Tyron Ricketts: ‚Die Diversität ist schon lange da‘
Der gebürtige Österreicher hat die neue Disney+-Serie «Sam – Ein Sachse» produziert, die sich um die Geschichte von Samuel Meffire dreht.
Hallo Herr Ricketts, Sie haben für Disney+ die Serie «Sam – Ein Sachse» gedreht. Die Story dreht sich um den ersten schwarzen Polizisten in Ostdeutschland. Was macht diese Geschichte so besonders?
Die Geschichte von Samuel Meffire ist eine höchst spannende und zutiefst emotionale Heldenreise. Leider gab es in unserer Gesellschaft lange Zeit keinen Platz für diesen Helden. Die Geschichte ist wahr und erzählt eine der spannendsten Zeiten in der Deutsch-Deutschen-Geschichte aus der Perspektive eines schwarzen Deutschen. Hätten wir uns das alles ausgedacht, würde uns keiner glauben.
Die Serie soll eine neue Perspektive auf Deutschland geben. Können Sie schon vorab verraten, um welche Perspektive es sich dreht?
Die meisten Geschichten aus Deutschland werden aus einer weißen Perspektive auf die Welt erzählt. Unsere Geschichte erweitert den Blickwinkel auf die Sicht von schwarzen Personen. Situationen können plötzlich völlig anders erscheinen, wenn man seine selbstbezogene Brille absetzt und die Welt plötzlich durch andere Augen sieht. Gerade im Bezug auf die Wiedervereinigung verschiebt sich hierdurch eine ganze Menge.
Gibt es unterschiedliche Formen von Diskriminierung?
Zum Glück geht es ja hier nicht um einen Wettbewerb welche Form der Diskriminierung die schlimmere ist. Diskriminierung und Rassismus sind überall schlimm. In unserer Serie bekommt man eine gute Vorstellung davon, wie individuelle und strukturelle Diskriminierung sich voneinander unterscheiden.
Stimmt meine Wahrnehmung, dass man auf dem österreichischen Land kaum Ausländer trifft, weshalb man auf Zugezogene einen eher misstrauischen Blick wirft?
Diese Frage kann ich ihnen leider nicht beantworten. Ich bin in Österreich geboren und fühle mich deshalb dort nicht als Ausländer. Die Tatsache, dass man auf dem Land generell Zugezogene eher misstrauisch beäugt, trifft aber sicherlich auf viele ländliche Gegenden zu.
Durch den Zuzug von türkischen und italienischen Gastarbeitern sowie der Bologna-Reform und den offenen Grenzen sind die Deutschen in einem multikulturellen Staat angekommen?
Was die Zahlenverhältnisse angeht, ist Deutschland schon lange ein multikultureller Staat. Ich denke, die Tatsache, dass 27,3 Prozent der Menschen in Deutschland einen sogenannten Migrationshintergrund haben, spricht für sich. Was Deutschland noch nicht hinbekommen hat, ist, all diese Menschen in die - auch mediale - Erzählung von Deutschland einzubauen. Und zwar als selbstverständlicher Teil dieses Landes und nicht als die Anderen. Die Diversität ist schon lange da. Mit der Inklusion hapert es da allerdings noch ein wenig.
Das Leben von Samuel Meffire ist sehr beeindruckend. Unter anderem schlug er sich mit diversen Jobs durch, durfte dann Kriminalistik studieren und war anschließend Kripo-Beamter. Wo beginnt die Story bei «Sam – Ein Sachse»?
In unserer Serie fangen wir an, kurz bevor Sam zur kasernierten Volkspolizei geht. Wir begleiten ihn durch die Zeit des Mauerfalls und die wilden Jahre danach in seiner Heimatstadt Dresden.
Seit acht Jahren ist Meffire als Trainer für Gefahrenlagen, Rettungssanitär sowie als Mitarbeiter von Universitäten tätig. Um diese Geschichte zu Ende zu bringen, muss man sich auch mit seiner siebenjährigen Haftstrafe auseinandersetzen? Oder endet die Serie, ähnlich wie das Boris-Becker-Biopic «Der Spieler» oder der Sky-Film «Der Kaiser» um Franz Beckenbauer vor dem Absturz?
Leider habe ich weder den Einen noch den Anderen Film gesehen. Bei unserer Serie ist die innere Reise unseres Helden wichtiger als der tatsächliche äußere Zeitrahmen. Wer tiefer in die Geschichte von Samuel Meffire einsteigen will, sollte, nachdem er unsere Serie gesehen hat, sollte unbedingt sein Buch „Ich - Ein Sachse“ lesen.
Disney ist ein riesiger Konzern, der pausenlos Nachschub aus Amerika bekommt. Weshalb hat man «Sam – Ein Sachse» bestellt? Fehlende Bibliothek dürfte ja kein Grund sein.
Gerade bei lokalen Produktionen ist es Disney+ wichtig, Geschichten zu erzählen, die auch einen ganz klaren lokalen Bezug haben. Die Geschichten sollen nicht nur unterhalten, sondern eben auch verschiedene Stimmen und Perspektiven zeigen und die Diversität unserer Welt reflektieren. Finden sie nicht, dass wir auch aus Deutschland heraus Geschichten erzählen können, die das internationale Interesse wecken können?
Die Walt Disney Company wertet die Serie mit Sicherheit international aus. Gibt es zum Start schon alle möglichen Synchronisationen?
«Sam Ein Sachse» wird international ausgewertet und derzeit in 7 Sprachen übertragen.
Ich freue mich sehr darauf, den großartigen Malick Bauer, all die anderen Schauspieler*innen und mich selbst in diesen anderen Sprachen zu hören.
«Sam – Ein Sachse» ist bei Disney+ verfügbar.