Montags blickt Quotenmeter auf aktuelle Quoten-Highlights und Marktanteil-Flops und ordnet diese ein. Diese Woche steht ein dringend notwendiger Reality-TV-Check an, denn es drängt sich die Frage auf: Stellt sich bei diesem Überfluss ein Überdruss ein?
Mit insgesamt über 30 Millionen Aufrufen stand «Squid Game – The Challenge» zuletzt zwei Wochen in Folge an der Spitzen der weltweiten TV-Charts von Netflix. Das Reality-TV-Genre hat inzwischen auch den Streamingmarkt erfolgreich erobert, was sich nicht nur an den Abrufzahlen des Spin-off der südkoreanischen Erfolgsserie ablesen lässt. Im linearen Fernsehen gibt es ohnehin kein Vorbeikommen an Reality-Formaten, die Fülle der Programme ist derzeit dennoch beeindruckend. Allein in diesem Monat waren bislang «Das große Promi-Büßen», «Promi Big Brother», «Bauer sucht Frau» und «Good Luck Guys» als klassische Reality-Formate auf Sendung.
Hinzu kommen das eben erst gestartete «Forsthaus Rampensau Germany» bei Joyn und «Promi Big Brother – Knossi Edition» bei Twitch beziehungsweise Joyn. Auch bei RTL+ werden wöchentlich zahlreiche Reality-Folgen von «Temptation Island VIP», «Are You The One?» oder «Bachelor in Paradise» auf den Markt geschmissen. Joyn (und wohl auch Sat.1) plant zudem eine Normalo-Variante seiner Container-Show, bei RTL+ sind derzeit weitere «Prominent getrennt»- und «Princess Charming»-Staffeln sowie eine Adaption von «Alone – Überlebe in der Wildnis» in der Mache und mit «Love Fool» steht ein gänzlich neues Reality-Format auf der Matte. RTL hat zu Beginn des Jahres selbstverständlich eine neue «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!»-Runde eingeplant. Es drängt sich unweigerlich die Frage auf: Wann stellt sich beim Publikum eine gewisse Reality-Sättigung ein? Diese Frage stellt sich derzeit wohl auch RTL, denn in Köln hat man das Konzept des etablierten «Bachelors» angepasst, sodass künftig gleich zwei Junggesellen die Rosen verteilen dürfen. Von einer Adaption des «Golden Bachelors» sieht man bisher noch ab.
Klar ist: Dieses Übermaß an Reality-Formaten ist nicht neu. Daher überrascht es nicht, dass viele Marken weiter sehr erfolgreich laufen. Der Urvater des Reality-Fernsehens,
«Promi Big Brother», legte mit der 15-teiligen Staffel gegenüber den 20 Episoden im Vorjahr eine Schippe drauf. Gemäß vorläufig gewichteter Daten erhöhte sich die durchschnittliche Gesamt-Reichweite um 100.000 Zuschauer. Das Finale am vergangenen Montag kam sogar auf 200.000 Zuschauer mehr als 2022. Auch in der Zielgruppe war alles andere als Verdruss zu spüren. Im Schnitt waren 11,6 Prozent Marktanteil drin. Im vergangenen Jahr, als die täglichen Folgen bis auf wenige Ausnahmen stets gegen 22:15 Uhr on air gingen, rutschte das Ergebnisse mit 9,9 Prozent in den einstelligen Bereich.
Auch die inzwischen 19.
«Bauer sucht Frau»-Staffel zeigt nur wenige Abnutzungserscheinungen. Mit bisher 3,54 Millionen Zuschauern ab drei Jahren kommen die sechs Folgen auf eine fantastische Reichweite, die sogar mit den Werten von «Wer wird Millionär?» und «Let’s Dance» mithalten kann. Auch aus Quotensicht sind die Verluste zu verschmerzen. Die vergangene Staffel, die im Oktober 2022 begann sicherte 14,7 Prozent, aktuell liegen der Schnitt bei 14,2 Prozent, zuletzt wurden aber ein neuer Bestwert von 16,2 Prozent gemessen. Ebenfalls recht stabil zeigte sich die bis in den November hineinreichende Sat.1-Datingshow
«Hochzeit auf den ersten Blick». Die Reichweite sank um 100.000 Seher im Vergleich zum Vorjahr, der kriselnde Bällchensender musste einen Prozentpunkt abgeben. 8,4 Prozent Marktanteil in der klassischen Zielgruppe sind aber weiterhin ein guter Wert.
«Das Sommerhaus der Stars», das zwischen dem 19. September und 15. November bei RTL lief, zeigte sich ebenfalls sehr stabil und reproduzierte die Werte aus dem Vorjahr.
Doch es ist nicht alles Gold, was mit dem Label Reality versehen ist. Besonders ProSieben hat derzeit arge Probleme mit
«Das große Promi-Büßen» die Werte aus dem Sommer 2022 zu wiederholen. Schalteten damals noch eine Million Menschen ein, lagen die bisherigen vier Ausgaben unter der Millionen-Marke. Keine einzige Folge erreichte den Senderschnitt, sodass der Marktanteil sich auf 6,7 Prozent beläuft. Zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr fuhr man tolle 9,3 Prozent Marktanteil ein. Das von Olivia Jones präsentierte Format ist aber nicht der einzige Schatten am Donnerstagabend, den die roten Sieben sendet. Im Nachgang an die Primetime-Sendung lief zuletzt auch das Joyn-Format
«Calvin am Goldstrand», das mit desaströsen Quoten auf sich aufmerksam machte.
«Good Luck Guys» kommt derzeit ebenfalls nur auf 2,7 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe, was ProSieben aber nicht davon abhält, schon das nächste Joyn-Programm in den Startblock zu stellen. «Forsthaus Rampensau Germany» darf ab 4. Januar sogar um 20:15 Uhr auf Quotenjagd gehen. Ob es nun an der Qualität der Formate oder dem Sendeplatz liegt, an dieser Stelle ist das Reality-Interesse des Publikums an seine Grenzen gekommen.
Es ist durchaus möglich, dass RTL auch deshalb mit einer Verlängerung des Neustarts
«Die Verräter» noch vorsichtig ist. Zwar waren die Zahlen der britischen Sendung nicht schlecht, aber „mehr wäre natürlich besser gewesen“, wie RTL-Programmgeschäftsführerin Inga Leschek zuletzt zugeben musste. 9,4 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen sind verhältnismäßig schwach. Abseits des Streamingdienstes zeigt sich das Kölner Unternehmen mit Neustarts ohnehin zurückhaltend, man vertraut lieber auf etablierte Marken. Diese Strategie ging Anfang des Jahres mit Dieter Bohlens Rückkehr zu «Deutschland sucht den Superstar» auf und soll auch mit «Das Supertalent» funktionieren. Es ist eben das Reality-Establishment wie «Promi Big Brother» und «Bauer sucht Frau», von dem die Sender nicht genug bekommen kann – und wie es scheint, das Publikum ebenfalls nicht.