Der Fernsehmarkt hat sich in den vergangenen viereinhalb Jahren deutlich verändert. Quotenmeter wirft einen Blick auf die spanischen, englischen und amerikanischen Einschaltquoten.
Die Euphorie in Deutschland hält sich zwecks der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Grenzen. Die Bevölkerung fühlt sich mit der Ausrichtung in den Wintermonaten für bevormundet, außerdem schallt die Kritik am Ausrichter Katar nicht ab. Vor dem Turnier wurde ein Alkoholverbot noch kurzfristig durchgeboxt, vor dem ersten deutschen Spiel sogar die One-Love-Binde verboten. Man kann es auf den Punkt bringen: Ein Großteil der früheren Fußballzuschauer boykottiert König Fußball – die Reichweiten im deutschen Fernsehen sind deutlich gesunken.
Für Spanien ist die Weltmeisterschaft im Achtelfinale gelaufen – übrigens wie schon vor vier Jahren. Damals musste man sich dem Gastgeber Russland geschlagen geben. Das Match erreichte damals 12,79 Millionen Fernsehzuschauer, die Verlängerung lockte 13,84 Millionen Menschen an. Das Elfmeterschießen brachte es schließlich auf 14,83 Millionen Zuschauer. Eine Fußball-Weltmeisterschaft zieht im südwestlichen Land einfach nicht so viele Menschen vor den Fernseher, wie es nun mal in Deutschland der Fall ist. Auch die Gruppenspiele wie die Partie gegen Portugal lockte damals nur 11,56 Millionen Spanier an. Das Spiel gegen Marokko, das die Spanier als drittes Vorrundenspiel mit 2:2 absolvierten, kam auf 10,40 Millionen Zuseher.
Die Begeisterung hielt sich auch in diesem Jahr auch in Spanien in Grenzen. Die Mannschaft musste am Mittwoch, den 23. November, um 16.00 Uhr auf den Platz und erzielte damit 5,86 Millionen Fernsehzuschauer. Der Marktanteil lag bei verhältnismäßig schlechten 47,9 Prozent. Die Partie gegen Japan, die am 1. Dezember Deutschland ins Aus beförderte, kam auf 9,67 Millionen Zuschauer. Die Partie gegen Marokko erreichte 10,51 Millionen Zuschauer, die Verlängerung verbuchte dann schon 11,95 Millionen Spanier. Schließlich sorgte das Elfmeterschließen für 12,61 Millionen Zuschauer.
Allerdings hält sich Fußball in Spanien abseits der La Liga und der Nationalmannschaft wirklich in Grenzen – vor allem beim Blick auf das Bezahlfernsehen: Nur wenige Spiele sind im frei-empfangbaren Fernsehen zu sehen. Beispielsweise sahen am 1. Dezember nur 1,3 Millionen Zuschauer die Partie Kroatien gegen Belgien, Zeitgleich zur Partie Spanien – Japan wurde im Pay-TV Costa Rica und Deutschland gesendet, das auf 50.000 Zuseher kam. Allerdings waren auch die Augen auf die heimische Elf gerichtet, die weitere 0,61 Millionen Zuschauer über GoalTV erreichte. Allerdings waren andere Spiele auch nicht so erfolgreich: Kroatien – Belgien sahen 0,22 Millionen im Pay-TV, Kanada – Marokko sahen auch nur 0,06 Millionen. Der Pay-TV-Sender erreichte zwar immer mal wieder gute Werte, aber der Sprung über die Millionen-Marke wurde nicht erreicht.
In den Vereinigten Staaten von Amerika legte FOX mit dem Turnier deutlich zu. Das liegt zum einen, dass man im Jahr 2018 an der Qualifikation scheiterte. Außerdem hat sich inzwischen der Rechteinhaber FOX von seinen fiktionalen Inhalten getrennt und das übrige Unternehmen versucht mit Live-Sport und Nachrichten zu punkten. Die Vorrundenpartie zwischen den USA und England erlangte am 25. November immerhin 15,49 Millionen Zuschauer. Bei Telemundo, die das Event in spanischer Sprache übertrugen, kamen weitere 3,24 Millionen Zuschauer hinzu. Zum Vergleich: Im Jahr 2014 sahen 17,3 Millionen Zuschauer die Partie gegen Portugal. 17,2 Millionen Amerikaner verfolgten die Partie zwischen USA und England. Nur am Samstag, als die Amerikaner gegen die Niederlande bereits um 10.00 Uhr amerikanischer Ostküsten-Zeit ranmussten, verbuchte FOX „nur“ 13,265 Millionen Zuschauer. Das Nachmittagsspiel zwischen Argentinien und Australien faszinierte beim großen FOX Network noch 5,45 Millionen. Unterm Schnitt ist das die erfolgreichste Männer-WM in den USA – und in vier Jahren soll dort das nächste Fußballfest stattfinden.
Doch wenn nicht gerade die US-Nationalmannschaft aufläuft, bleibt das Interesse in den Staaten zurück. Das weiß auch der Rechteinhaber FOX und strahlt viele Spiele bei FOX Sports Network 1 aus. Am 4. Dezember 2022 schalteten nur 2,57 Millionen Zuschauer die Partie zwischen England und Senegal ein, die um 14.00 Uhr angepfiffen wurde. Frankreich gegen Polen lief mit 2,45 Millionen Zusehern auch nicht viel schlechter, obwohl das Spiel um 10.00 Uhr begann. Zur Westküstenzeit mussten die Fußballfans schon um 06.00 Uhr den Fernseher einschalten.
Im Vereinten Königreich tritt die 22. Fußball-Weltmeisterschaft gegen das englische Dschungel-Camp an. Die finalen Folgen von «I’m A Celebrity Get Me Out Of Here!» war für ITV ein großer Erfolg und sammelte im Schnitt über zehn Millionen Menschen ein – inklusive Festplatten-Aufnahmen und digitale Abrufe! Natürlich war die Partie zwischen England und den USA Ende November mit 12,85 Millionen Spitzenreiter, Platz zwei aus der Vorrunde ging an die Partie zwischen England und Wales mit 12,5 Millionen Zusehern. Das Spiel zwischen England und Iran lockte dagegen nur 6,27 Millionen Zuschauer an. Das Achtelfinal-Match gegen Senegal verbuchte 13,4 Millionen Zuschauer. Auffällig in England ist ebenfalls, dass die Reichweiten im Verhältnis zur Bevölkerung deutlich geringer ist als in Deutschland. Auf dem zweiten Blick muss man sich natürlich fragen, warum die Schotten, Waliser und Nordirländer auch den Engländern zuschauen sollten.
Im Vereinigten Königreich lebt man allerdings nicht nur in seiner eigenen Blase. So erreichte ITV1 mit der Partie zwischen Wales und England 8,35 Millionen Zuschauer, Spanien gegen Deutschland verbuchte bei BBC One sogar 7,71 Millionen Zuschauer. Brasilien und Serbien kickten vor 6,27 Millionen Briten, Argentinien und Mexiko unterhielten 6,11 Millionen Zuschauer.
Und damit zurück nach Deutschland: Das sehr große Fußball-Interesse startete hierzulande mit der Heim-Weltmeisterschaft 2006. Das Fußball-Interesse hat stark nachgelassen, aber normalisierte sich wieder auf das Niveau, das man aus den Jahren 2000 bis 2004 kannte. Demzufolge ist der Fußball nicht abgeschrieben, sondern kehrt hierzulande auf ein normales Niveau zurück. Dennoch sollte dem DFB die rückläufige Tendenz Sorgen bereiten. Das Vorrunden-Aus dürfte einer Umkehr des Trends sicherlich nicht behilflich sein. Eine Chance bietet allerdings das Heim-Turnier in weniger als zwei Jahren, das erneut den Stein der Begeisterung ins Rollen bringen kann.