Das Nachrichtengeschäft können die Programmplaner gut abbilden, doch abseits von «RTL Aktuell» lassen die Quoten teilweise zu wünschen übrig.
In den vergangenen Wochen hat die Redaktion umfassend das RTL-Programm verfolgt und protokolliert, was der Sender in seiner dreistündigen Morgenschicht, in seinem dreistündigen Mittagsmagazin und in seiner 70-minütigen Abendschau im Bereich der boulevardesken Themen für die Zuschauer bereit hält. Vorab kann man durchaus sagen: Bei RTL bleibt man trotz zahlreicher Magazine auf dem aktuellen Stand, der Sender ist am Puls der Zeit. In «RTL Aktuell», das jeden Tag um 18.45 Uhr gesendet wird, fasst man die tagesaktuellen Meldungen zusammen.
Bei RTL beginnt der Nachrichtentag um kurz vor sechs Uhr. Das ist somit nicht nur eine halbe Stunde später als bei den Mitbewerbern von Sat.1, sondern auch von ARD/ZDF, die dort das «morgenmagazin» senden. Schon das Audiodesign macht klar: Es geht durchaus ernster zu als beim «Frühstücksfernsehen» in Berlin, der Vorspann ist deutlich schlichter gehalten als bei den Mitbewerbern gehalten. Zwar möchte man durchaus neutral und seriös wirken, doch nach den Nachrichten aus der Nacht und dem wichtigsten vom Vortag ist Schluss mit den harten News.
Bereits nach einer Viertelstunde sind die wichtigsten Informationen abgefrühstückt und RTL greift in häufigen Fällen zu weitaus langweiligeren Themen. Zum Beispiel kramte man in den vergangenen Wochen wieder einen Beitrag hervor, bei dem es um Schlafprobleme bei Paaren im gemeinsamen Bett ging. Als «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus» im Fernsehen ausgestrahlt wurde, stand die Verwertung der Best-Ofs jeden Morgen und Mittag auf dem Programm, das hatte manch Wochenserien verdrängt. Dabei hatte man allerdings nicht etwa stündlich den Beitrag wiederholt, sondern verschiedene Highlights zusammengeschnitten.
Beispielsweise präsentierte RTL auch einmal eine Reporterin namens Fiona, die mit Erkenntnissen zum Schnarchen auftrat. Die Moderatoren Daniela Will und Marco Schreyl führen einen längeren Talk, unter anderem wird auch Schlafmediziner Markus eingeblendet. Dieser Themenmix wird auch in «Punkt 8» auch noch fortgeführt. Aber unterm Strich sind oftmals kuriose Meldungen, Promi-News und Eigenwerbungen Teil des Programms.
Das dreistündige «Punkt 12» ist eine Fortsetzung der Morgenschiene. Die Moderatoren heißen jetzt aber anders: Katja Burkard, Roberta Bieling und Bernd Fuchs führen durch die Marathon-Sendung und zunächst werden die Themen besprochen, die in Deutschland so anstehen. Allerdings nicht etwa über große politische Themen, sondern zum Beispiel die Streikwelle bei Verdi am Frankfurter Flughafen. Hier schickte RTL mit Maurice Gajda auch keinen unbekannten Reporter. Immer wieder laufen Geschichten aus Amerika, bei denen verurteilte Straftäter zu Unrecht verknackt wurden. Doch es folgen daraufhin wieder Promi-News, Showbiz-Best-Ofs und Eigenwerbung. So ist am Freitag «Let’s Dance» als Thema gesetzt. Diese Bestandsaufnahme ist bereits ein paar Wochen alt, allerdings sind die Inhalte abseits der Politik-News immer die gleichen.
Sehr positiv fallen die Gesprächsrunden aus, bei denen bekannte RTL-Gesichter vor die Kamera treten. Stephanie Brungs, Aleksandra Bechtel, Michael Begasse, Instagram-Experte Philipp Pauls und Laura Dahm nehmen auf dem Studio-Sofa Platz und talken mit dem entsprechenden Moderator oder der Moderatorin. Das ist locker, das macht Spaß und macht die Sendung ein wenig wilder. Denn: Zeitweise arbeiten die Verantwortlichen mit einem optisch, klaren Studio, aber die bunten Themen fühlen sich in einem cleanen Studio nicht so wirklich gut an. Man könnte meinen, hier würde am Abend auch noch die «Tagesschau» aufgenommen.
Zum Glück kommen «Explosiv» und «Explosiv Stories» aus dem Green-Screen, wobei die Entscheidung mit dem gesamten Nachrichten-Konzept inkonsequent ist. Eröffnet wird die Sendung oft, wie es auch die Konkurrenten «hallo deutschland», «brisant» oder «taff» tun, mit einem spektakulären Thema, über das gesprochen werden soll. Starke Geschichten bezieht die gesamte Redaktion auch aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Aber mit den eigenen Reportern ist man ebenfalls um den Globus unterwegs. So besuchte man einen Aussteiger namens Jean-Michel Germing, der in Thailand auf einer Insel ein Luxus-Resort eröffnete. Nur schade, dass das Thema schon bei «Punkt 12» durchgenommen wurde. Teilweise sind aber auch einfach 20-minütige Geschichten bei «Explosiv Stories» zu sehen.
Nach «Unter Uns» ging RTL am Karnevalsmontag bei «Explosiv» mit einer Frau on air, die bereits beim hauseigenen Mittagsmagazin behauptete, die verschwundene Maddie McCann zu sein. „Ist das die entscheidende Wendung?“, fragt Moderatorin Jana Azizi. Die Antwort bleibt RTL schuldig, denn schon beim Einspielen des Instagram-Videos sagt die 21-Jährige, die könne es sein, aber müsse nicht. Ein RTL-Reporter ordnet die Meldung ein, dass die junge Frau, die in einer Komparsen-Kartei stecke, auch einfach viral gehen wollte. Sowohl die junge Polin als auch die Eltern verschwundenen Maddie haben einen DNS-Test zugestimmt. Nach einigen Tagen stellte sich heraus, dass hier nur eine Erotikdarstellerin aus dem Ausland für sich werben wollte.
Bei sieben Stunden Boulevard kann RTL nicht dauerhaft neue Beiträge recherchieren, zusammenschneiden und senden. Allerdings ist der tägliche Output sehr beachtlich, denn die Wiederholung der langen Stücke hält sich in Grenzen. Allerdings fühlen sich die Boulevard-Sendungen im Nachrichten-Studio eher unwohl an. Hier fehlt RTL ein passendes Gegenstück zum «taff»-Studio, das seit mehr als zehn Jahre eine gute Arbeit leistet. Obwohl die Sendungen überwiegend aus Boulevardteilen bestehen, kommen die Nachrichten bei RTL nicht zu kurz. Man muss allerdings auch mit klaren Vorstellungen ins Programm gehen: Die örtliche Lokalzeitung druckt überschaubare DPA-News ab und kümmert sich um die Geschehnisse vor Ort. Die Sendergruppe RTL konzentriert sich auf boulevardhaltige News, weshalb die Annahme, man müsse hier Weltpolitik analysieren, ebenso falsch ist.
Mit der Absetzung von «Explosiv Stories» beendet RTL sein erstes weiteres Nachrichten-Format. Der Fernsehzuschauer wird die Sendung allerdings nicht vermissen. Spektakuläre Meldungen waren dort nicht zu sehen, es handelte sich eben doch nur um einen Ableger von «Explosiv». Bei so vielen unwichtigen Boulevardzeug braucht sich RTL aber nicht wundern, wenn die Zuschauerzahlen auch nicht so gut ausfallen, sondern nur auf einem Mittelmaß köcheln – aber immerhin Mittelmaß!