu früh verloren und haben beide bis zum Schluss auf ihrer letzten Reise begleitet. Aber ich versuche immer zu denken, dass das Positive gewinnen muss und damit auch das Leben.

Kann man Glück mehr schätzen, wenn man auch wie Sie es auch schon mal anders erlebt hat?
Ich glaube ja. Wir Menschen sind nun mal so, dass man erst mal die andere Ecke kennengelernt haben muss, um Glück und auch Gesundheit als Geschenk betrachten zu können. Ich kannte Menschen, die waren gut und geistreich, aber sie gibt es nicht mehr. Sie hatten nicht das Glück gehabt, so lange leben zu dürfen.

Wie gehen Sie mit der Angst um, dass wir alle irgendwann nicht mehr sein werden?
Es stört mich nicht, älter zu werden. Denn ich muss ja mein ganzes Leben betrachten und habe schon so viel erlebt, dass es vielleicht auch für drei leben reicht. Okay, es gibt ja keine Messlatte, aber durch diesen Beruf hatte ich bisher ein intensives Leben.

In Ihrer schwersten Stunde vor 20 Jahren hatten Sie dann das Glück, die Frau Ihres Lebens kennenzulernen…
Ja, das war wirklich so. Wenn du in einer schlechten Lebensphase steckst, kannst du viel besser einschätzen, wer es wirklich ernst mit dir meint. Gesine war mein Glück. Sie ist zuverlässig und ich merke immer, wie sie mich beschützen will. Das ist ein schönes Gefühl.

Sie sind gebürtiger Berliner. Sind Sie auch stolzer Berliner?
Ick bin och stolzer Berliner, obwohl ich jetzt in der Peripherie wohne. Meine Frau macht jetzt immer Witzchen darüber, aber ich bin sehr gern Berliner. Ich mag die Menschen in Berlin, ich mag ihren Charme, auch wenn er manchmal ein bisschen ruppig ist. Es ist Herz mit Schnauze.

Sehen Sie sich eher als Ostberliner oder Gesamtberliner?
Ich sehe mich als Berliner, Ost und West ist ja erst in den Sechzigern gekommen. Ich bin in einer Zeit geboren, als noch alles eins war. Übrigens als die Mauer gebaut wurde, war ich in West-Berlin im Krankenhaus und wurde um ein Haar dort vergessen. Erst eine Woche später konnten mich meine Eltern holen.

Haben Sie später nie gedacht, ihre Eltern hätten Sie lieber im Westen lassen sollen?
Erst als ich Ende der Achtziger als Künstler hin- und herreisen durfte, kamen solche Gedanken. Aber Familie war mir immer wichtiger. Aber da ich später dieses Privileg hatte, kann ich mich nicht vergleichen mit Leuten, die nie rüber durften und geflüchtet sind. Sie haben dafür viel geopfert, und seine Heimat zu verlassen, ist bestimmt nichts, was einem leicht fällt.

Was sind Ihre nächsten Pläne?
Es wird demnächst ein Buch über «Ein Kessel Buntes» erscheinen, dass im Wesentlichen aus Interviews mit Stars, die ich geführt habe, besteht. Wir haben für den MDR in NEUER VERSION den «Ein Kessel Buntes» fast 50 Sendungen produziert. Meine Show «Damals war’s» wird weiterlaufen, und ich Freue mich, dass wir ab Juni 2023 auch live senden werden.

Ist mit «Ein Kessel Buntes» jetzt endgültig Schluss?
Wir haben jetzt erst mal aufgehört. Jetzt werden Wiederholungen gesendet, aber ich Hoffe, wir werden im nächsten Jahr noch was produzieren. Wie das so ist mit diesen alten Dingern. Irgendwie lieben die Leute das und sehnen sich nach alten Zeiten zurück. Die Quoten sprechen für sich.

Aber Sie haben auch noch ein neues Fernsehformat…
Ja, es heißt «Legenden». Beim letzten Mal hatten wir Schauspiellegenden wie Armin Müller-Stahl, Winfried Glatzeder und erzählten auch über Manfred Krug, der ja leider nicht mehr unter uns weilt. Also eine Sendung über Menschen, die mit dem Osten verbunden sind, aber auch international bekannt wurden.

Danke für das Gespräch.
02.01.2023 11:57 Uhr  •  Markus Tschiedert Kurz-URL: qmde.de/138757