Die Kritiker: «Tatort - Vergebung»

Ein ungewöhnlicher Fall führt die Stuttgarter Kommissare diese Woche in ein entlegenes Dorf.

Stab

Darsteller: Richy Müller, Felix Klare, Jürgen Hartmann, Paul Fassnacht, Volker Muthmann, Jakob Rottmaier
Kamera: Stefan Sommer
Drehbuch: Katharina Adler und Rudi Gaul
Regie: Rudi Gaul
Ein Mord, bei dem man zweimal hinsehen muss, um ihn überhaupt als solchen erkennen zu können: Denn als die Leiche von Matthias Döbele im Neckar treibt, gibt es zunächst keine akuten Anzeichen für eine Fremdeinwirkung: Zudem war der Mann schwer krank gewesen. Doch Stück für Stück entführt die neue «Tatort»-Folge aus Stuttgart die Zuschauer in die düsteren Abgründe eines Mordfalls, der die sorgfältige Handschrift von Drehbuchautorin Katharina Adler und Regisseur und Autor Rudi Gaul trägt.

Der Titel spielt indessen schon darauf an, welches Motiv in diesem Film die zentrale Rolle einnimmt: eine Vergebung. Aber wer soll wem vergeben und wofür? Das bleibt zugegebenermaßen lange Zeit etwas nebulös, denn die erste Spur, der Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) nachgehen, stammt aus ihren eigenen Reihen: nämlich von Gerichtsmediziner Daniel Vogt (Jürgen Hartmann), der den Ermittlern hartnäckig verschweigt, dass er den Toten gekannt hat – und noch mehr: dass der Tote wenige Tage vor seinem Ableben versucht hat, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Hat Daniel Vogt etwas zu verheimlichen – und wen will er schützen, wenn er ein altes Geheimnis aus Kindertagen vor seinen Kollegen im Verborgenen lässt?

Nicht nur die Kommissare, sondern auch die Zuschauer tauchen nun tief in das Leben des verstorbenen Matthias Döbele ein: Familie, Freunde, sein Handwerksbetrieb, alte Weggefährten werden vorgestellt, und Stück für Stück lotet das ruhige Drehbuch die einzelnen Facetten seiner Biographie aus, bis sich nach und nach ein zunehmend erschütterndes Bild ergibt, wobei die Spannung mit jeder Enthüllung konsequent ansteigt. Die Komplexität des Falls wird dabei durch die undurchsichtige Rolle von Gerichtsmediziner Daniel Vogt konsequent verstärkt. Dass das Drehbuch dabei eine Vielzahl an Perspektiven aufmacht, bleibt indes unproblematisch, da dem Zuschauer jeder Blickwinkel mit großem Einfühlungsvermögen für die Charaktere vorgestellt und entsprechend plausibel gemacht wird.

Die düstere Atmosphäre des Films wird durch die geschickte Inszenierung von Rudi Gaul noch zusätzlich unterstrichen. Die Szenen in dem abgelegenen Dorf, das Matthias Döbele seine Heimat nannte, sind atmosphärisch dicht und tragen einen gehörigen Teil zur beklemmenden Stimmung von «Tatort – Vergebung» bei. Die Kameraarbeit und der Schnitt heben die emotionale Intensität des Films zusätzlich hervor, während die musikalische Untermalung geschickt dosiert wird, um die Spannung konsequent zu steigern. Ein Höhepunkt des Films ist zweifellos die besondere psychologische Tiefe mit subtil und zugleich kraftvoll inszenierten Motiven und Gefühlslagen. Damit ist die emotionale Komponente hier deutlich umfassender ausgeprägt als in den meisten anderen Krimis am Sonntagabend, was zweifellos für ein spannendes Seherlebnis sorgt.

Der Film «Tatort – Vergebung» wird am Sonntag, den 19. November um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.
18.11.2023 11:20 Uhr  •  Oliver Alexander Kurz-URL: qmde.de/146697