Hans Koch: ‘«Morden im Norden» ist ganz entscheidend auch ihr Baby’

«Morden im Norden» ist am 2. Januar mit einem TV-Special zurück. Produzent Koch verrät, warum Das Erste einen langen Atem hatte.

Hallo Herr Koch! «Morden im Norden» war eine der ersten «Heiter bis tödlich»-Formate im Ersten. Wie lange musste sich das TV-Publikum an Sie gewöhnen?
Das Publikum gewöhnt sich höchstens an die Verlässlichkeit von Sendeplätzen aber nicht an einzelne Formate, die es nicht mag. Das Sendeplatz-Label «Heiter bis tödlich» schuf anfangs zwar Raum für etliche neue Formatideen, aber wir mussten von Beginn an mit «Morden im Norden» unseren eigenen Weg finden und Quoten aufbauen, was uns gelang. Frank Beckmann, der damals die Programminitiative anschob, war klug genug, die Neugestaltung des ARD-Vorabends mit zahlreichen sehr unterschiedlichen Serienideen langfristig zu denken. Und neben den Quoten wurde von der ARD stets auch das Potential der einzelnen Formate genau betrachtet. Und da hatten wir von Anfang an immer eine Menge guter Ideen und die Freiheit, sie umzusetzen.

Anfangs sah es nicht so aus als würde «Morden im Norden» eine lange Zukunft haben. Die Reichweiten waren grauenvoll, aber inzwischen schauen bis zu dreieinhalb Millionen Menschen zu. Was ist ihr Geheimrezept?
Da gibt es kein Geheimrezept. Aber der Erfolg langlaufender Formate liegt immer auch an der präzisen Justage und Weiterentwicklung des Erreichten. Das ist ein fortwährender, dynamischer Prozess und eine Teamleistung bei der alle Beteiligten der selben Vision folgen müssen. Und dazu bedarf es vor allem einen offenen Fehlerkultur, einer optimalen Kommunikation und viel Phantasie und Motivation aller Mitgestalter. Mit so einer Teamleistung gelang es auch, «Morden im Norden» recht schnell vom Schmunzelkrimi zum realistisch und relevant erzählten Krimi-Melodram umzubauen und dem Format eine völlig neue Prägung zu geben.

Liegen die hohen Reichweiten nicht zum Teil auch daran, dass die Privatsender seit gefühlt 15 Jahren das identische Programm ausstrahlen und keine Alternativen testen?
Die Privaten standen und stehen vor besonderen Herausforderungen, wenn man auf deren werberelevanten Kernzielgruppen blickt. Aber auch hier ändert sich gerade einiges in den Programmstrategien. Kontinuität und Experimentierfreude werden dabei zunehmend als zwei Seiten der gleichen Medaille gesehen. RTL hat hier z.B. mit dem „Tödlichen Dienstag“ sehr vielversprechend vorgelegt. Und auch ProSiebenSat1 arbeitet am Ausbau der lokalen Programmstrategie, weil sich eingekauftes Hollywood-Programm schwer tut mit langfristiger Zuschauerbindung.

Sven Martinek und Ingo Naujoks spielen seit der ersten Episode mit. Wie schafft man es, dass man Schauspieler über zwölf Jahre für ein Projekt begeistern kann?
Dass sich ein Stammensemble wirklich wohlfühlt in einem Langlaufformat hängt von vielen Faktoren ab. Aber bei Sven und Ingo sind es vor allem auch die beiden Charaktere selbst, die mit ihrem Teamplay und ihrer positiven Art über Jahre die ganze Atmosphäre prägen. «Morden im Norden» ist ganz entscheidend auch ihr Baby. Und die beiden fühlen sich nicht nur mitverantwortlich für die Serie, sondern auch immer wieder neu herausgefordert durch die immensen Spielmöglichkeiten exzellenter Drehbücher die mit einer tollen NDR-Redaktion entstehen.

Die ARD vertraut Ihnen: Jetzt startet nicht nur die zehnte Staffel, auch eine elfte Staffel ist für 2025 zugesichert worden. Welche Vorteile hat ein solch langer Vorlauf?
Planbarkeit ist für alle Beteiligten immer die wichtigste Grundlage für inhaltliche Qualität und Effizienz. Letzteres ist gerade bei dem aktuellen Kostendruck relevant. Aber vor allem motiviert das Vertrauen alle, auch nach 12 Jahren vollen Einsatz zu zeigen und beständig über weitere Optimierungen nachzudenken.

Der Spielfilm „Am Abgrund“ ist am 2. Januar im Ersten zu sehen. Wovon handelt der Stoff?
Anders als bei einer Serienfolge konnten wir im 90-Minuten-Erzählrahmen einer Thrillerdramaturgie folgen und dabei auch den Hauptcharakteren der Serie tiefer nachspüren. So erzählt „Am Abgrund“ nicht nur eine dramatische Entführungsgeschichte, sondern auch die Geschichte einer Polizisten-Freundschaft, die auf die Probe gestellt wird.

Warum erzählen Sie die Geschichte in einem Fernseh-Special? Kann man damit die Marke bekannter machen?
Bei der Konzeption des Films haben wir ausschließlich für den 20:15-Sendeplatz gedacht. Aber das Timing der Film-Ausstrahlung direkt vor dem nachfolgenden Staffel-Start ist ideal, um auch das Primetime-Publikum auf das Vorabendformat aufmerksam zu machen. Und umgekehrt bewirkt der Erfolg der Serie vielleicht auch einen Einschaltimpuls am Hauptabend.

Sie sind nicht nur Produzent von «Morden im Norden», sondern auch Geschäftsführer der ndf Berlin. Beschäftigten Sie sich den gesamten Tag mit Drehbüchern – oder haben Sie auch andere Aufgaben?
Die inhaltlich/dramaturgische Arbeit an Film- und Serienstoffen macht sicher einen großen Teil meiner Arbeit aus. Aber für die optimale Umsetzung der Projekte braucht es auch die kreativen, wirtschaftlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen, die ich mit einem großartigen Team in Berlin und München gestalten darf.

Welche Vor- und Nachteilte könnte die künstliche Intelligenz in Sachen Drehbuch bringen? / Haben Sie schon einmal mit künstlicher Intelligenz gearbeitet?
KI wird ein zentraler Faktor in sämtlichen Bereichen der Filmproduktion. Deshalb sind wir bereits seit Veröffentlichung von Chat-GPD und anderen Modellen in einem stetigen Austausch mit unterschiedlichen KI-Experten. Wir testen fortwährend die bestehenden visuellen und Text-generierenden Tools und arbeiten in Betlin an eigenen Summarization- und Polishing-Werkzeugen. Für die Drehbucharbeit erwarte ich allerdings auf absehbare Zeit keine Wunder durch die KI, weil auch beim optimalen Prompten das menschliche Gehirn schneller ist in der authentischen, emotionalen und uniquen Verknüpfung von Story-Parametern als ein statistisches Language-Modell. Der große Nutzen ergibt sich jedoch aus der Zusammenführung von KI-Potentialen und Talenten mit einer eigenen Vision. Hier liegt die produzentische Verantwortung auch in der Rolle eines Moderators oder Coaches für die Autoren.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

«Morden im Norden» läuft am Dienstag, den 2. Januar 2024, um 20.15 Uhr. Die weiteren Folgen gibt es 8. Januar 2024 montags um 18.50 Uhr.
01.01.2024 11:30 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/147903