Der Gründungsintendant des ZDF, Karl Holzamer, hat falsche Angaben über seine Biografie während der NS-Zeit gemacht. Dies belegt eine vom ZDF durchgeführte und wissenschaftlich bewertete Untersuchung.
Im April feiert das ZDF seinen 60. Geburtstag, und der Mainzer Sender hat wahrlich viele Gründe zum Feiern, denn inzwischen ist er seit über einem Jahrzehnt der erfolgreichste deutsche Fernsehsender. Doch die öffentlich-rechtliche TV-Anstalt hat auch eine dunkle Vergangenheit, auf die man nun selbst ein Schlaglicht wirft. Es geht um die Vergangenheit des Gründungsintendanten Prof. Dr. Karl Holzamer, der von 1962 bis 1977 im Amt war. Er hat falsche Angaben über seine Biografie während der Zeit der Nationalsozialisten gemacht. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die das ZDF durchgeführt und anschließend dem Historiker Prof. Dr. Martin Sabrow, ein renommierter Historiker und seit September 2021 Sprecher des Leibniz-Forschungsverbunds „Wert der Vergangenheit“, für eine wissenschaftliche Bewertung und Einordnung zugänglich gemacht hat.
Die Recherchen haben zu Tage gefördert, dass Holzamer unter anderem seine zeitweilige Zugehörigkeit zur SA verschwiegen und seine von 1937 bis 1945 bestehende NSDAP-Mitgliedschaft auf eine 1937 eingegangene und 1939 angeblich selbstständig aufgelöste Anwartschaft reduziert hat. Außerdem stellte er sich mit seiner publizistischen Tätigkeit erst als Reporter des damaligen Westdeutschen Rundfunks und später als Kriegsberichterstatter der Wehrmacht offenbar stärker in den Dienst der NS-Herrschaft, als er nach 1945 eingeräumt hat.
Laut einer vom ZDF verschickten Mitteilung gelangt Sabrow zu der Einschätzung, dass sich Holzamer dem Typus des „pragmatischen Opportunisten“ zurechnen lasse, der zur Anpassung an die neuen Verhältnisse bereit war, ohne sich die Nazi-Ideologie und ihren virulenten Antisemitismus gänzlich zu eigen zu machen. Sabrow: „Holzamers lebensgeschichtliche Stilisierung in den Jahrzehnten nach dem Krieg entsprach einem Zeitgeist, der auf Entlastung und Verdrängung der Vergangenheit zielte. Auch wenn er sich während der NS-Zeit weder innerhalb der parteipolitischen Institutionen noch in seinen Medienbeiträgen – soweit diese bekannt sind – über das geforderte Maß hinaus engagierte, finden sich in seinen damaligen Texten Ingredienzien des nazistischen Weltbildes und er trug in seinem beruflichen Wirken zur Aufrechterhaltung und Stärkung des 'Dritten Reichs' bei. Inwieweit die nach 1945 teils eingeräumte, teils beschwiegene NS-Verstrickung Medienmacher und -intellektuelle wie Holzamer in ihrem Engagement für eine demokratisch fundierte Gesellschaft behinderte oder im Gegenteil sogar bestärken konnte, bleibt eine über den Fall Holzamer hinausweisende Interpretationsfrage der deutschen Zeitgeschichte.“
Holzamers Vergangenheit während der NS-Zeit wurde deshalb einer Überprüfung unterzogen, da bei den Vorbereitungen zum Jubiläum "60 Jahre ZDF" biografische Angaben in der Vita des Gründungsintendanten durch das Unternehmensarchiv des ZDF geprüft worden waren. Dabei ergaben sich im Abgleich mit dem auf der ZDF-Webseite und an anderen Stellen veröffentlichten Lebenslauf Holzamers Abweichungen bei den Daten zur NS-Zeit. ZDF-Intendant Dr. Norbert Himmler hatte daraufhin eine interne Recherche beauftragt, in die neben dem ZDF-Archiv auch die Bestände einschlägiger staatlicher Archive (wie Bundesarchiv/Militärarchiv) zum Thema Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg einbezogen wurden. Dabei tauchten neue Hinweise und Fakten auf, die auch die Mitgliedschaften in der NSDAP und der SA betreffen.
„Das Gesamtbild, das Karl Holzamer von sich gezeichnet hat, hält der historischen Wahrheit nicht stand. Seinen großen Verdiensten in der Zeit nach dem Krieg, als Hochschullehrer der neu eröffneten Mainzer Universität und als erster Intendant des ZDF, stehen Verstrickungen in das NS-Regime gegenüber, die er teils verschwiegen und teils uminterpretiert hat“, so Himmler über die neuen Erkenntnisse. Der Lebenslauf von Karl Holzamer im Presseportal des ZDF wurde auf Basis der jetzt vorliegenden neuen Erkenntnisse korrigiert. Der Sender hat zudem angekündigt, über die neuen Erkenntnisse in seinem aktuellen Programm berichten zu wollen und plant außerdem eine Fernsehdokumentation, die sich mit Nachkriegskarrieren und ihren Bezügen zur NS-Zeit anhand verschiedener Beispiele befasst.