Fiktion für die Mediatheken: Warum eigentlich nicht im Hauptprogramm, ARD und ZDF?

Am Mittwochabend laufen vermehrt Wiederholungen aus den Vorjahren, der «Tatort» ist am späten Freitagabend wieder zu sehen. Das sind keine guten Entscheidungen.

Seit Jahren versuchen Das Erste und das ZDF ihre Senderangebote umzubauen, um mehr junge Menschen zu erreichen. Mit Formaten wie «Der Bergdoktor» und dem «Tatort» haben die Fernsehstation seit Jahren beliebte Aushängeschilder. Allerdings kommt es derzeit beim öffentlich-rechtlichen Bereich zu einem Überangebot an Fiktion.

Erst kürzlich veröffentlichte die ARD eine animierte Serie für die Mediathek. Eine Fernsehausstrahlung ist im Ersten nicht vorgesehen, am 25. April und 2. Mai kommen die Folgen wenigstens im BR Fernsehen (aber ab 23.15 Uhr). Die zehnteilige Serie «Friedefeld» wurde für den ARD-Streamingdienst in Produktion gegeben. Schließlich meint man mit den Mediatheken den heiligen Gral zu besitzen, mit dem die Existenzberechtigung von ARD/ZDF für immer gelten soll. Das deutsch-österreichische Fiktion-Projekt «Kafka» sollte auch erst für einen Streamingdienst umgesetzt werden, doch sukzessiv machten die internationalen Dienste einen Rückzieher. Die Serie «Kafka» wurde vor Ostern 2024 am Dienstag und Mittwochabend mit desaströsen Reichweiten ausgestrahlt.

Die deutschen Fernsehzuschauer haben ein sehr gespaltenes Verhältnis zu Miniserien. Die Versuche von Das Erste und dem ZDF-Hauptprogramm sind meist enttäuschend, dennoch halten die Programmverantwortlichen an den Ausstrahlungen fest. Auf der anderen Seite funktionierten Dreiteiler wie «Der Usedom-Krimi» am Donnerstagabend. Die Free-TV-Premiere der Paramount+-Serie «Die Chemie des Todes» zeigt das eindrucksvoll: Am Gründonnerstag startete das Format mit 3,28 Millionen Zuschauer, am Ostersonntag schauen nur 1,63 Millionen Menschen zu und das Finale enttäuscht dann mit 1,36 Millionen Zuschauern. Nur 70.000 14- bis 49-Jährige verfolgten am Ostermontag das Ende.

Anfang Februar strahlte Das Erste wieder eine neue Kida-Khodar-Ramadan-Serie aus. Zwischen 22.20 und 00.15 Uhr lief die siebenteilige Serie, deren Episoden extrem kurz waren. Aber rechtfertigen eine Mediathek und eine spätabendliche Ausstrahlung diesen gesamten Aufwand? Die Serie schnappte sich knapp 800.000 Zuschauer, nur ein Viertel gehörten zu den jungen Zuschauern. «Asbest» lief gar nicht im linearen Programm, obwohl die monatlich von der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) vorgelegte Zahlen nicht gerade aussagen, dass solche Formate Millionen von Klicks erhalten.

Oft machen die Programmpläne des Ersten und ZDF überhaupt wenig sind: Die Serie «Wer wir sind» startete am Mittwochabend mit 2,24 Millionen Zuschauern, das Finale wurde in der Nacht von Freitag auf Samstagabend um 00.30 Uhr gezeigt. Die internationale Koproduktion «Oderbruch» ging am späten Freitagabend los (immerhin 1,57 Millionen! Zuschauer) und endete schließlich um 01.40 Uhr einen Tag später. 40.0000 Zuschauer sind übriggeblieben, immerhin zehn Prozent der jungen Menschen. Sofern der Jugendschutz ein Problem ist, müssen die Programmplaner dann eben die Serien auf mehrere Abende teilen. Aber: Mit auf wenigen Ausnahmen hat Das Erste am Mittwoch zuletzt nur noch Spielfilme wiederholt.

Das ZDF versucht es mit Formaten gar nicht diese erst im Hauptsendeprogramm zu etablieren. Serien wie «Ich dich auch!», «Safe», «Deadlines», «Der Schatten», «Push», «Bauchgefühl», «Doppelhaushälfte» oder «In Her Car» werden zu ZDFneo abgeschoben. Ein «Hotel Mondial», das am Mittwochvorabend zwar aus Quotensicht nicht funktionierte, aber eine große queere Fangemeinde hervorbrachte, darf allerdings auch nicht als Streaming- und ZDFneo-Serie weitergehen.

Das Erste und das ZDF haben genügend Flächen, die am Wochenende mit Wiederholungen bespielt werden. Außerhalb von Olympischen Spiele, Fußball-Turnieren und Wintersport liegen die Nachmittage der Sender brach. Hier werden meist nur alte Spielfilme wiederholt, die schon ein bis zwei Jahrzehnten auf dem Buckel haben. Doch diese Projekte waren damals nicht gerade umwerfend. Es mag durchaus sein, dass man mit den aktuellen (Mini-)Serien-Angebot auch ein Programm für Menschen unterhalb der 40 Jahre anbietet, allerdings ist deren Daseinsberechtigung nicht nur eine App, ein Spartensender namens ZDFneo oder das Nachtprogramm von Das Erste.

Das Erste könnte beispielsweise nach all den Fehlschlägen auch auf dem 16.15-Uhr-Slot einige Miniserien ausstrahlen oder den einen oder anderen Spielfilm am Wochenende durch eine sinnvolle Verzahnung mit Neuware bespielen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass das Privatfernsehen eine Fiktion-Offensive im großen Stil wie in den 90ern ausruft. Es ist jedoch anzumerken, dass den öffentlich-rechtlichen Sendern durchaus frische Programmware zur Verfügung steht. Das Erste benötigt keine Deutschlandpremieren zur Geisterstunde und Wiederholungen am Mittwoch um 20:15 Uhr. Es wäre empfehlenswert, mit dem Fiktion-Programm hauszuhalten, um eine Beitragserhöhung zu vermeiden. Bei einem Überangebot an Fiktion sollten nicht alle Projekte umgesetzt werden, nur um weil man dieses Projekt toll findet.
22.04.2024 11:52 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/150895