«John McAfee»: Netflix ist der Grabbeltisch für Dokus
Mit einer Geschichte über den verrückten John McAfee hat sich das Unternehmen ein weiteres Mal keinen Gefallen getan.
Charlie Russell hat schon zahlreiche Dokumentationen zusammengefügt. Zuletzt drehte er einen Film über die britische Schauspielerin Caroline Flack, davor beschäftigte er sich mit dem britischen Korrespondenten Frank Gardner. Für Netflix durfte er die Fragmente zahlreicher Reisen mit einem Video-Reporter Rocco Castoro und seinem Kameramann Robert King zusammen setzen. Bevor die Arbeit mit John McAfee startete, war King viele Jahrzehnte Kriegsreporter. Er hat schon viel gesehen, doch die Welt des Viren-Pionier sei etwas besonders.
Russel dreht einen fast zweistündigen Dokumentarfilm «Auf Teufel komm raus: Die wilde Welt des John McAfee», in der die merkwürdige und exzentrische Figur des McAfee im Mittelpunkt steht. Die Zuschauer können eindrucksvoll sehen, wie ein paranoider Mann Alkohol und Drogen konsumiert und zudem noch über 15 Waffen auf seinem Boot platziert. Er habe panische Angst, da mehrere Gangs hinter ihm her seien. Immer wieder spricht McAfee davon, dass er zahlreiche geheime Informationen vorliegen habe, die selbst das Pentagon aufschrecken konnte.
Im Mittelpunkt dieser mehrstündigen Dokumentation steht der Fall, dass McAfee wohl seinen Nachbarn auf Belize getötet haben sollen. Wer sich nur ein bisschen von McAfee auskennt, der weiß, dass sein Leben im vergangenen Jahr ein tragisches Ende nahm. Der Mordfall bleibt also unaufgeklärt, zeigt aber die bizarre Welt. Der Tote trug auf seiner Schulter immer einen Papagei herum, während McAfee bis zu zehn Hunde in seinem Anwesen hatte. Getoppt wird das noch durch die Einführung der viel zu jungen Freundin, mit der er ein neues Leben beginnen möchte. Das Paar flüchtet nach Guatemala.
Obwohl hier wohl langjährige freiberufliche Medienschaffende agieren, gibt es immer wieder merkwürdige Szenen. So steht Robert King während eines Interviews einfach auf und holt sich einen neuen Kaffee, von Seriosität keine Spur. In der zweiten Hälfte der Dokumentation wird der Ghostwriter Alex Cody Foster eingeführt, der mit „verblüffenden“ Aufnahmen die Zuschauer schockt. Er habe wohl auf Band, dass McAfee seinen Vater umbrachte. Doch ob das alles stimmte – oder einfach nur für diese Netflix-Dokumentation aus dem Zusammenhang gerissen wurde – ist unklar. Regisseur Charles Russel drehte nicht gerade eine Dokumentation, die wirklich aufklären möchte. Stattdessen werden zahlreiche Aufnahmen aus dem Jahr 2012 und später aus dem Jahr 2019 verwendet, die den schon damals sehr durchgeknallten McAfee begleitet haben.
Erweitert wurde dies mit einigen wenigen Interviews mit Protagonisten, die man zufällig eingefangen habe. Doch so wirklich glaubt man dieser dokumentarischen Aufarbeitung nicht wirklich. «Auf Teufel komm raus: Die wilde Welt des John McAfee» sieht wie eine schnelle Produktion nach dem Tod des Titelgebers aus. Jetzt könne man ja alles verwenden und ausstrahlen, immerhin könne sich McAfee nicht mehr wehren.
Mit den letzten Minuten driftet die Dokumentation ins Feld der Verschwörungen ab. Die Macher der Dokumentationen geben sich nicht einmal die Mühe, die Verschwörungstheorien zu entlarven. Obwohl John McAfee in Spanien in einer Zelle saß und in die Vereinigten Staaten von Amerika abgeschoben wurde, habe er Suizid begangen. Als die 75-Jährige starb, wurden zahlreiche Verschwörungstheorien verbreitet. In der letzten Szene behauptet seine Freundin, die man erst nach seinem Tod interviewte, dass er sie anrief und bat, mit ihm durchzubrennen.
«Auf Teufel komm raus: Die wilde Welt des John McAfee» ist schlecht verfasst. Beispielsweise verzichten die Macher auf genaue Zeitangaben, wie lange McAfee und sein Team untergeraucht sind. Auch seine früheren Kokain-Probleme, die er bis 1983 hatte, werden nur in einem Satz thematisiert. Selbst wichtige Informationen, dass er auf einem Parteitag zur Nominierung der Präsidentschaftskandidatur nur den letzten Platz belegte, ließ man weg. Stattdessen wurde das Thema zwar angeschnitten, aber sehr wohlwollend über McAfee geschrieben.
Die Dokumentation dürfte sich so nicht schimpfen. Das wirkt eher wie eine Reportage auf niederem Niveau. Man habe doch schon vorher in den Medien erfahren, dass McAfee leicht verrückt ist. Dafür braucht man keine fast zwei stündige Sendung, die selbst bei Netflix wie eine DVD vom Grabbeltisch wirkt.