Die Kritiker: «Das Traumschiff – Bahamas»

Neujahr kehrt «Das Traumschiff» an jene sonnendurchflutete Küste zurück, an der am 22. November 1981 alles begann: Schöne Menschen werden an den Stränden der Bahamas von einem Tsunami der Gefühle überflutet. Schicksale erfüllen sich. Menschen werden einander lieben. Es ist alles wie immer. Oder vielleicht doch nicht?

Stab

REGIE: Marc Prill
BUCH: Martin Wilke, Jochen S. Franken
KAMERA: Holge Greiß
TITELMUSIK: James Last
MUSIK: Hans Günter Wagener
SCHNITT: Ilana Goldschmidt
PRODUZENTIN: Beatrice Kramm
DARSTELLER: Florian Silbereisen, Barbara Wussow, Daniel Morgenroth, Collien Ulmen-Fernandes, Carolina Vera, Maurice Lattke, Lore Richte, Leander Lichti, Armin Rohde, Uwe Ochsenknecht, Aline Hichscheid, Max Alberti, Gabriel von Berlepsch, Lena Mecken, Dennenesch Zoudé
Zuletzt nahm «Das Traumschiff» Kurs auf das schöne Lappland und läutete, mit viel Schnee und Weihnachtsmännern, die Weihnachtszeit ein. Zumindest sollte es ursprünglich so sein. Erst der Hohe Norden. Dann die Karibik. Aber selbst «Das Traumschiff», jenes aus Stahl gegossene Eiland der großen Gefühle und der gesetzlich vorgeschriebenen Happy Endings, musste sich zuletzt mit der Bitterkeit der Realität auseinandersetzen, in der Menschen am Ende nicht zwingend an einer Reeling stehen, sich verliebt in die Augen schauen und dann im himmlischen Schein der Übermutter Sonne einander zärtlich küssen –> und so strahlte das ZDF zur Weihnachtszeit 2022 die Episode «Coco Island» aus, die eigentlich bereits 2021 das Publikum in fremde Gewässer entführen sollte. Jedoch gab es Anschuldigungen gegen Gaststar Luke Mockridge. Die sind inzwischen weitestgehend versandet (wer sich für den Fall interessiert, darf das gerne für sich selbst googeln), doch die Reise in den Pazifik musste verschoben werden, um etwa ein Jahr: sprich, das letzte Traumschiffabenteuer wurde aus dem Giftschrank geholt und vom Grünspan befreit, hätte aber ursprünglich schon viel früher zur Ausstrahlung gelangen sollen.

Glücklicherweise jedoch geschehen auf dem Stahlkoloss der Liebe selten Dinge, die über eine Einzelepisode hinaus Bedeutung hätten. Es ist kein Darsteller ausgetauscht worden, dessen Rückkehr nun erklärt werden müsste; das Schiff ist auch nicht auf Grund gelaufen und musste gegen ein neues Traumschiff ausgetauscht werden. Die «Coco Island»-Geschichte sei aus diesem Grund nur der Chronistenpflicht wegen etwas ausführlicher betrachtet.

So darf der Blick auf die neue Kreuzfahrt der Liebe gerichtet werden, die es an großer Dramatik nicht mangeln lässt. Da ist die Ärztin und Psychotherapeutin Dr. Marie Wagner (eine Endvierzigerin, attraktiv, Powerfrau), die mit ihrem Sohn, Tom, 22, Kanutenfigur, zu einem erholsamen Trip in die Karibik aufzubrechen gedenkt. Sie freut sich darauf, Toms neue Freundin kennenzulernen, die sich jedoch, oh Graus, als ihre Patientin Clara Müller entpuppt, die seit einiger Zeit unter emotionalen Problemen leidet. Nun hat Frau Doktor Clara selbst ermutigt, sich auf eine neue Beziehung einzulassen, aber bitte, doch nicht mit ihrem Sohn. Nicht, dass Clara keine attraktive Frau wäre. Bitte, dies ist das Traumschiff, wie oft muss das mit den schönen Menschen eigentlich noch erwähnt werden? Aber Clara ist auch Mitte 30, also ein kleines bisschen älter als Tom. Das kann die Frau Mama so natürlich nicht dulden, weshalb sie, ja, auch das Traumschiff weiß zu schockieren – gegen ihren ärztlichen Eid verstößt und mit ihrem Wissen um Claras emotionale Verfassung beginnt, einen Keil zwischen die Jung-Verliebten zu treiben.

Melanie und Philipp sind derweil zwei attraktive Menschen um die 40. Sie haben einen eigenen (nicht näher benannten) Betrieb, daheim verwahrt offenbar die Oma ihre wohlgeratenen Lendenfrüchte, während sie sich auf die Fahrt begeben, um ihre seit 20 Jahren währende Liebe zu zelebrieren – denn auf den Bahamas entdeckte der seinerzeit noch jugendliche, knackige Phillip die Schönheit Melanies, deren Strahlen das Licht der Sonne überdeckt. Seither waren die beiden Liebenden nie wieder getrennt; doch trotz ihrer Liebe fürchtet sich Philipp vor der Reise. Es ist Melanies Wunsch, zu ihrem Jahrestag an die Strände zurückzukehren, an denen Amors Pfeile sie mitten in die Herzen trafen, denn Melanie erinnert sich an jene schicksalshaften Tagen – nicht! Ein Unfall hat ausgerechnet jene Tage aus ihrem Gedächtnis gelöscht, die ihr Philipp so nahebrachten. Und ja, wir, die Zuschauerinnen und Zuschauer, wir ahnen, dass Philipp seine Gründe dafür hat, dass er lieber mit einem Krabbenkutter die Küsten Ostfrieslands bereisen würde, statt mit seiner geliebten Melanie Urlaub auf den Bahamas zu verbringen!

Die schöne Studentin Natascha – schon der Name ist Musik - hat derweil den ganz großen Fang gemacht. Maik Quast ist zwar auch einige Jahre älter als die schöne Natascha, aber da sie ohne ihre Frau Mama reist, gibt es niemanden, der sie davon abhalten könnte, mit Maik Tage der Lust zu genießen, die mit einem Happy End (einem Heiratsantrag) enden sollen. Ja, Maik sieht nicht nur blendend aus und seine Absichten gegenüber Natascha sind durchaus als ernst zu bezeichnen: Er ist auch noch ein erfolgreicher Fondsmanager, der längst auf einem Schiffchen wie dem Traumschiff wohnen könnte. Doch hinter der Fassade des erfolgreichen, charmanten, attraktiven Managers lauern Abgründe. Dessen sind sich Roman und Sebastian sicher. Die sind seit 30 Jahren beste Freunde. Mit einer Agentur waren sie erfolgreich, jetzt treten sie diese Reise an, um nach Hause zu kommen, denn eigentlich sind sie pleite. Sebastian hat das Geld in einen Fond investiert, der leider ihr Angespartes verbrannt hat. Und wer hat den Fond gemanagt? Man muss es nicht erwähnen. Allerdings ergibt sich eine unerwartete Chance, vielleicht an so etwas wie eine Wiedergutmachung zu gelangen. Maik schenkt Natascha eine kleine Ringfingerverzierung, die, würde sie den Besitzer wechseln, Sebastians und Romans Kassen wieder füllen würde. Man könnte es als Schmerzensgeld verbuchen. Da kommt ihnen ein glücklicher Zufall zugute. Natascha und Roman kommen nämlich miteinander ins Gespräch und Natascha offenbart Roman, dass sie es total romantisch findet, dass er und Sebastian seit 30 Jahren ein Paar sind...

Moment?
Paar?

Gut, Sebastian liebt Männer. Aber Roman ist sein Kumpel, bester Freund und vor allem war er einst ein notorischer Frauenheld, zwei gescheiterte Ehen inklusive. Wenn Natascha aber die beiden aufgrund ihrer Falschannahme für ein nettes Pärchen hält, mit dem so eine Fahrt Spaß macht, entscheiden sich Roman und Sebastian, sie im Glauben zu belassen, um auf diese Art und Weise an den Ring zu gelangen. Allerdings gibt es da zwei Probleme: Die beiden sind keine Diebe und Natascha ist richtig nett.

Uwe Ochsenknecht und Armin Rohde stellen Sebastian und Roman dar und damit ist auch das Highlight dieses Törns auf die Bahamas benannt. Die beiden Alt-Recken des öffentlich-rechtlichen Televisionsspiel haben sichtlich Spaß an ihren Rollen. Armin Rohde brilliert in der Rolle des impulsiven Roman (Ruhrpott-Charme inklusive), Uwe Ochsenknecht darf den weitaus vernünftigeren Sebastian geben, der mit dem Plan von Anfang an etwas hadert und eigentlich nur nach Hause schippern möchte. Man spürt die Spielfreude in jeder Szene. Warum auch nicht? Die beiden Altrecken müssen niemanden mehr etwas beweisen und gehören wahrscheinlich zu den wenigen Schauspielern im hiesigen Film- und Serienbetrieb, die soweit abgesichert sind, dass sie wirklich nur das spielen, woran sie Spaß haben, was in den Terminkalender passt und wo der Scheck stimmt. Wenn die Dreharbeiten dann auch noch eine Kreuzfahrt beinhaltet, müssten sie sich mit einem Hammer kämmen, würden sie solch ein Angebot ablehnen. Wäre dies eine US-Serie, würde vermutlich in diesem Moment ein Autor in seinem stillen Kämmerchen sitzen und über ein Spin-off für diese beiden Charaktere nachgrübeln. Nach all den unlustigen Komikergastauftritten der Vergangenheit (Luke Mockridge, Bülent Ceylan, Harald Schmidt …) braucht es eben doch gestandene Schauspieler für komische Rollen.

Doch bevor nun Jubelstürme ausbrechen, die «Das Traumschiff» auf neuen Wellen schwimmen sehen, sei die Euphorie gebremst und die Realität betrachtet. Und da liefert «Das Traumschiff» dann doch nur Stapelware. Zugegeben, der alte Kutter navigiert auf seinen bekannten narrativen Routen sicher. Weihnachten 2021 bescherte «Das Traumschiff» mit einem Schwedentrip den totalen Tiefpunkt einer in die Jahre gekommenen Reihe. Offenbar wurde für die Episode 91 die Resterampe schlonziger Beziehungsgeschichten geplündert, die aus guten Gründen aus früheren Drehbüchern entfernt worden sind. Geschichten, die dann bedauerlicherweise in der Wiedervorlage statt einem Aktenvernichten landeten und mit einem Prittstift notdürftig zusammengeklebt das Drehbuch dieses abgewrackten Desasters lieferten. Leider gibt es hier auf Quotenmeter keine Rezension zu diesem televisonären Albtraum in drei Akten.

In solch narrativen Untiefen bewegt sich dieser Trip auf die «Bahamas» glücklicherweise wirklich nicht. Die Geschichten – funktionieren. Eine Frau mit Gedächtnislücken? Geht immer. Eine Mutter, die die Liebe ihres Sohnes nicht akzeptieren will und den Ethos ihres Berufes dafür Ethos sein lässt? Kann man machen.

Das ist zwar wirklich nicht die Neuerfindung des pilcheresken Beziehungsspiels, aber durch die recht zügige Inszenierung bieten die Geschichten exakt das, was sie versprechen. Wer also «Das Traumschiff» mag, wird bedient, wer nicht, wird es gar nicht erst einschalten. Die Hauptdarsteller rund um Florian Silbereisen agieren ihrer Berufung nach derweil klassisch als weise Rat- und Stichwortgeber: so schippert «Das Traumschiff» ruhig ins Neue Jahr. Es gab sicher bessere Episoden im Laufe der Jahrzehnte, aber auch weitaus schlechtere.

Am Sonntag, 1.1.2023, 20.15 Uhr, ZDF
30.12.2022 11:22 Uhr  •  Christian Lukas Kurz-URL: qmde.de/139175