Sat.1 sieht weiterhin Chancen auf dem Telenovela-Markt
Ein ungewohnter Blick für Programmmacher in Deutschland: Telenovelas, die weit unter dem Senderschnitt liegen. Die Serie «Tessa», die das Zweite Deutsche Fernsehen als Telenovela der zweiten Generation ankündigte, betritt in mehrfacher Hinsicht Neuland. Zunächst war sie die erste Produktion dieses Genres, die das Prädikat Flop verdient hat. Der Marktanteil beträgt durchschnttlich 2,2 Prozent bei den sonst so Telenovela-freudigen 14-bis 49-Jährigen, bei allen Zuschauern beträgt der Schnitt 5,8 Prozent. Dann war «Tessa» die erste Serie, deren Sendelänge gekürzt wurde – und zwar drastisch: Von geplanten 250 auf 130 bis 140 Folgen. Zuletzt ist «Tessa» auch deswegen „neuartig“ weil sie ab Mai die erste Telenovela sein wird, die im Nachtprogramm versendet wird – erst nach Mitternacht wird die Geschichte um Tessa Thalbach (Bild) und Felix Kilian zu Ende erzählt.
„Der Markt ist offenkundig gesättigt“, erklärte ZDF-Programmdirektor Bellut und kündigte an, neben «Julia» keine neue tägliche Serie ins Programm zu nehmen. Der Plan, im Sommer nach den «heute»-Nachrichten eine leichte Liebesgeschichte über zirka 40 Episoden zu zeigen, wurden inzwischen ebenfalls gekippt.
Auch für Carlotta Wiesner (Janin Reinhardt) laufen die ersten Folgen nicht so wie gewünscht. Der «Lotta in love»-Marktanteil ist in der Zielgruppe zwar deutlich höher als der von «Tessa», dennoch dürfte ProSieben mit dem einstelligen Wert von neun Prozent nicht zufrieden sein, wenngleich es quotentechnisch durchaus noch Platz nach oben gibt. Offiziell zeigt sich ProSieben mit den Werten der Telenovela aber zufrieden.
Großen Spaß an Telenovelas hat Sat.1-Geschäftsführer Dr. Roger Schawinski, dessen tägliche Reihe «Verliebt in Berlin» durchschnittlich 22,3 Prozent Marktanteil erreicht und seit langem Gesprächsthema unter Jugendlichen wie auch in vielen Büros ist. „Das ist die Stärke von «Verliebt in Berlin»,“ sagt Kristina Faßler. Wann wirft Lisa endlich ihre Brille weg und nimmt die Zahnspange aus dem Mund? Wann wird aus dem zuvor hässlichen Entlein endlich ein schöner Schwan? Allzu lange dürfte es nicht mehr dauern. Mit Bangen sehen die Berliner wohl dem Ende entgegen, das rein theoretisch im Frühherbst ansteht. Ob der Frühherbst allerdings wirklich das Ende von «Verliebt in Berlin» ist, steht unterdessen noch gar nicht fest. Sat.1 prüft derzeit noch immer, ob man die Telenovela nicht doch verlängern könnte – in der gleichen Serienwelt, nur eben mit einer anderen Hauptperson – egal ob männlich oder weiblich. „Lisa Plenske wird im Finale ihr Happy End erleben und dann die Serie verlassen – das steht fest“, erklärt Sendersprecherin Kristina Faßler.
Zudem kündigte der Sender vor Wochen eine zweite tägliche Serie für den Frühherbst an: Raphael Vogt wird Hauptdarsteller in «Schmetterlinge im Bauch», die weibliche Hauptrolle wird spätestens Mitte Mai besetzt - und das obwohl man beim ZDF von Übersättigung spricht. „Ich denke, das ZDF macht sich das Ganze etwas zu leicht“, erklärt Faßler. „Für Telenovelas, über deren Inhalt man sich im Voraus keine großen Gedanken gemacht hat, war noch nie Platz im Markt“, kontert sie. Der Markt sei also keineswegs gesättigt. Das Erfolgsrezept lautet für sie wie folgt: „Eine gute Telenovela muss die Probleme eines möglich breiten Publikums ansprechen, im Hier und Jetzt spielen und auf jeden Fall Humor haben“, so Faßler. Es sei nun die Zeit gekommen, in der sich eben die guten von den schlechten Telenovelas unterscheiden. Deshalb sei der Start von «Schmetterlinge im Bauch» in keiner Weise gefährdet. „Wir stecken voller Freunde in den Vorbereitungen“, verkündet die Sat.1-Sprecherin. Ein genauer Sendeplatz steht unterdessen noch nicht fest, allerdings gebe es eine gute Lösung, die sie allerdings noch nicht verraten will. Nur soviel scheint sicher: Irgendwann im Vorabend heißt es „Bühne frei für Raphael Vogt und einen neuen weiblichen Star.“
19.04.2006 16:33 Uhr
• Manuel Weis
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