Montags blickt Quotenmeter auf aktuelle Quoten-Highlights und Marktanteil-Flops und ordnet diese ein. Diesmal geht es um die Kürzung von «Volles Haus!», das recht kurzfristig gerafft wird. Ist Ingo Lenßen aber eine gute Lösung?
Mit großem Brimborium hatte Sat.1 Ende Februar den langersehnten Neustart
«Volles Haus!» auf Sendung gebracht. Obwohl die Vorlaufzeit erheblich war, blieben bereits zu Beginn einige Fragen offen. Zunächst hatte man nur Jasmin Wagner und Jochen Schropp als Moderationsduo angekündigt, aufgrund einer Erkrankung wurde Chris Wackert schnell als weiteres Team-Mitglied präsentiert, dazu gesellten sich Britt Hagedorn und Madeleine Wehle. Von langer Hand geplant wirkte dies alles nicht, was sich auch auf den Inhalt der versprochenen „Alles-in-einer-Show“ anzumerken war. Vieles war halbherzig umgesetzt, wöchentlich wurde der Sendungsablauf verändert. Inzwischen startet die Sendung ohne Begrüßung oder Vorspann direkt mit einem Blaulicht-Format, das Rettungssanitäter bei der Arbeit begleitet. Es scheint, als wolle man den Übergang von der Scripted Reality «Klinik am Südring» zu «Volles Haus» gar nicht aktiv gestalten. Wohlgemerkt wollte sich der Sender eigentlich von den Scripted Realitys trennen, mit der nun angekündigten Sommerprogrammierung, in der
«Lenßen übernimmt» mit alten Folgen die 18-Uhr-Stunde füllen soll, ist dieser Schritt wieder in weite Ferne gerückt.
Ohnehin ist diese Programmänderung für den „Sommer“, die am Sonntagnachmittag veröffentlicht wurde (Quotenmeter berichtete), fragwürdig. Der Sommer beginnt nicht am 15. Mai. Auch wenn man es bei Sat.1 nicht wahrhaben will und weiterhin den langen Atem betont, den es zu beweisen gilt, ist «Volles Haus!» in seiner ursprünglichen Form gescheitert. Ein neues Format am Nachmittag einzuführen und gleich drei Stunden am Stück zu senden, war ein Wagnis, das zum Scheitern verurteilt war. Der Zuschauer war daran nicht gewöhnt, und wollte sich in zehn Wochen auch nicht daran gewöhnen. Stimmen über die Sendung waren stets negativ und auch die Quoten entwickelten sich nicht ins Positive. Hielt man sich auf dem Gesamtmarkt mit knapp unter zwei Prozent zwar recht konstant, waren die Werte in der klassischen Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen rückläufig. Im Schnitt erzielte Sat.1 nur 2,5 Prozent. Teilweise reichte es gar nur zu 1,1 Prozent.
Dazu sei aber gesagt, dass die Werte einer dreistündigen Sendung am Nachmittag nur bedingt aussagekräftig sind, da die Zuschauerfluktuation zwischen 16:00 und 19:00 Uhr natürlich erheblich ist und es sich bei den täglichen Daten nur um Durchschnittswerte handelt. Dennoch ist das Ergebnis alles andere als zufriedenstellend. Nun kürzt man die Sendung auf zwei Stunden, das Publikum darf sich ab dem kommenden Montag auf einen neuen Aufbau freuen, denn das mit ebenfalls großem Getrommel eingebaute Promi-Magazin
«Bunte – live», das seinen festen Platz um 18:00 Uhr hatte, wird dann in die 17-Uhr-Stunde rutschen. Ab 17:30 Uhr übernehmen aber bekanntlich auch die Regionalmagazine in einzelnen Bundesländern wie Bayern und Nordrhein-Westfalen.
Ab 18:00 Uhr wird die Scripted Reality «Lenßen übernimmt» zurückkehren. Vor der Einführung von «Volles Haus!» war der prominente Rechtsanwalt einer der wenigen Hoffnungsschimmer im Sat.1-Nachmittag. In der letzten Woche auf Sendung brachte er es auf teilweise mehr als zehn Prozent Marktanteil bei den Umworbenen, mehrfach überbot man die Millionen-Marke bei den Zuschauern ab drei Jahren. Die Probleme am Nachmittag sind für Sat.1 bekanntlich nicht neu. Des Öfteren musste «Lenßen übernimmt» als Notnagel herhalten oder wurde im Schema rumgeschoben. Seine stärkste Phase hatte die Sendung aber stets, wenn sie um 17:00 Uhr auf Sendung geschickt wurde. Folgen ab 18:00 Uhr holten zwar gute Reichweiten, taten sich aber beim jungen Publikum schwer gute Quoten einzufahren. Ganz problematisch war die Programmänderung im November 2022, als Lenßen in der 19-Uhr-Stunde on air ging. Er hielt vier Wochen lang durch, ehe es zurück auf 18:00 Uhr ging. Die Quoten wurden dennoch nicht besser. Erholung gab es erst als Lenßen sein eigener Vorlauf wurde und ab Januar gleich vier Folgen am Stück gezeigt wurden. Es dauerte knapp einen Monat, bis die Millionen-Marke wieder gerissen wurde.
Nun soll «Lenßen übernimmt» mit alten Folgen den Vorabend kostengünstig füllen. Dass damit durchaus gute Werte erzielt werden können, ist unbestritten. Doch der Vorlauf von «Lenßen übernimmt» ist eben nicht «Lenßen übernimmt», sondern «Volles Haus!». Es ist fraglich, ob die Quoten durch die Verknappung der Sendezeit steigen werden. Schlechter kann es jedenfalls kaum laufen, womit dann auch schon ein Gewinner feststehen dürfte: Ulla Kock am Brink und «Die perfekte Minute». Die Gameshow litt zuletzt arg unter dem miserablen Vorlauf, weshalb es auch hier nur bergauf gehen kann. Sollte das Sommer-Experiment, das bis in den „späten Sommer“ andauern soll, glücken, ist es sehr unwahrscheinlich, dass «Volles Haus!» im September wieder ausgedehnt wird. Zumal Sat.1 auch eine neue Vorabend-Serie plant, die prädestiniert für die 18-Uhr-Stunde scheint, da man so zumindest den RTL-Erfolgsgaranten «Alles was zählt» und «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» aus dem Weg ginge. Stellt sich nur die Frage, wie sehr sich das Sat.1-Publikum nach Jahren der fiktionalen Dürre nach Serienstoff sehnt.