«Das Mädchen und die Nacht»-Kritik: Zwischen Thriller und Telenovela

Guillaume Mussos Verfilmung des Bestsellers «Die Junge Frau und die Nacht» ist ab sofort in der ZDF Mediathek abrufbar.

Ein vertuschter Mord, das Verschwinden einer schönen Frau und ein mysteriöser Rächer. Eigentlich bietet Mussos Vorlage ideales Material für eine spannende, kurzweilige Thrillerserie mit viel französischem Charme. Erzählt wird die Geschichte des erfolgreichen Schriftstellers Thomas Degalais (Ioan Gruffudd) der vor 25 Jahren zusammen mit seinem besten Freund Maxime (Grégory Fitoussi) aus Liebe zur Femme Fatale Vinca (Ivanna Sakhno) einen Mord beging und nun erstmalig in seine Heimat Nizza, an den Ort des Verbrechens zurückkehrt, während eine mysteriöse Figur aus dem Hintergrund beginnt, die Geheimnisse der Vergangenheit ans Licht zu bringen.

Wer nun großes französisches Mysterykino erwartet, dürfte die eigenen Erwartungen allerdings rasch herunterschrauben. Relativ schnell fällt die fragwürdige Kameraarbeit auf, eine Menge Close-Up-Shots vermischen sich mit lieblos gefilmten hintergründigen Naturaufnahmen Nizzas, die zu Beginn noch durch Unschärfeeffekte ergänzt werden, um Szenen, die in der Vergangenheit spielen, darzustellen. Schauspielerisch, so macht es den Eindruck, hat nicht nur Hauptdarsteller Gruffudd mit dem teils diffusen Drehbuch zu kämpfen. Prinzipiell hochkarätig und durchaus passend besetzt, finden sich die Schauspieler hier erzählerisch eher in einer spanischen Telenovela als einer klassisch französischen Thrillerproduktion wieder. Die Charaktere sind durch die Bank weg äußerst gefühlskalt geschrieben, wirken in ihren Handlungen obsessiv, bieten dem Zuschauer für ihr teils manisch wirkendes Verhalten aber kaum nachvollziehbare Anhaltspunkte. Hierfür stetig die Erklärung der unerwiderten Liebe heranzuziehen, auch 25 Jahre später, wirkt zudem recht einfallslos.

Auch wenn Mussos Buchvorlage mit über 400 Seiten nicht zu den kürzesten Vertretern des Genres gehört, so wirkt die Serie mit ihren sechs Folgen massiv überfordert. Gerade die ersten Episoden ziehen sich massiv in die Länge und versuchen zum Ende hin stets mit künstlichen Cliffhangern über den fehlenden Inhalt hinwegzutäuschen. Eine Dreiteiler oder gar Fernsehfilm hätte dem Stoff, das pacing betreffend, sicherlich gutgetan.

Lieblos geschriebene, unzugängliche Charaktere, schwache Dialoge und eine bestenfalls mittelmäßige Kameraarbeit, werden hier nur vom Drang der Auflösung am Leben gehalten. Denn trotz aller aufgezählter Schwächen, besteht wie beim Schauen einer Wochentagssoap, je mehr Zeit in diese Geschichte investiert wird, das Verlangen nach einer Auflösung der Geschehnisse. Was ist mit der mysteriösen femme fatale im Winter vor 25 Jahren passiert, wer will Rache an den einstigen Schulfreunden Thomas und Maxime nehmen und schafft es eine übereifrige Polizistin die beiden Mörder zur Rechenschaft zu ziehen?

Die Miniserie «Das Mädchen und die Nacht» steht seit dem 4. August 2023 in der ZDF-Mediathek zum Abruf bereit. Die lineare Ausstrahlung erfolgt im ZDF ab dem 13. August immer sonntags ab 22:15 in Doppelfolgen.
06.08.2023 10:20 Uhr  •  Marc Schneider Kurz-URL: qmde.de/144201