Vier Gefängnisausbrecher tauchen ausgerechnet in Schwanitz unter und nisten sich bei der Tierärztin Jule Christiansen ein, um ihr weiteres Vorgehen zu planen. Einer der vier Männer hat eine Schussverletzung. Jule ahnt, dass auf ihrer Flucht etwas schiefgegangen sein muss.
Stab
Regie: Hinnerk Schönemann
Drehbuch: Holger Karsten Schmidt
Kamera: Uwe Neumeister
Ton: Kai Nührmann
Musik: Stefan Hansen
Schnitt: Tina Freitag
Besetzung: Hinnerk Schönemann, Jana Klinge, Marleen Lohse, Cem Ali Gültekin, Stephan A Tölle, Regine Hentschel, Joshy Peters, Rainer Furch, Roman Knizka, Tino Führer, Konstantin Lindhorst
Im achtzehnten Spielfilm der Reihe hat Hauptdarsteller Hinnerk Schönemann eine Doppelrolle übernommen. Er agiert nicht nur als Hauke Jacobs vor der Kamera, auch als Regisseur zeichnet er sich für den Kriminalfilm verantwortlich: Eines Filmes, der weitaus origineller beginnt als die Einleitung vermuten lässt, denn die vier Ausbrecher – werden eher zufällig vom lieblichen Duft der Freiheit betört. Während eine Überführung von ihrem alten Gefängnis in eine Strafanstalt nach Mecklenburg-Vorpommern erleidet der Fahrer des Transporters einen Herzinfarkt. Den Mann ereilt der Sekundentod. Versucht sein Beifahrer den Wagen noch zu stoppen, rammt dieser einen am Straßenrand abgestellten Trecker-Anhänger. Der Aufprall bricht dem Beifahrer das Genick. Offenbar verzieht sich die Karosserie des Fahrzeugs und so lässt sich die Hintertür des ansonsten unbegleiteten Transporters öffnen. Da der Unfall mitten auf einer einsamen Landstraße passiert ist, sehen die Männer ihre Chance gekommen, das Weite zu suchen. Niemand hat etwas von dem Unfall mitbekommen. Die Straße ist unbefahren, das nächste Städtchen ist ein kleiner Flecken am Horizont. Kurzerhand versenken sie den Wagen in einem nahen Teich und treten querfeldein die Flucht an. Auf ihrem Weg entdecken sie ein etwas abgelegenen Gebäude, in das sie einbrechen und ihre Sträflings- gegen zivile Kleidung eintauschen. Der Gefangene Puttkammer kristallisiert sich derweil mehr und mehr zum Anführer der vier heraus. Er hat die Ressourcen, um eine Flucht nach Schweden zu ermöglichen. Alles, was er dazu benötigt, ist etwas Ruhe. Daher sieht sein Plan vor – einfach nicht auffallen. Wie sich aus einem Funkkontakt mir der Leitstelle der Justizverwaltung ergibt, haben sie zwei Stunden, in denen niemand bemerken wird, dass sie verschwunden sind. Und selbst danach haben sie noch die Möglichkeit, unter dem Radar durchzugehen. An sich ist sein Plan simpel. Nur leider wird der vom Besitzer des Hauses durchkreuzt, der mit einer Jagdflinte sein Zuhause betritt. Die Situation eskaliert und am Ende der Eskalation ist der Mann tot und einer der vier Ausbrecher schwer verletzt. Sie lassen die Leiche verschwinden und suchen einen Arzt. In Ermangelung eines solchen brechen sie in Jule Christiansens Tierarztpraxis ein und nehmen diese sowie ihre Praktikantin Lea als Geiseln.
Die Ausgangssituation des ARD-Kriminalspiels ist nicht ohne Reiz. Die Zufallsausbrecher handeln anfangs rational. Sie nehmen die Waffen und Funkgeräte der verunglückten Justizbeamten an sich, lassen ihr Gefährt verschwinden, besorgen sich Kleidung. Alles möglichst unauffällig. Die Eskalation ist einem dummen Zufall geschuldet, aber selbst nach diesem Geschehen versuchen sie weitestgehend unauffällig zu bleiben. Ebenso, wie die Männer zufällig in die Freiheit geraten, werden Hauke Jacobs und seine Kollegin Hannah Wagner ebenfalls nur zufällig auf ein mögliches Verbrechen aufmerksam – durch eine übervorsichtige Nachbarin des Toten, die zwar eigentlich nicht viel mitbekommen hat, aber – sie hat „so ein Gefühl“. Hauke Jacobs und Hannah Wagner wissen also recht bald, dass offenbar ein Verbrechen stattgefunden hat, haben aber keine Ahnung, was genau geschehen ist oder dass sie es mit mehreren Tätern zu tun haben.
Leider verliert die Inszenierung mit fortlaufender Spielzeit an Tempo. Während die Geschichte bis zum Moment der Operation des verletzten Sträflings in der Praxis recht straff inszeniert ist und nur eine Richtung kennt, nämlich die nach vorne, verliert sich die Story mit fortlaufender Spielzeit im Klein-Klein der gegenseitigen Animositäten der Sträflinge in der Tierarztpraxis. Die Ausbrecher sind recht unterschiedliche Typen. Einer ist ein Dieb, einer ein Betrüger. Was Puttkammer ist, wird zwar nie gesagt, es ist aber klar, dass dieser Kerl jemand ist, mit dem man keine Spielchen spielt. Der vierte Mann im Bunde ist derweil offenbar ein Gewaltverbrecher, der eher über einen mäßigen Verstand verfügt.
Eigentlich eine reizvolle Truppe, denn die Unterschiedlichkeit lässt tatsächlich Konflikte erwarten. Diese Konflikte aber wirken nie, als würden sie aus einer Situation heraus entstehen. Sie entstehen, weil die Konventionen des Kriminalspiels dies verlangen. Der Betrüger etwa will niemanden etwas antun und will nur weg, der Gewaltverbrecher hat seine Triebe nicht unter Kontrolle... Das alles funktioniert zwar dramaturgisch, ist aber wenig originell. Drehbuch und Regie arbeiten brav Augenblicke des Erwartbaren ab, das Tempo verflacht zusehends, bis es zu einem regelrechten Stillstand kommt.
Zum Ende hin wird es noch einmal dramatisch, ja, sogar ein wenig Action ist angesagt. Auf dem Weg zu diesem Ziel aber verliert die Inszenierung bedauerlicherweise ihren Anfangspepp und müht sich eher über die Ziellinie.
PS: «Auf der Flucht» ist faktisch der neunzehnte Fall der Reihe. Das Weihnachts-Special «Ho-Ho-Ho» aus dem Jahr 2021 wird jedoch in der offiziellen Zählung nicht berücksichtigt.
Am Donnerstag, 5. Januar 2023, 20.15 Uhr, Das Erste