«Der Scheich»: Der Glaube an etwas Großes

Seit Dezember ist das Werk von Dani Levy beim jungen Streamingdienst Paramount+ zu sehen.

Nur knapp zwei Wochen nach dem deutschsprachigen Start von Paramount+ hat der Streamingdienst die erste deutsche Serie geliefert: Showrunner Dani Levy schrieb und inszenierte «Der Scheich», ein perfektes Katz-und-Maus-Spiel, das ähnlich gut funktioniert wie Steven Spielbergs «Catch Me If You Can». Im Mittelpunkt steht der korpulente Ringo, der von zwei aus dem Knast entlassenen Junkies nach der Arbeit in eine Falle gelockt wird. Er habe wohl vor Jahren eine Tasche mit den verschwitzten Sportsachen erhalten, doch bei dem Maler im Niedriglohnsektor erscheinen nur Fragezeichen. Darin soll viel Geld enthalten sein.

Aufgrund einer aufkommenden Schlägerei landet der von Björn Meyer (Münster-«Tatort») in einer Klinik, seine Frau Carla (Petra Schmidt-Schaller, «Die Toten von Marnow») eilt ihm zur Hilfe. Der Zuschauer lernt also Ringo als unbeholfenen Mann kennen, der seine Patchwork-Familie vor Schlimmerem bewahren muss. Da trifft es sich doch super, dass die Familie aus dem Landkreis Waldshut nahe des Bodensees einen Kurztrip in das schweizerische Zürich unternimmt.

Bei einem Toilettenbesuch, Ringo muss sich eine Insulinspritze verpassen, trifft er zufällig auf den Immobilienmakler Urs (Philippe Graber, «Stürm: Bis wir tot sind oder frei»), der in einer unglücklichen Ehe gefangen ist, sein Erspartes in ein kleines Einfamilienhaus am Rande der Stadt investierte und von seinem Chef stetig heruntergeputzt wird. Urs ist gar kein Erfolgsverkäufer. Es ist also mehr Schein als Sein. Das trifft auch auf Ringo zu, der bei seiner Rückkehr auf die Terrasse beim Lunch auf Urs stößt und mit seiner tollpatschigen Art auch gleich Wein auf dessen Hemd kippt.

Ringo behauptet von sich, der Sohn eines katarischen Scheiches zu sein, der mehrere Ehefrauen hat. Da seine Mutter allerdings aus Hamburg stammt, hat die Königsfamilie ihn und seine Mutter verstoßen. Er bekam allerdings ein Startkapital in astronomischer Höhe, um eine Investmentfirma aufzubauen. Weil Urs endlich einen erfolgreichen Coup landen möchte, glaubt er diesen vermeidlichen Betrug. Die Protagonisten können ihr Glück nicht fassen, weshalb Gesetze und Vereinbarungen zwar nicht gebrochen, sondern extrem aufgeweicht werden.

Das erinnert zwischenzeitlich an solche Netflix-Doku-Reihen wie «Der Tinder-Schwindler», der sich mit dem Geld anderer ein tolles Leben aufbaute, aber selbst nie große Summen besaß – oder an «Inventing Anna»: Die Story von Anna Sorokin beschaffte Netflix im vergangenen Jahr gute Publicity und noch heute streitet man darüber, ob die Deutsch-Russin Menschen wirklich betrogen hat oder einfach leichtgläubige Menschen zum Investieren überzeugen konnte.

Bei «Der Scheich» kommt erfreulicherweise hinzu, dass der Streaming-Abonnent nicht weiß, wie die Story enden wird. Das bislang achtteilige Epos wurde tatsächlich in der Nähe des Bodensees und in Zürich gedreht, sodass die Bilder auch noch einen tollen Look bringen. Dazu wird es ähnlich spannend wie in «Catch Me If You Can», wann und vor allem wie Ringo scheitern wird. Das System wird im Laufe der Serie immer größer, immer mehr Menschen investieren ihr Erspartes oder das ihrer Unternehmen in die Wunschvorstellungen der katarischen Familie. Im Jahr, in der eine Fußball-Weltmeisterschaft in Katar ausgetragen wurde, passt das thematisch auch noch wunderbar. Von Menschenrechten redet keiner der Wohlhabenden, warum auch? Schließlich will man mit den Scheichs Geld verdienen und nicht die Welt verbessern.

Die Szenerie wird allerdings im Laufe der Staffel immer bizarrer. Immobilienmakler Urs wechselt in die neugegründete Firma des Scheichs, darf sich mit Millionenwerten herumschlagen und lädt Ringo schließlich in seine Familien-Baustelle ein. Dort misslingt dem großen Grillmeister die Zubereitung der Speisen, seine Frau ist entsetzt und peinlich berührt. Aber ihr kommen die Geschichten von Ringo zunehmend seltsam vor.



Um die Staffel zu füllen, ist auch der aus dem «Usedom-Krimi» bekannte Max Hopp dabei, der den erfahrenen Dorfpolizisten Victor Hopp verkörpert und natürlich eine Backstory bekommt. Er ist zwar nach außen ein liebender Ehemann, aber hat seine Schattenseiten: Er schlägt seine Frau und im Laufe der Geschichte kann sie sich von ihm lösen. Dennoch bleibt er der Bad Cop in seiner Verfolgungsgeschichte.

«Sörensen hat Angst»-Schauspielerin Bettina Stucky greift als Beatrice von Greifen in die Handlung ein. Sie ist Politikerin der Schweizer Volkspartei und möchte den Scheich für ein viel zu großes Projekt in die Schweiz holen. Natürlich bekommt auch von Greifen eine Privatgeschichte reingedrückt, die allerdings tatsächlich wie ein Pausenfüller wirkt.

Beim Ende hätte allerdings Dani Levy deutlich nachbessern sollen. So toll wie «Der Scheich» beginnt, so schwach endet die Serie nach acht Folgen. Man hat das Gefühl, dass man den großen Knall aufgeschoben hat, um eventuell doch noch irgendwann eine zweite Staffel nachschieben zu können. Es wirkt für alles, was in der Serie passiert, ist einfach nicht stimmig. Dennoch: Man hat sieben Folgen Spaß.

«Der Scheich» ist bei Paramount+ zu sehen.
08.01.2023 11:35 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/139342