In den vergangenen einhundert Jahren wurden die griechischen Tragödien immer wieder aufgegriffen. Ob im Theater oder im Film, die Werke bekamen Neuauflagen.
Interessant ist generell, dass die antiken griechischen Tragödien, vor allem die von Sophokles und Euripides, im Laufe der Zeit einen gewissen Einfluss auf andere, auch außergriechische Autoren ausübten. Humanistische Gelehrte in aller Welt schätzten die Werke der großen griechischen Tragiker. Entsprechende Äußerungen und Urteile gab es zum Beispiel sogar von Joachim Camerarius und Philipp Melanchthon, die sich jeweils auf frühere Meinungen wie von Cicero oder Quintilian (100/50 v. Chr.) stützten.
Um 1500 erschienen die ersten Ausgaben griechischer Tragödien (Sophokles und die Gesamtausgabe des Euripides bei Manutius, einem bekannten Drucker und Verleger in Venedig. Diese Gesamtausgabe blieb bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Standardausgabe. Im Bereich der Bücher und Theateraufführungen erschien z.B. 1979 bei Artemis eine Gesamtausgabe der griechischen Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides. Es handelt sich um 10 Bände mit insgesamt 2798 Seiten (deutsch). Herausgeber und Übersetzer ist der bekannte Archäologe und Griechenlandkenner Ernst Buschor. 1944 wurde das Drama "Antigone" von Jean Anouilh in Paris uraufgeführt, das Taschenbuch dazu erschien 1946 unter dem gleichen Titel. Es umfasst 88 Seiten.
Für Buch und Theater blieben Figuren, Handlung und Szenenfolge gegenüber dem Original von Sophokles weitgehend unverändert. Auch der Schauplatz, Theben, Königspalast, ist derselbe geblieben. Zeitlich wurde das Ganze jedoch ins 20. So wurde die Figur des Königs von Theben, Kreon, als Vertreter des damaligen französischen Regimes dargestellt. Antigone, die Verlobte von Kreons Sohn Haimon, mimte eine resolute Widerstandskämpferin.
Im Jahr 2007 fanden am Deutschen Theater Berlin interessante Aufführungen von Aischylos' "Medea", "Die Perser" und "Orestie" statt. Regie führte Michael Thalheimer. 2017 erschien im Reclam Verlag "Die Perser", ein Taschenbuch des Übersetzers Kurt Steinmann (Schweizer Altphilologe/Griechisch). Die griechisch-deutsche Ausgabe umfasst 128 Seiten. Der Text hält sich eng an den Originaltext von Aischylos. Das gilt auch für das Buch "Medea", das 2022 im Manesse Verlag erscheinen wird. Auch hier hält sich der Übersetzer Kurt Steinmann eng an den Originaltext des Autors Euripides. Die 224 Seiten des Buches sind ebenfalls griechisch-deutsch.
Antigone - Mythos als literarische Vorlage für andere Autoren
Luigi Alamanni im Jahre 1533, gefolgt von Robert Garnier (1580) und Trapolini (1581) waren moderne Autoren, die Antigone bearbeiteten. Es folgten Jean Rotrou (1638), Jean Racin (1664) und Vittorio Alfieri (1783). Es folgten Pierre-Simon Ballanche (1814), Friedrich Heinrich Bothe (1822), Wilhelm Frohne (1852) und Eugen Reichel (1877). Houston Stewart Chamberlain (1915), Walter Hasenclever (1917), Jean Cocteau (1922), Jean Anuilh (1942) kamen hinzu. Elisabeth Langgässer (1947) folgte, Bertold Brecht (1948), Felix Lützkendorf (1957) und Rolf Hochhuth (1963). Außerdem gibt es rund 25 Antigone-Opern, die zwischen 1700 und 2010 den Hauch der griechischen Tragödie auf viele Bühnen brachten.
Verfilmung - Krönung für interessante, spannende Texte
Es ist schon oft vorgekommen, dass Texte aus Büchern oder Theateraufführungen, die beim Publikum auf großes Interesse stießen, irgendwann verfilmt wurden. So ist es nicht verwunderlich, dass die griechischen Tragödien, vor allem der bekannten Autoren Aischylos, Euripides und Sophokles, für Filmregisseure interessant wurden. Dazu gehören "Die Perser", "Medea" und "Antigone".
Nach dem Buch von Mattias Braun entstand 1966 für das Fernsehen der DDR die Verfilmung der Aischylos-Tragödie «Die Perser». In der 84-minütigen Literaturverfilmung geht es um die Folgen der vernichtenden Niederlage der Perser gegen Athen. Hauptdarsteller sind Erika Pelikowsky (Atossa), A.P. Hoffmann (Darius) und Eberhard Esche (Xerxes). Regie führte Helmut Schiemann. Eine Theateraufführung des gleichen Stückes (Mattias Braun) fand 1993 in den Münchner Kammerspielen, Schauspielhaus statt. Außerdem wurde «Die Perser» 2008 am Staatstheater Braunschweig und 2018 am Schauspiel Frankfurt aufgeführt.
Zu einem echten Klassiker hat sich im Laufe der Zeit «Antigone» von Sophokles entwickelt. Neben Büchern und diversen Theateraufführungen, wie z.B. 2019 am Deutschen Theater Berlin oder 2023 am Residenztheater München. Diese Inszenierung folgt dem Theaterstück von Slavo Zizek «Die drei Leben der Antigone».
Der Film «Antigone» (Länge: 93 Minuten) wurde 1961 von dem griechischen Dramatiker und Filmregisseur Giorgos Tzavellas gedreht. Der Film orientiert sich stark an der Originalfassung der Tragödie von Sophokles. Die Handlung beginnt mit der Thronbesteigung Kreons als König von Theben. Die Söhne des Ödipus, Eteokles und Polyneikes, sind zuvor gestorben. Da Kreon nur Eteokles, nicht aber Polyneikes bestatten lässt, widersetzt sich Antigone Kreon und bestattet ihren Bruder Polyneikes (Sandbestattung). Obwohl Antigone mit Kreons Sohn verlobt ist, lässt Kreon sie lebendig begraben. Als Kreon Antigone befreien will, hat sie sich bereits erhängt. Auch ihr Verlobter Haimon begeht Selbstmord und Kreon verzichtet auf den Thron. Irene Papas, die die Rolle der Antigone spielt, erhielt 1961 den Preis für die beste Schauspielerin auf dem Internationalen Filmfestival von Thessaloniki.
Ein weiterer Antigone-Film entstand 2019 in Kanada unter der Regie von Sophie Deraspe. Die Geschichte der antiken Antigone wird auf eine moderne Flüchtlingsfamilie in Montreal übertragen. Auch hier gibt es eine Schwester Ismene (als Friseurin) und zwei Brüder von Antigone. Der 109-minütige Film greift den Grundgedanken der Tragödie von Sophokles auf, aber hier im Bereich von Jugendkriminalität und Politik. Der Film Antigone mit der Hauptdarstellerin Nahema Ricci
hatte 2019 Premiere und wurde bei den 8. Canadian Screen Awards 2020 als bester Film ausgezeichnet.
Interessant sind auch zwei Filme über «Medea» von Euripides. Der italienische Regisseur Pier Paolo Pasolini drehte den Film «Medea» frei nach der literarischen Vorlage von Euripides im Jahr 1969. Das Besondere an dieser Verfilmung ist, dass Pasolini die berühmte Sängerin Maria Callas für die Hauptrolle der Medea gewinnen konnte. Inhaltlich geht es um den gemeinsamen Raub des Goldenen Vlieses durch Jason und Medea. Die kulturellen Gegensätze zwischen der mythisch-religiösen Welt der Kolcher und der Griechen treten deutlich in den Vordergrund. Die mythisch aufgeladene Priesterin Medea und der pragmatische Jason gehen trotz zweier gemeinsamer Kinder schnell in ihren Ansichten auseinander. Spätestens als Jason Kreusa, die Tochter des Königs von Korinth, heiraten will, zerbricht alles. Medea tötet Kreusa und anschließend ihre eigenen Kinder - die Tragödie nimmt ihren Lauf! Die Weltpremiere des Films fand Ende 1969 in Mailand statt. In Deutschland kam der Film 1972 ins Fernsehen und 1979 in die Kinos. Trotz des großen, auch finanziellen Aufwands war der Film trotz überwiegend positiver Kritiken ein wirtschaftlicher Misserfolg. Es gibt doch einige Abweichungen von der Originalfassung von Euripides, was sich letztlich als negativ herausgestellt haben mag.
1988 erschien in Dänemark der Film «Medea» von Lars Trier (Drehbuch und Regie). Trier übernahm das Drehbuch von Carl Theodor Dreyer und änderte es nur geringfügig. Er stellt Medea trotz ihrer mörderischen Taten als leidende Frau dar. Die Rolle der Medea wird von Kirsten Olesen gespielt. In den Filmen von Pasolini und Trier gibt es einige Unterschiede. Zum Beispiel spielen bei Pasolini die Kentauren eine Rolle und die Tochter des Königs Kreon von Korinth heißt Kreusa. In Triers Film heißt diese Königstochter Glauke, was allerdings auch ein geläufiger Name für diese Person ist.
Bett der Gewalt - griechische Tragödie einmal anders verfilmt
Mit dem italienischen Spielfilm «Bett der Gewalt» (Originaltitel: «Edipo re») wagte der Regisseur Pasolini einen Schritt, der viele erstaunte. Schließlich lässt der Titel überhaupt keinen Zusammenhang mit der griechischen Tragödie "König Ödipus" von Sophokles vermuten. Tatsächlich weist der Film viele Besonderheiten auf, die die Kritiker zu heftigen Diskussionen anregen. Pasolini drehte in der Dritten Welt, in Marokko. Die Musik ist auffallend von afrikanischen Rhythmen geprägt. Eine weitere Besonderheit ist, dass zwei ödipale Figuren im Mittelpunkt der Handlung stehen. Es beginnt mit zwei kleinen Jungen, von denen einer in den 1920er Jahren von seiner Mutter auf einer Wiese gestillt wird. Ein anderer Junge wird im antiken Griechenland ausgesetzt und von einem Hirten gefunden. Im Italien des 20. Jahrhunderts wandelt sich die Mutterliebe in nachlassende Aufmerksamkeit und die Vaterliebe in Neid und Hass. Im antiken Griechenland wächst das Findelkind unterdessen bei König Ödipus als dessen Sohn Ödipus auf. Irgendwann erhält er die Prophezeiung, er werde seinen Vater töten und mit seiner Mutter schlafen. Ödipus kehrt nicht zu seinen vermeintlichen Eltern zurück. Auf dem Weg nach Theben tötet er unwissentlich den König Laios. In Theben befreit er die Bewohner von einer bösen Sphinx, woraufhin ihn die Königin Iokaste heiratet.
Vom Seher Teiresias und von Iokaste erfährt er nach und nach die schreckliche Wahrheit über sein Leben. Zum Beispiel, dass seine Frau Iokaste auch seine Mutter ist. Iokaste nimmt sich daraufhin das Leben und Ödipus sticht sich beide Augen aus und geht blind vom Königspalast weg. Später, in den 1960er Jahren, sitzt in Italien ein blinder Ödipus vor der Kathedrale von Bologna und unterhält die Passanten mit seinem Flötenspiel. Ein junger Begleiter führt ihn durch das Arbeiterviertel zu der Wiese, auf der alles begann. Ödipus findet seinen Frieden.