Bibiana Beglau: «Freiheit» handelt von ‚Follower und die Frage der Führung‘
Die Schauspielerin erzählt, was die bildundtonfabrik-Produktion «Freiheit ist das Einzigste, was zählt» so besonders macht.
Hallo Frau Beglau. In «Freiheit» verkörpern Sie die Anführerin einer neuen Reichsgründung in dieser Gegenwart. Worauf können wir uns in der sechsteiligen ZDF-Serie freuen?
Auf eine wilde Groteske in bundesrepublikanischer Tradition al la Schligensief, Alexander Kluge und Helge Schneider. Wer noch weiß was Agitprop-Theater bedeutet, hat seinen Spaß und alle die es nicht wissen, umso mehr.
Inwieweit folgt die Geschichte den wahren Reichsbürgern, die durch mehrere Razzien durchsucht und zum Teil festgenommen wurden?
Der wahren Begebenheit folgen wie nur lose. Wir, also die Gruppe der Täter, stellen vielmehr ununterbrochen hahnebüchene Überlegungen an, was so eine Veränderung bedeutet und was es alles zu beachten gibt, wenn man einen Umsturz plant, der nur einer solch kleinen Gruppe zu Gute kommen soll. Es geht vor allem um Hysterie, aber eben auch um Zweifel: Oder wie meine Figur Hans, übrigens ein Deckname, gleich zu Anfang fragt: "Ich weiß nicht, ob ich das schaffe: ein guter Anführer zu sein."
Haben Sie diese Berichterstattung ebenfalls verfolgt und waren verwundert, was da für Menschen mit Ihren Ideologien leben?
Verwunderung ist das richtige Wort. Ich habe mich gefragt, wie groß muss die Langeweile und eine innere Leere sein, um eine solche Ablehnung und diesen Hass hervorzubringen. Das Potenzial für so eine wahnwitzige Unternehmung könnte ja auch eingesetzt werden, eine Gesellschaft in ihrem Zusammenhalt zu verbessern. Aber das ist solchen Ideologien vielleicht zu anstrengend?
Schaut man sich zur Vorbereitung auf die Rolle dann zahlreiche Internetvideos von Spiegel TV & Co. an? Oder wie haben Sie sich eingearbeitet?
Ja klar, ich habe Zeitungsartikel gelesen und mir auch Bilder der Personen angesehen. Dem Leben zugewandt sehen die Gesichter meist nicht aus und die Sätze, die da formuliert werden, habe ich wirklich für Satire gehalten, aber sie sind ernst gemeint. Unsere ganze Serie ist deshalb ja auch voll von diesem Irrsinn.
Interessanterweise hauen alle rechten Gruppierungen immer einen nationalsozialistischen Jargon heraus. Bei «Freiheit» haben Sie auch diese Sprechweise verwendet?
Das war ganz wichtig. Fast wie ein negativer Befreiungsschlag. Wenn solche Art Sätze laut rausgeschrien werden, kann man sofort erkennen wie menschenverachtend die Haltung dahinter ist und wie ignorant die Gedankengänge sein müssen, die da in den Köpfen und Herzen larmoyant und narzistisch ihr Unwesen treiben.
In der Beschreibung der neuen Serie heißt es: Wie bekommen Sie neue Follower? Sie sind also up to date?
Darum geht es. Um Follower und die Frage der Führung. Der Wunsch nach einem, der weiß wie es geht. Ein Führer, durch den alle gerettet werden können. Diese verblendete Idee einer Rettung und beinahe "Erlösung". Wahn, Euphorie und Depression liegen da nahe beieinander.
Hinter dem Projekt steht die bildundtonfabrik, die vor allem durch das «Neo Magazin Royale» bekannt wurde. Ich gehe davon aus, dass wir eine Satire zu sehen bekommen?
Ich würde es eben eher eine Groteske nennen. Die btf ist da so wunderbar frech und angstfrei, sie stürzen sich mit großer Freude und künstlerischem Verständnis in Zusammenarbeiten wie mit Jan Bonny. Die Netflix-Serie «King of Stonks» war ja die erste Produktion der btf mit Jan Bonny und Jan Eichberg. Und wir trauen uns hier an ein sehr besonderes künstlerisches Format: Was wir bei «Freiheit ist das Einzige, was zählt» gemacht haben sind szenische Miniaturen und befinden sich in einer filmischen Tradition a la Christoph Schlingensief, Alexander Kluge und Helge Schneider.
Stichwort «King of Stonks»: Wie hat Ihnen die Serie gefallen?
Großartig fand ich das Ergebnis, die Schauspieler ein Hit. Ich dachte eben auch hier, genau diese Hysterie, diese absolute Selbstüberschätzung und der Narzissmus, ist das, was so eine Cryptowährungs-Gesellschaft ausmacht. Es gibt eben nur noch ein Gesetz, einen Gott und der heißt ICH.
«Freiheit» wurde zum Teil in einem Schloss gedreht. War das in der Nähe Ihrer Heimat Braunschweig?
Dieses Schloß, oder Anwesen steht in der Nähe von Köln und hat eine wirklich sehr eigene Geschichte. Der Trophäensaal sieht tatsächlich genauso aus, wie er in der Serie vorkommt. Aber das wäre eine zu lange Geschichte sie hier zu erzählen. Auf jeden Fall ist das ganze sehr deutsch und auch ziemlich von sich berauscht.
Ab den 90er Jahren waren Sie in vielen Städten als Theaterschauspielerin engagiert. Findet man in dieser Zeit Freunde oder sind das nur kurze Stationen?
Es finden sich auch Freundschaften bei der ganzen Reiserei, aber nur ganz, ganz selten und dann sind das auch nicht nur zwangläufig Menschen vom Theater. Manchmal treffe ich Kollegen wieder, mit denen ich schon vor Jahren in anderen Städten gearbeitet habe. Das ist dann oft immer noch erstaunlich vertraut und kann sehr schön sein. Aber eigentlich besteht der Beruf aus kurzen Intervallen von künstlerischen Arbeitsfamilien. So eine Art Wanderzirkus mit wechselnder Besetzung.
«Freiheit ist das Einzigste, was zählt» ist ab Donnerstag, den 27. Juli, in der ZDFmediathek verfügbar. Alle Folgen laufen in der Nacht zum Freitag, den 4. August, um 00.30 Uhr.