Die Kritiker: «Tatort - Mord unter Misteln»

Der perfekte Weihnachts-«Tatort» aus München spielt eigentlich auf einem englischen Landschloss vor 100 Jahren. Eine kuriose Mischung, die hervorragend funktioniert!

Stab

Darsteller: Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec, Sunnyi Melles, Ferdinand Hofer, Alexander Hörbe, Katharina Schlothauer
Musik: Sebastian Fillenberg
Kamera: Volker Tittel
Drehbuch: Robert Löhr
Regie: Jobst Christian Oetzmann
Weihnachten ist eine gute Zeit, um mal rauszukommen. Das denkt auch Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer), der schon seit einiger Zeit das dritte Rad am Wagen der Münchener «Tatort»-Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) ist. Also lädt er zum großen Krimi-Dinner in seine Wohnung ein, wo alle einmal ein bisschen aus ihrer Haut können, um sich in eine Fantasiewelt zu begeben. Dazu braucht es natürlich noch einige weitere illustre Gäste, die sich beim Eintreffen von Batic und Leitmayr schon um den Küchentisch versammelt haben.

Zuerst machen die beiden Ehrengäste nur widerwillig bei der Reise ins Jahr 1922 mit, wo Inspector Francis Lightmyer und sein Constable Ivor Partrige auf ein englisches Landschloss gerufen werden, in dem der Butler ermordet wurde. Die Schlossherrin (Sunnyi Melles) ist ganz außer sich ob des Unglücks und kann es nicht fassen, dass einer ihrer Gäste der Mörder ist. Aber wer kann es denn sein? Ihr Sohn Charlie (Ferdinand Hofer)? Seine Verflossene, die Nachtclubsängerin Kitty (Katharina Schlothauer)? Der Arzt (Alexander Hörbe)? Oder doch jemand vom Dienstpersonal?

Doch nicht nur im England des Jahres 1922 läuft ein abgekartetes Spiel: Denn die Einladung zum Krimi-Dinner war von Kalli nicht weniger geschickt eingefädelt. Zwischen Batic und Leitmayr herrschte nämlich schon länger dicke Luft, weil der eine hinter dem Rücken des anderen sich erkundigt hat, wie schnell er sich in den Ruhestand versetzen lassen könnte. Ein Vertrauensbruch. Das Krimi-Dinner – so hofft es zumindest die versammelte Truppe – könnte durch die gemeinsame Lieblingsbeschäftigung der beiden alten Haudegen wieder weihnachtlichen Frieden auf der Dienststelle einkehren lassen.

Eine etablierte Krimi-Reihe, die im hier und jetzt spielt, macht einen Ausflug in eine hundert Jahre zurückliegende Vergangenheit? Moment, das gab es doch schon! So hat schließlich die BBC-Serie «Sherlock» ihren Zuschauern im Rahmen eines Weihnachtsspecials die Zeit zwischen zwei Staffeln vertrieben. Kein Wunder also, dass „Die Braut des Grauens“ auch in „Mord unter Misteln“ zitiert wird.

Vielleicht liegt es daran, dass man Leitmayr und Batic schon seit über 30 Jahren kennt und sie weder einander noch dem ARD-Publikum noch viel Neues zu sagen haben. Vielleicht ist nach einer so langen Zeit ein Fernsehformat unweigerlich eingeschlafen. Dann muss man entweder in den Ruhestand gehen oder die Karten radikal neu mischen – zum Beispiel, indem man einen Rahmen findet, um die Handlung in eine ganz andere Epoche zu verfrachten und sich dabei noch ein bisschen auf die Schippe zu nehmen. Genau das ist diesem «Tatort» gelungen und macht ihn wohl zu einer der besten Münchener Folgen der letzten Jahre – weil er sich nicht zu ernst nimmt und als witzig-kuriose Geschichte wunderbar kurzweilig funktioniert. Ein gelungenes Experiment – und vielleicht der perfekte Weihnachts-«Tatort».

Der Film «Tatort – Mord unter Misteln» ist am Montag, den 26. Dezember um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
24.12.2022 11:20 Uhr  •  Oliver Alexander Kurz-URL: qmde.de/139118