Der Unterhaltungskonzern aus New York schlittert seit rund 30 Jahren von einem zum nächsten Problem. Ein Kommentar von Fabian Riedner.
Immerhin 71 Jahre hielt der Unterhaltungskonzern Viacom durch, der CBS aufbaute, dann zunächst Paramount Pictures aufkaufte und mit den zahlreichen Kabelsendern ein Medienunternehmen schuf. 1987 bekam das Unternehmen die Kinokette National Amusements als Anteilseigner. Seit der Dotcom-Blase suchen die Verantwortlichen nach Lösungen auf ihre Probleme, die sie seither nicht gefunden haben. Im Jahr 2005 wurde CBS von Viacom abgespalten, 14 Jahre später folgte im Zuge der Streaming-Revolution die Fusionierung. Content ist King, hieß das Motto. CBS Corporation-Chef Les Moonves, der eine Rückabwicklung der Fusion ablehnte, wurde nach einem Bericht über sexuelle Vorwürfe rausgeworfen.
Viacom-Geschäftsführer Bob Bakish, seines Zeichens so etwas wie das ausführende Organ der National-Amusements-Chefin Shari Redstone, lenkt den Unterhaltungskoloss seit der Fusion. Nur kurze Zeit später wurde das neue Viacom in Paramount Global umbenannt. Die Spatzen riefen es vom Dach: Der Streamingdienst CBS All Access wird wohl zu Paramount+, vor rund zwei Jahren hat man diese Entscheidung gefällt.
Mit einer internationalen Expansion wollte Bakish und das gesamte Team Paramount Global ausrollen. In Europa fand man mit Comcast einen Verbündeten, denn in Deutschland, Großbritannien, Irland, Österreich und Italien baute man eine strategische Partnerschaft. Sky-Abonnenten mit Film-Paket erhalten den Dienst gratis. Außerhalb der Sky-Länder ist der Dienst in Europa als SkyShowtime unterwegs. Schon der Name ist fatal, schließlich lässt Paramount seinen einstigen prestigeträchtigen Pay-TV-Sender Showtime vor die Hunde gehen. Obwohl es Millionen Abonnenten gab, wurde Showtime zum Paramount+-Anhängsel degradiert. Vermutlich wird die Marke in wenigen Jahren ganz vom Bildschirm verschwinden.
Inzwischen ist auch Shari Redstone das mittelmäßige Geschäft von Paramount Global ein Dorn im Auge, weshalb das Unternehmen für eine mögliche Hochzeit mit Warner Bros. Discovery oder einen Verkauf an einen Investor fit gemacht werden soll. Derzeit haben weltweit nur etwa 63 Millionen Abonnenten ein Paramount+-Abo, weshalb das Investment schon wieder vor dem Aus stehen könnte. In Deutschland und anderen nicht-englischsprachigen Ländern streicht man 13 Monate nach dem offiziellen Lauch schon wieder alles zusammen, was dem Konzern nur ein Fünkchen Geld kosten würde.
Obwohl Sandra Hüller als deutsches Ausnahmetalent gilt, wird Paramount+ das fertig abgedrehte Format «Zeit Verbrechen» nie online stellen. Es ist grotesk, schließlich läuft die vierteilige Produktion auch offiziell auf der Berlinale. Die deutschen Serien «A Thin Line», «Die Chemie des Todes» und «Der Scheich» sind Ende Januar offline gegangen. Selbst die deutsche Version des Factual-Formats «RuPaul’s Drag Race» ist nicht mehr auffindbar. Es bleibt spannend, wie lange die am 23. November 2023 gelaunchte Drama-Serie «Eine Billion Dollar» noch abrufbar bleibt.
Dieses toxische Verhalten von Paramount Global ist allerdings keine neue Erfindung, sondern lässt sich alle paar Jahre beobachten. Nach dem Start von MTV Germany schnappte man sich VIVA, nahm mit Jamba-Werbespots die Werbekohle mit, aber vergraulte die Zuschauer. Es folgten die Starts von Nickelodeon und Comedy Central, die bereits zu Beginn Dauerabspielstationen von amerikanischen Inhalten waren. Im Jahr 2011 meinte man den heiligen Gral mit Sky gefunden zu haben und schickte MTV Germany ins Pay-TV.
Als das amerikanische MTV Anfang der 2000er mit billiger Reality-Ware richtig erfolgreich wurde, baute man diese Franchises aus. Der Sender verdrängte die Musikclips, die Magazine und Konzerte zugunsten von nackter Haut, aufgemotzten Autos und Präsentationen von Villen. Während Medienunternehmen wie die einstige 20th Century Fox in die Breite gingen, hatten die Manager von Viacom/CBS immer die Masse im Blick: Nachdem CBS mit «CSI» einen Überraschungserfolg feierte, bestellte man innerhalb kurzer Zeit zwei Spin-offs. «NCIS» und seine zahlreichen Ableger dominieren das CBS-Programm. Paramount Network feierte mit «Yellowstone» einen Erfolg, weshalb das Format die Spin-offs «1883», «1923», «1944» und die Fortsetzungen «2024» sowie «6666» bekommt. Taylor Sheridan, Kopf hinter der Dutton-Ranch, hat mit «Mayor of Kingstown», «Tulsa King» und «Lawmen» drei weitere „New Western“ geschaffen.
Seit 2017 produziert Paramount Pictures wieder «Star Trek». Inzwischen hat man die Aushängeschilder «Discovery» und «Strange New Worlds» geschaffen, drei Staffeln lang gab es «Picard». Es folgten die Animationsserien «Lower Decks» (für Erwachsene) und «Prodigy» (für Kinder) sowie die Kurzfilme «Short Treks» und «Very Short Treks». Mit dem Spielfilm «Star Trek: Section 31» wird Michelle Yeoh wieder in ihre Figur Philippa Georgiou schlüpfen. Die Medienbranche schüttelt den Kopf, dass Paramount das Werk nicht in die Lichtspielhäuser bringen möchte.
Paramount Global und seine internationalen Ableger sind seit Jahren eine Dauerbestelle und vor allem eines: belehrungsresistent. Selbst mit den massiven Einsparungen wird Paramount+ kein Erfolgsfall mehr, weil die Verantwortlichen das Produkt beispielsweise in Deutschland kaum vermarkten. Noch immer wartet man bei Paramount+ auf eine 4K-Version, die linearen Fernsehsender von Paramount sind seelenlose Abspielstationen. In den Vereinigten Staaten fokussiert sich Paramount+ fast nur noch auf New Western, CBS konzentriert sich auf Franchises («FBI») und experimentiert kaum. Vor Kurzem hat Cash-Cow Tom Cruise einen Film-Kontrakt mit Warner Bros. Pictures unterzeichnet, das wird Paramount weiterhin zusetzen. Sollte Paramount Global nicht endlich mal ein Konzept verfolgen, wird die zur Heirat bereit gestellte Braut in einem Konzern zum Asset heruntergestuft.