Aber kann die UFA Show & Factual mit ihrem «Tropical Desire» überzeugen?
Seit über 20 Jahren produziert Ute Biernat Reality-Shows und dank ihrer Erfahrung, die auf ihrem Studium der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften sowie Kunstgeschichte fußt, schafft ihr Unternehmen wie kein anderes erfolgreiche und ganz unterschiedliche Reality-Show-Formate zu entwerfen. UFA Show Factual produzierte in Zusammenarbeit mit Fremantle Mexico die deutsche Ausgabe von «Too Hot to Handle», die bei der amerikanische Premiere in Deutschland noch den Namen «Finger weg» trug.
Biernat, Stefan Sprenger und Martin Solemsky (vom Fremantle Hub in Mexiko) haben von Netflix den Auftrag erhalten, eine deutsche Version des internationalen Formates zu produzieren. Bereits vier Staffeln von der amerikanischen Version wurden realisiert, inzwischen wurden eine mexikanische und brasilianische Variante nachgereicht. Die Show, die von einer virtuellen Assistentin namens "Lana" moderiert wird, dreht sich um zehn Erwachsene, die ein paar Wochen lang zusammen in einem Haus untergebracht sind und verschiedene Workshops absolvieren müssen, während ihnen Küssen, sexueller Kontakt oder Selbstbefriedigung verboten ist. Da das Haus überwacht wird, wird jeder Regelverstoß bestraft. Los geht’s mit einem Preisgeld von 200.000 Euro, das bereits in den ersten Folgen massiv schrumpft.
Das liegt daran, dass die Verantwortlichen die Teilnehmer wie den österreichischen Akka (21) und den Berliner Dennis (33) nicht etwa für die Show gecastet haben, sondern für das Deckmantel-Format «Tropical Desire». Diese versprach ihnen „geile Flirts und heiße Nächte“, was in der ersten Folge weiter befeuert wurde und die Kandidaten scharf aufeinander gemacht wurden. So etwas gab es schon einmal und hörte bei RTL auf den Namen «Paradise Hotel», indem elf Singles tatsächlich auch in Mexiko entspannt in einer Villa sich kennen lernen konnten. Doch RTL hat davon keine Fortsetzung bestellt, Netflix hat die Chance erkannt und mit «Too Hot to Handle» noch einen draufgesetzt.
Die erste Folge, in der die vielen Kandidaten vorgestellt werden, verläuft – wie bei vielen anderen Shows – recht zäh. Erst im letzten Drittel der 60-minütigen Folge kommt ein wenig Fahrt auf. „Ey Jungs, lasst uns was trinken, Party machen und dann abschleppen“, sagt Akka beim geselligen Stelldichein mit den anderen Jungs, der schon bald von der Assistentin Lana gebremst wird. Kurios: Das Gerät erinnert weniger an eine Alexa als an eine Bong. Die deutsche Stimme kommt von Anna-Sophia Lumpe, die ihre Sache gut macht. „Heute kommt der Löwe raus“, grölt einer der jungen Männer. Hier stellt sich zu Recht die Frage: Geld oder Liebe?
Tatsächlich geht es in den letzten Minuten der Folge – Dank Lana – auch zur Sache. Verschiedene Spiele müssen absolviert werden und die Jungs und Mädels sollen auf den Höhepunkt kommen – bis dann die Macher der Reality-Show zuschlagen und auf die «Too Hot to Handle»-Regeln hinweisen. Das Ganze wird währenddessen von einer Off-Stimme, gesprochen von Larissa Rieß, auf ironische Weise kommentiert. Tja, warum sollte eine Produktionsfirma auch einen perfekten Urlaub bezahlen. Immerhin sind wir hier nicht bei VOX, das mit «First Dates Hotel» nach Mallorca verreist oder mit Frauen auf einem Schiff («Herz an Bord») umherschippert.
Eines muss man den Machern lassen: «Too Hot to Handle: Germany» ist nicht nur perfekt inszeniert, sondern sieht auch klasse aus. Natürlich werden die stereotypischen Charaktere gecastet, die schlank und gut aussehend sind. Wir haben es also mit Twens – und vereinzelt auch Anfang 30-Jährigen – zu tun, die theoretisch keine Probleme mit dem Finden eines Partners haben sollten. Da sie selbst immer wieder sagen, dass das nicht so einfach sei, sind das natürlich auch gute Kandidaten für eine solche Castingshow. Langfristige Beziehungen sind für die meisten Teilnehmer ohnehin nicht das Ziel in ihrer derzeitigen Lebensphase. Ein kleinerer Kritikpunkt ist, dass Lana die Bestrafungszeremonie teilweise unnötig spannend macht, da der Zuschauer in vielen Fällen die Regelverstöße ohnehin gesehen hat und die erzeugte Spannung lediglich die Teilnehmer auf die Folter spannt. So wird aber nicht immer verfahren, weswegen die Inszenierung nicht ermüdend ist.
Doch nicht nur vor der Kamera stehen gut aussehende Menschen, hinter der Kamera haben richtige Profis gearbeitet. Die Kamera-Flüge sind stark, sowohl bei Motivaufnahmen als auch bei Szenen im Resort werden die Charaktere durch die Fokussierung als scharf dargestellt, während der Hintergrund hollywoodmäßig unscharf ist. Obwohl die Reality-Show vermutlich weniger Menschen sehen werden als «Herz an Bord» bei VOX, hat man hier deutlich mehr Budget reingesteckt.
Das Geheimrezept von «Too Hot to Handle» sind aber nicht nur schöne Menschen, guter Schnitt und eine spannende Mission, sondern auch die Prise Humor, die die Akteure mitbringen. Als zwei Kandidaten beim Rummachen erwischt wurden, kommt nicht etwa Ärger auf, nein, sie lachen – und sie beschließen sich lieber dem Sport zu widmen.
Mit «Too Hot to Handle» hat Netflix ein weiteres Format geschaffen, das für die jungen Menschen bei dem Streamingdienst wie die Faust aufs Auge passt. Doch solche Formate gibt es wie Sand am Meer. Interessanterweise sind Netflix-Abonnenten aber selten auch RTL+-Kunden, weshalb die Schnittmenge von «Temptation Island» und des neuen Netflix-Stoffes überraschend gering ausfallen dürfte.
«Too Hot to Handle: Germany» ist seit 28. Februar bei Netflix zu sehen.