Zwei Jahrzehnte war ProSieben die Heimat von Stefan Raab. Doch ein nächstes Foul des ehemaligen «TV total»-Moderators lässt sein Ansehen sinken.
Der gebürtige Metzger-Sohn Stefan Raab gehörte zu den schillerndsten Fernsehpersönlichkeiten des Privatfernsehens. In den 90er Jahren kam er erst zu VIVA, um den Sender selbst entworfene Jingles anzubieten. Bereits im Vorfeld produzierte er verschiedene Musikstücke für das «ARD-Morgenmagazin» und die Zahnpasta Blend-a-Med. Der junge Musiksender wollte Raab behalten, er übernahm die Moderation an «Vivasion» und «Ma‘ kuck’n». In dieser Zeit lernte er Aufnahmeleiter Marcus Wolter kennen, der auch «TV total» entwickelte.
Mit der Neuinterpretation „Ein Bett im Kornfeld“, „Hier kommt die Maus“, „Guildo hat euch lieb“ genauso wie „Böörti Böörti Vogts“ dominierte Raab in den 90er Jahren die deutschsprachigen Charts, da passte ein Wechsel zum großen Privatfernsehen zu ProSieben optimal. «TV total» war mit Folge eins schon ein großer Erfolg, es folgten mehrere hundert Sendungen, ehe die Marktanteile stückchenweise zurückgingen. Man warf Raab vor, er interessiere sich hauptsächlich für seine Events und Musik.
Nach dem «Eurovision Song Contest» in Düsseldorf, der «TV total»-Woche in New York und der Moderation des Kanzlerduells hatte Raab alle Ziele erreicht und beendete 2015 seine Karriere vor der Kamera. Amen. Nach seiner aktiven Fernsehkarriere kamen mehrere neue Produktionen hinzu. «Das Ding des Jahres» wirkte wie eine «Höhle der Löwen»-Kopie, «Schlag den Besten» wie eine noch günstigere Version von «Schlag den Raab». Mit «Täglich frisch geröstet» und «FameMaker» legte Raab genauso Flops hin.
Das Herzstück von Raabs Unternehmergeist war und ist «TV total». Mit Sebastian Pufpaff hat man einen würdigen Nachfolger gefunden, auch wenn die Zuschauerzahlen nie an frühere Glanzzeiten kommen werden. Doch Raab hat seinen Esprit verloren, es werden nur noch alte Formate aufgewärmt. Für RTL produzierte sein Unternehmen das Turmspringen, für ProSieben gab es eine Neuauflage der «TV total Wok-WM».
Es wirkt schon aberwitzig, dass Raab das Joyn-Event «Kick auf Eis», das vom YouTuber und Unternehmer Trymacs veranstaltet wird, aufgrund von Ähnlichkeiten abgemahnt hatte. Weder haben Wort- und Bildmarke eine gemeinsame Verbindung noch haben die Erfinder von «Deutscher Eisfußball Pokal» das Patent auf den Volkssport der FIFA. Es wirkt deshalb schon etwas größenwahnsinnig, wenn aus dem Hause Raab TV eine Unterlassungserklärung mit einer Abmahnung in Höhe von 500.000 Euro ins Haus flattert. Trymacs hat ja nicht etwa vor mit einem Wok einen Eiskanal herunterzufahren. Dazu wurde er nur eingeladen.
Noch bizarrer ist allerdings die Tatsache, dass das Event «Kick auf Eis» bei Joyn ausgetragen werden soll. Da muss man sich schon fragen, warum Stefan Raab, der laut «TV total»-Aussagen immer noch in der Regie sitzen soll, nicht einmal zum Hörer greift, um ProSieben-Chef Daniel Rosemann anzurufen. Spricht man in der Medienbranche nicht mehr miteinander, sondern sucht das Gespräch nur via Anwälte und YouTube-Videos?
Das nächste Foul kam bereits Anfang des Monats. Banijay, also die Mutter von EndemolShine Germany und somit auch von Raabs-Produktionsfirma Raab TV und Brainpool, hat einen Vertrag über einen sogenannten FAST-Channel mit Paramount angeschlossen. Im Klartext heißt es, dass nicht etwa bei der Heimat von «TV total» – also ProSieben – alle Folgen verfügbar gemacht werden, sondern beim Kontrahenten Pluto TV, dem werbefinanzierten Streamingportal von Paramount Global.
Seit dem 5. Dezember 2022 gibt es bei Pluto TV einen weiteren Channel, der kuratierte Inhalte von Raabs Schaffen ausstrahlt. Paramount Global setzt mit Pluto TV etwa 1,2 Milliarden US-Dollar pro Jahr um. Solche FAST-Channel, bei dem zahlreiche Inhalte unendlich wiederholt werden, sind extrem lukrativ. Denn: Der Zuschauer muss sich nicht aktiv für eine Folge entscheiden, sondern bekommt einfach eine Folge vorgeworfen. Joyn würden solche Channels extrem gut stehen, stattdessen hat man den Sender Joyn Primetime plattgemacht.
Die Medienbranche weiß nicht, wie gut die Beziehungen von Stefan Raab und der ProSiebenSat.1-Gruppe ist. Doch wenn man die Geschichten Revue passieren lässt, sieht das eher nach einer Zweck-Gemeinschaft aus. Vielleicht trennt sich der eine vom anderen, wenn er etwas Besseres gefunden hat.