Gerd Gottlob: Vorbereitung fand ‚seit der Auslosung der WM-Gruppen‘ statt

Der Sportchef des Norddeutschen Rundfunks, Gerd Gottlob, warnt vor deutscher Überheblichkeit. Im Interview kündigte Gottlob auch ein neues Studio an.

Hallo, Herr Gottlob. Die Testspiele der Frauen laufen im Ersten recht gut, bestärken solche Zuschauerzahlen für die kommende Weltmeisterschaft in Neuseeland und Australien?
Die Zahlen zeigen das zunehmende Interesse am Frauen-Fußball, bestimmt spiegeln sie auch die Vorfreude auf das Turnier und die deutsche Mannschaft, die im vergangenen Jahr so viele Menschen begeistert hat. Wir werden unseren Teil dazu beitragen, indem wir ein umfangreiches, attraktives multimediales Programmangebot liefern. Wir werden trotz der für uns weniger günstigen Anstoßzeiten versuchen, so viele Menschen wie möglich mit den Live-Sendungen im Ersten, dem Audioangebot und natürlich Online zu erreichen. Denn das Besondere ist, dass wir in der ARD allen Fans die Möglichkeit bieten, das Turnier zu verfolgen: Sie können alle Spiele live sehen, in der ARD Mediathek zeitversetzt gucken oder die kürzeren Zusammenfassungen, die wir zu allen Spielen bieten, nutzen.

Schon die Europameisterschaft der Frauen war im vergangenen Jahr ein riesiger Hit. Hoffen Sie auf hohe Marktanteile am Vormittag?
Grundsätzlich freut es uns, dass wir diese Weltmeisterschaft übertragen. Das entspricht dem Stellenwert, den der Fußball der Frauen mittlerweile in der Gesellschaft hat. Wir haben viel Energie investiert, um ein attraktives, hochwertiges und sehr umfangreiches Programm über alle Ausspielwege auf die Beine zu stellen, das man insgesamt betrachten sollte. Natürlich hoffen wir, dass auch am Vormittag viele Zuschauerinnen und Zuschauer einschalten werden.

Das zweite Gruppenspiel läuft an einem Sonntag um 11.30 Uhr. Da könnten doch vermutlich über zehn Millionen Menschen erreicht werden?
Die Reichweiten sind schwer zu prognostizieren. Klar ist nur: Je weiter die deutsche Mannschaft kommt, desto höher werden die Zahlen im TV und natürlich die Abrufe bei sportschau.de und in der ARD Mediathek sein.

Die neunte FIFA WM der Frauen hat inzwischen 32 Teams. Mit Nationen wie Philippinen und Panama wird das Turnier doch nicht attraktiver?
Wir sollten nicht überheblich sein. Mannschaften wie Sambia und Vietnam haben in den Testspielen gezeigt, wie sehr sie einen Favoriten wie Deutschland in Schwierigkeiten bringen können. Die Nationen haben sich qualifiziert und werden alles reinwerfen, was ihnen zur Verfügung steht. Es kann sein, dass teilweise wieder hohe Ergebnisse zustande kommen, aber die Spiele werden in mehr Ländern übertragen, und das ist für den Fußball der Frauen sicher positiv.

Zu den Favoriten gehören die USA, Schweden, Frankreich, England und natürlich Deutschland. Werden wir den dritten WM-Titel holen können?
Alles ist möglich.

Im vergangenen Jahr sendeten Claus Lufen und Nia Künzer aus einem sehr beengten Studio aus Hamburg. Wird die Studiofläche in diesem Jahr etwas größer ausfallen?
Ja! Durch die Sendezeiten am Morgen und Vormittag können wir in diesem Sommer ein deutlich größeres Studio im NDR nutzen und damit optisch und technisch den Anforderungen der WM absolut gerecht werden.

Die Audiodeskription ist bei den Fernsehzuschauern äußerst beliebt, hebt Sie das von den privaten Fernsehstationen ab?
Wir betrachten es seit vielen Jahren als unsere Aufgabe, bei wesentlichen Sportevents das Programm zusätzlich für Sehbehinderte anzubieten und tun das auch dieses Mal mit großer Freude. Eine Live-Untertitelung für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen gibt es übrigens ebenfalls, und das bereits seit langem.

Zuletzt haben ARD und ZDF mit der FIFA um die Kosten der Übertragung gerungen. Verhältnismäßig sind die Übertragungskosten aber sehr überschaubar. Warum haben Sie so lange gezögert? Bei der Männer-WM agieren Sie nicht so taktisch.
Im Rahmen einer späten Ausschreibung durch die FIFA - erstmals nur für die Frauen-WM - hatten ARD und ZDF ja das beste Angebot abgegeben, zunächst aber doch nicht den Zuschlag erhalten. Die Gründe für die Verzögerung lagen nicht bei ARD und ZDF.

Notfalls wäre die Weltmeisterschaft bei FIFA+ gelandet. Haben solche Events ohne große Fernsehsender überhaupt genügend Zuschauerzahlen?
Die Frage ist sehr spekulativ. Meiner Ansicht nach ist es aber für die Sportart wichtig, dass in Deutschland reichweitenstarke, etablierte Sender die Plattformen für eine Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen bieten. Fakt ist, dass ARD und ZDF gemeinsam ein umfassendes und anspruchsvolles Programm umsetzen und dabei mit TV, den vielseitigen digitalen Angeboten und dem ARD-Hörfunk sehr viele verschiedene Möglichkeiten der Verbreitung haben. Wir können selbstbewusst auftreten und auch Stolz auf unser Angebot sein.

Es waren schon die ersten Programmpläne für Ende Juli veröffentlicht – allerdings ohne Weltmeisterschaft der Frauen. Wie lange haben Sie schon an der Übertragung gearbeitet? Es wurden doch sicherlich hinter vorgehaltener Hand mitgeteilt, dass zahlreiche Kollegen nicht in den Urlaub fahren sollten.
Seit der Auslosung der WM-Gruppen und der Wahl des Quartiers der deutschen Mannschaft hat sich ein sehr kleines Team intensiv um das mögliche Programm und die Produktion und Technik gekümmert. Wir waren deshalb sehr gut vorbereitet und konnten schnell in die Umsetzung gehen.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Das Erste überträgt am Donnerstag, den 20. Juli 2023, in ab 08.03 Uhr die Eröffnungsfeier.
18.07.2023 11:58 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/143668