«Vollbild» über Sugardaddys: Gut gemeint, schlecht umgesetzt
Die neue Dokumentation kratzt an der Oberfläche, statt sich mit den Problemen der Gesellschaft auseinander zu setzen: Nämlich die der älteren Männer, der jungen Frauen und warum es keine Altersverifikationen gibt.
„Er hat ultraviel Geld für mich ausgegeben“, fasst eine junge Frau zum Start der neuen «Vollbild»-Reportage «Undercover unter Sugardaddys: Wer kauf Minderjährige?» zusammen, die rund 2.500 Euro von einem älteren Herrn bekam. Einem anderen, jungen Mädchen wurden für einen sexuellen Gefallen zwischen drei Menschen sogar 3.000 Euro angeboten. Das sei „Suger Dating“, bei dem wohlhabende Männer den Kontakt zu jungen Frauen pflegen können.
Doch schon nach 47 Sekunden bringen es die Redakteure der Doku-Reihe des Südwestrundfunks auf den Punkt: Auf einer Plattform wie MySugarDating finden potenzielle Dating-Partner schnell minderjährige Mädchen. Die Redakteurin Rabea Westarp stellt zügig fest, dass sexuelle Geschäfte mit Minderjährigen in Deutschland illegal sind und dass bei einem Verdacht die Staatsanwaltschaft ermittelt. Schon innerhalb weniger Minuten vermittelt die Dokumentation, die auch am Dienstag innerhalb von «Report Mainz» gesendet wurde, dass sich hier Pädophile tummeln. So erzählte ein Markus gegenüber dem Fake-Profil einer Reporterin, dass er mehrere Treffen mit einer 14-Jährigen gehabt hätte. Das habe sie allerdings erst später gestanden, teilte dieser Kunde mit. Die Frage steht im Raum, ob ein Mann keine 14-Jährige von einer volljährigen Person unterscheiden könne.
Die Zuschauer bekommen auch die Geschichte von Fiona mit, die schon im zarten Alter von 13 Jahren ihrer Mutter offenbarte, gar nicht erst einen wirklichen Job ausüben zu wollen. Lieber möchte sie von einem Mann ausgehalten werden, am besten noch in einem schönen Haus im Ausland. Die Akteurin, die sich immer noch auf der Plattform herumtreibt, macht zumindest inzwischen eine Ausbildung zur Hotelfachfrau in Berlin. Sie sagt den Redakteuren der Sendung, zu der neben Westarp auch Cem Bozdoğan gehört, dass sie bereits seit zwei Jahren mit älteren Männern Dates vereinbart. Fiona hätte demzufolge nie über diese Plattform vermittelt werden dürfen – wurde sie auch nicht. Das Zauberwort heißt Tinder.
Doch schon mit 13 oder 14 Jahren, Fiona ist sich im Interview nicht sicher, meldete sie sich das erste Mal bei einer solchen Plattform wie MySugarDating an. „Ich hatte immer schon Daddy Issues“, lacht Fiona im Gespräch mit der Reporterin, obwohl das Thema eigentlich gar nicht witzig ist. Dahinter stecken meist tiefgründige psychische Probleme. Eine Sugar-Daddy-Beziehung, so wird aus dem Off erklärt, muss keine sexuellen Handlungen beinhalten. Vielmehr ging es der jungen Frau auch um das Zwischenmenschliche. Ein küchenpsychologischer Ansatz könnte hier sein, dass es wohl – wie der Name schon sagt – Probleme zu ihrem leiblichen Vater gab. Doch dieses tiefgründige Gespräch bleibt uns «Vollbild» schuldig.
Julia von Weiler, Vorstand im Verein „Innocence in Danger“, bringt es auf den Punkt: Durch dieses Altersgefälle entstehen Macht und Gefälligkeiten. Nach der kurzen psychologischen Einordnung gehen Westarp und Bozdoğan auf die Suche nach den männlichen Kunden. Wie in guter alter Privatfernsehen-Manier ertappen sie beispielsweise einen ehemaligen Bundestagsabgeordneten, der der Reporterin – auch nach Offenlegung der Tatsachen – zahlreiche Informationen gibt und auch das besondere an diesen Treffen schildert. Die «Vollbild»-Dokumentation versucht zunächst das gesagte etwas zu skandalisieren, da wohl der Ausgang des Experiments wohl in die falsche Richtung lief. Man hat eher das Gefühl, man wünschte sich das Bild, dass der Mann ausrastet und wegrennt.
Das Hauptproblem der Dokumentation «Undercover unter Sugardaddys: Wer kauf Minderjährige?» ist das Fehlen eines konstruktiven Journalismus. Es gibt so viele Details, die nicht vollständig herausgearbeitet wurden. Beispielsweise müsste man hinterfragen, warum so viele junge Frauen in finanzielle Probleme geraten, dass sie nur mit Hilfe von Dating mit gut situierten Männern aus dieser Misere herauskommen. Exemplarisch wird eine Manila vorgestellt, die auf ihre Eltern nicht gut zu sprechen ist. Der Kontakt wird abgebrochen, doch die junge Frau bittet weiter um 100 Euro als Zuwendung. Junge Frauen in finanziellen Problemen sind keine Einzelfälle mehr. Ein zweiter Punkt ist natürlich auch die Plattform wie MySuperDating, die offensichtlich schwerwiegende Sicherheitslücken hat. Obwohl die «Vollbild»-Redaktion im Internet keine Laufzeitbeschränkung hat, hätte man den Veranstalter befragen können. Der sitzt sogar in Dortmund, weshalb das Unterfangen für eine Stellungnahme recht einfach wäre.
Zum Ende macht «Vollbild» klar, dass es auf solchen Sugar-Daddy-Plattformen zur Prostitution und Missbrauch von Jugendlichen kommt. Damit haben die Autoren recht, allerdings fehlt auch hier schon dieser der helfende Ansatz: Pädophilie ist eine psychische Störung und somit eine Krankheit. Während Pädophilie das überwiegende sexuelle Interesse an Kindern vor Erreichen der Pubertät bedeutet, gibt es noch einen zweiten Begriff: Hebephilie. Das klassifiziert die Störung, dass man auf Jungen oder Mädchen während oder nach der Pubertät – aber noch vor dem Erreichen der Volljährigkeit – steht.
Für diese Menschen, die sowohl an Pädo- oder Hebephilie leiden, muss man ebenfalls ein Selbsthilfe- oder Ärztenest spannen, psychologische Betreuungen auch in Kleinstädten einrichten. Und ein Betroffener darf auch keine Angst haben, diese Krankheit seinem Landarzt mitzuteilen. Man muss diesen Menschen schließlich keinen Arbeitsplatz als Kindergärtner empfehlen, aber man sollte ihnen zumindest Hilfe anbieten mit ihrer psychischen Störung. Denn: Die meisten psychisch Erkrankten haben schlichtweg auch Angst Kindern zu schaden. Das tut «Vollbild» leider nicht, sondern kratzt wie viele andere Dokumentationen zu diesem Thema nur ein wenig an der Oberfläche.