Steigt ProSieben zum Nischensender ab?

Die Programmvielfalt wird seit Jahren abgebaut, neue Ware hält sich in Grenzen. Die Marktanteile purzeln seit Jahren. Eine Bestandsaufnahme eines kriselnden Senders.

Am 1. Januar war Zeugnistag: Der Fernsehsender ProSieben, der stets hinter RTL rangierte, aber sich mit Sat.1 oftmals um den zweiten Platz stritt, ist zum Schatten seiner selbst geworden. Noch kann die rote Sieben bei den Werberelevanten mit 7,7 Prozent punkten, aber in den vergangenen Jahren haben Das Erste (6,2%), ZDF (7,1%) und VOX (6,7%) deutlich aufgeholt oder haben ihre Werte halten können. Beim Gesamtpublikum erreicht ProSieben im Jahr 2023 drei Prozent. Innerhalb von vier Jahren hat der werbefinanzierte Privatsender rund ein Drittel seiner Gesamtzuschauer verloren.

Am ersten Weihnachtsfeiertag fiel ProSieben im wahrsten Sinne des Wortes auf die Nase. Die Free-TV-Premiere von «Spider-Man: No Way Home» lockte nur 0,89 Millionen Fernsehzuschauer ab drei Jahren an. Aber wie soll man auch auf das Programm aufmerksam werden, wenn das Feiertagsprogramm aus neun Stunden «Das Duell um die Welt»-Wiederholungen und der Clipshow «Darüber staunt die Welt» besteht? Als Stefan Raab im Sommer 2015 seinen Abschied angekündigte, versuchte man das Programm mit neuen Shows zu füllen.

Jedoch muss man festhalten, dass die Probleme von ProSieben definitiv hausgemacht sind. Im Jahr 2024 möchte der Sender immer noch eine monatliche Abgabe haben, damit die Menschen hochauflösendes Fernsehen bekommen können. ProSieben hat allerdings keinen Ableger in 4K geschaffen, sondern vergibt kostenlos nur Griesel-Fernsehen mit 720 Zeilen. Das iPhone 6 aus dem Jahr 2014 hatte schon 750 Zeilen.

Man ist allerdings auch in der Zeit stehen geblieben: Noch immer sind Streamingdienste verhältnismäßig günstig und haben eine weitaus höhere Qualität als das, was bei Joyn angeboten wird. Da mag ein Abo mit 6,99 Euro verhältnismäßig preiswert sein, aber wenn die Ware nur halbgar ist, dann ist auch das Sparangebot nicht besonders beliebt. Daher sind auch immer mehr Menschen bereit für zahlreiche Disney-Serien auch den Micky-Maus-Streamingdienst zu bezahlen. «Die Simpsons» wann immer man möchte, «Grey’s Anatomy» in HD-Qualität!

Mit «House of the Dragon» hat man eine HBO-Serie eingekauft, die vor eineinhalb Jahren bei Sky und seinem Streamingdienst WOW lief. Jetzt wird sich zeigen, ob Menschen bei ProSieben Werbung konsumieren und das gesamte Projekt auch nur in schwacher SD-Qualität sehen möchten. Noch immer sind zwei Drittel der Deutschen nicht bereit für lineares HD zu bezahlen.

Überhaupt die neuen Inhalte: Mit «Forsthaus Rampensau» strahlt ProSieben ein Joyn-Original aus, der überhaupt keine Wellen geschlagen hat. Mit Formaten wie «Calvin am Goldstrand» oder der Reality-Challenge «Good Luck Guys» hat man keine guten Formate geschaffen. Das Programm besteht immer weniger aus guten Spielfilmen, dafür werden mittelmäßige Shows wiederholt. Im vergangenen Sommer liefen mehrere «Schlag den Star»-Ausgaben am Mittwochabend zur Primetime. Das wäre ungefähr so als würde das ZDF demnächst die letzte «Wetten, dass..?»-Ausgabe wiederholen.

Nach dem Wegfall von «Zervakis & Opdenhövel. Live» am Mittwochabend hat man kein passendes Comedy-Programm serviert. Eine Sendung wie den «Quatsch Comedy Club» auf die Beine zu stellen, hätte mit Vorlauf geklappt. Zur Not hätte man eine der zahlreichen Warner Bros.- oder Paramount-Sitcoms in Erstausstrahlung erwerben können. Schließlich sollte man nach «TV total» mit der richtigen Programmfarbe auch einige Zuschauer halten können – das Lead-in würde jedenfalls eine sehr gute Basis darstellen.

Jedoch sind die Probleme von ProSieben bekannt. Im Tagesprogramm laufen «taff.», «:newstime» und «Galileo», das Programm besteht seit Jahren aus den immergleichen Wiederholungen. An Silvester lief erneut «Der Schuh des Manitu» und der war erst Wochen zuvor bei Sat.1 zu sehen. Man gerät ins Zweifeln, ob in Unterföhring an guten und neuen Ideen gearbeitet wird.

Der fehlende Innovationsmut spiegelt sich in solchen Shows wie «Die Stapelshow» wider, die in ihrer Essenz ein etwas größer produziertes «Schlag den Star»-Spiel war, die daraus bestand, dass man Dinge übereinander stapeln musste. Oder mit «Wir gegen die!» versuchte man das ARD-Gesicht Caroline Kebekus zu ProSieben zu locken. Doch statt einer originellen Sendung bekam das Publikum eine weitere Show zu sehen, in denen zwei Teams gegeneinander kämpften. Die Verantwortlichen von ProSieben sollten das neue Jahr nutzen. Wenn die durchschnittlichen Quoten künftig hinter ZDFneo oder wie im August 2023 hinter RTLup fällt, muss man sich nicht wundern, wenn die Werbekunden lieber bei Disney+ oder Prime Video anheuern.
09.01.2024 11:42 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/148040