Ein junger Polizist träumt von der Karriere in der Großstadt. Stattdessen wird er jedoch der Wache in seiner Heimatstadt Osterkoog in Nordfriesland zugewiesen. Währenddessen bricht das erste deutsche Fernsehferienschiff von Cuxhaven aus in fremde Gewässer auf! Zwei vergessene TV-Serien im Seriencheck!
Polizeistation
- Bundesrepublik Deutschland 1973
- DARSTELLER: Rainer Goernemann, Detlev Eckstein, Susanne Beck, Fritz Wempner, Ferdinand Dux
- REGIE: Hans-Georg Thiemt
- DREHBUCH: Carl Darrow
Die nächste große Fernsehserie findet sich immer nur einen Click entfernt. Dies gilt zumindest für die Serien unserer Zeit. Je weiter der Fokus jedoch in die Vergangenheit reicht, desto übersichtlicher wird das Angebot, mit dem Netflix und Co. um ihre Zuschauerschaft buhlen. Oft bleibt dann nur der Griff zur DVD um die Lücken zu füllen. Die 1980er- und 1990er Jahre werden auf physischen Bildtonträgern bestens abgebildet. Wer jedoch noch weiter zurückblickt, ist dann auf die Hilfe von Film- und Serienfreaks wie jenen vom rührigen DVD-Verleiher Pidax angewiesen. Der hat in den letzten Jahren eine gar irrwitzige Archivarbeit geleistet und Serien dem Vergessen entrissen, von denen selbst Hardcore-Serienfreaks nie etwas gehört haben. Wie zum Beispiel «Polizeistation».
1973 produzierte das ZDF die Serie. 13 Episoden gingen in die Herstellung. Dann wurde auch schon wieder der Stecker gezogen. Vom 18. Juli bis zum 10. August strahlte das Zweite die dreizehn Episoden jeweils mittwochs um 18.35 Uhr aus.
Rainer Goernemann ist Till Cassens. Der junge Polizist ist strebsam und arbeitet auf eine Karriere bei der Kriminalpolizei hin. Als junger Beamter ist er aber auch weisungsgebunden und so landet er nicht in der Großstadt, sondern wird nach Osterkoog in den Kreis Nordfriesland geschickt – jenem Ort, dem er eigentlich entfliehen wollte. Osterkoog ist seine Heimatgemeinde und offenbar scheint man in der übergeordneten Polizeibehörde zu denken, dass es sich ganz gut träfe, die kleine Wache mit einem Beamten zu besetzen, der die Menschen vor Ort kennt. Wachtmeister Imbeck, der die Wache führt, ist eigentlich schon mit einem Bein in Pension; allerdings hat er sich bereiterklärt, den jungen Kollegen während des Übergangs zu begleiten.
Privatleben? Warum nicht?
Der deutsche TV-Ermittler kannte einst nur seine Arbeit. Ob Stefan Derrick oder Kommissar Trimmel, der Ur-Vater aller «Tatort»-Ermittler: Der deutsche Polizist schlief nie, arbeitete 24 Stunden, ja, er ging nicht einmal auf die Toilette, bevor ein Fall abgeschlossen war. Sicher, Kommissar Keller («Der Kommissar») war verheiratet, seine Männergang aber stand der Gerechtigkeit rund um die Uhr zur Verfügung. «Polizeistation» stellt einen der ersten frühen Versuche im deutschen Fernsehen dar, den Polizeibeamten nicht auf seine Uniform zu reduzieren und auch nicht den Fall der Woche zu sehr in den Fokus zu rücken. Die Geschichte des Till Cassens ist ein frühes Polizisten-Drama. Oder Dramachen. Natürlich ist Till ein aufrechter, anständiger Beamter, der ebenso aufrichtig und anständig seiner Tätigkeit nachgeht. Einen gebrochenen Charakter im Polizeidienst zu zeigen, das hätte 1973 eine Unmöglichkeit dargestellt und hätte jeden CSU-Fernsehrat direkt das Intendantenbüro stürmen lassen. Das Drama findet sich denn auch eher in Tills Familie. Sein Bruder Heiko ist ein Kleinkrimineller, der irgendwann von der Spur abgekommen ist und kein Interesse daran hat, die Hand, die ihm sein Bruder Till immer wieder reicht, wirklich zu ergreifen. Das alles ist zwar noch sehr zurückhaltend inszeniert; einen echten Bruch zwischen den Brüdern erwartet man vergeblich und die Gaunereien Heikos bleiben im Deliktbereich der Bewährungsstrafe, dennoch findet man in der Serie Ansätze, die, hätte man sie weiter verfolgt, durchaus das deutsche Kriminalspiel hätten voranbringen können. Auch die Briten (BBC und ITV) haben ihre Klasse erst entwickeln müssen. Als Serienfan stellt man sich dennoch die Frage, wo das deutsche Kriminaldrama heute stehen könnte, wäre es nicht bei einzelnen Versuchen wie «Polizeistation» 1973 geblieben und hätte stattdessen eine stetige Weiterentwicklung des seriellen Kriminalspiels stattgefunden!
So erschafft «Polizeistation» auch nicht mit jeder Episode eine neue Welt, die klar durch einen Anfang, eine Mitte und ein Ende gekennzeichnet wäre. Sicher, der Fall der Woche wird im Rahmen der jeweiligen Einzelepisode abgearbeitet, die Geschichte von Till und Heiko aber zieht sich als ein roter Faden durch die Serie, wie auch Tills Zwiespalt immer wieder thematisiert wird. Auf der einen Seite ist da der Wunsch, in die Stadt zu gehen und das Dorfleben hinter sich zu lassen, auf der anderen Seite sind hier seine Familie und Nancke, seine heimliche Liebe, die fest in der Gemeinde verankert sind. Das mag seicht und wenig aufregend klingen, es hebt sich in seiner Umsetzung jedoch von vergleichbaren Serien der Entstehungszeit durchaus ab.
Was die Kriminalfälle betrifft, widmet sich die Serie eher kleinen Delikten wie Einbrüchen oder auch einmal einem Autodiebstahl. Die Serie verbleibt hier nahe an der Realität verhaftet und schildert diese Fälle eher nüchtern. «Polizeistation» ist kein Schmunzelkrimi, in dem kauzige Typen kauzige Dinge tun.
Es gibt also überraschend Positives in der Serie aus dem Jahre 1973 zu entdecken. Negativ ins Auge fällt derweil ihr Studioflair. Man sieht schon 1973, dass es den Sendern offenbar wichtiger gewesen ist, ihre Pensionsfonds mit Gebührengeldern ordentlich zu füllen als ordentlich Geld in die Hand zu nehmen, um Schauwerte zu erschaffen. «Polizeistation» bietet eine starre Kamera, die vor allem durch Nahe Aufnahmen (ab Brust aufwärts) die kargen, um nicht zu sagen, ärmlichen Kulissen kaschiert.
Das Bild der DVD ist natürlich für den Großbildschirm eher ungeeignet. Die Serie stammt aus dem Jahre 1973 und ist entsprechend für die Röhre inszeniert worden.
Fremdschämen auf fernen Meeren
Das Ferienschiff
- Bundesrepublik Deutschland 1968
- DARSTELLER: Joachim Rake, Olaf Sveistrup, Günter Lüdke, Evelyn Gressman, Hans-Walter Clasen, Jochen Schmidt
- IDEE und DREHBUCH: Heinz Bothe-Pelzer
- REGIE: Hermann Kugelstadt
- PRODUKTION: Fritz Hoppe
- MUSIK:Michael Jary
Freunde des Deutschen Fernsehfunks werden nicht müde zu betonen, dass der große Schmalz-Klassiker des deutschen Fernsehens, «Das Traumschiff», in Wahrheit ein Rip-Off der DDR-Serie «Zur See» sei, die ab 1977 das Publikum zwischen Rostock und Dresden begeisterte, weshalb «Zur See» das erste große televisionäre Kreuzfahrt-Drama deutscher Reisesehnsucht auf kleinen Bildschirmen darstellt(e). Sogar der NDR hat dies noch 2022
in einem Artikel so kolportiert (Es ist nur leider falsch, denn 1968 stach bereits «Das Ferienschiff» auf in fremde Gewässer und entführte das (bundes-)deutsche Publikum in die Weiten der Sieben Weltmeere. Nun, zumindest hat das ZDF seiner Zuschauerschaft 1968 dieses Versprechen gegeben. Bedenkt man jedoch, was solch ein Dreh gekostet hätte, so wäre es sicher zu Verwerfungen in den Redaktionsetagen gekommen (Stichwort: Pensionsfonds, siehe oben). Und so ist es dem ZDF gelungen, eine Serie über Kreuzfahrten in fremde Gewässer, unter Palmen, in ferne Kulturen zu inszenieren – ohne, dass auch nur eine Schauspielerin, ein Schauspieler jemals auch nur einen Fuß aus dem TV-Studio hätte setzen müssen. Schon die erste Episode ist... Unglaublich, spielt sie doch bei 25 Minuten Laufzeit fast 20 Minuten in einem Reisebüro, dessen lieblos an die Studiowände geklatschten Urlaubsplakate ferner Länder selbst im enthusiastischsten Fernreisenden den Wunsch nach einer Sommerfrische am nächstgelegenen Baggersee entzünden – einfach nur, um dieser engen Studio-Tristesse zu entkommen. Wir haben hier also eine TV-Serie, die den Titel «Das Ferienschiff» trägt und dessen erste Episode von den Buchungen der Reisen berichtet – in einem fensterlosen Reisebüro, in dem man höchstens erwartet, an Luftnot irgendwann zu kollabieren.
Es ist grausig.
Nun, irgendwann, am Ende dieser ersten Episode, betreten die Reisenden dann ihr Schiff. Aber offenbar hat das Geld nicht einmal dafür ausgereicht, einen Kameramann nach Cuxhaven mit dem Auftrag zu schicken: Filme uns mal einen Kutter, den wir als Traumschiff verkaufen können.
Und so agieren die Darstellerinnen und Darsteller meist in Räumen, die in der Regel nicht einmal das Flair eines abgewrackten Möhneseeausflugsschiffes erreichen. Dass die Schauspielerinnen und Schauspieler an sich gar nicht schlecht sind, beweist die Tatsache, dass niemand an falscher Stelle lachen muss oder vor Verzweiflung in Tränen ausbricht. Die Geschichten selbst sind Groschenheftstorys über das Leben und die Liebe; mehr Worte braucht es nicht, um die Handlung zusammenzufassen, denn nach zwei Episoden ist der Spaß an diesem seriellen Ferienkahn ertrunken – auch wenn man sich das Wasser, in dem man ertrinkt, selbst in die Badewanne laufen lassen muss in Ermangelungen an Meeresbildern.
Wer die Idee gehabt hat, auf solch lieblose Art und Weise eine Zuschauerschaft gewinnen zu wollen, war entweder unfassbar optimistisch oder in einer Weise schamlos, dass selbst der an Worten reichen deutschen Sprache dafür die richtigen Begriffe fehlen.
Allerdings: Über ein halbes Jahrhundert nach dem Stapellauf macht die Serie auf eine fast schon peinliche Art und Weise Spaß. Es heißt ja nicht umsonst, dass etwas so schlecht ist, dass es schon wieder gut wird. Tatsächlich lässt sich die Serie mit ein paar Küstennebel intus ganz gut weggucken. Allerdings auf eine peinliche, fremdschämende Art. Es verwundert nicht, dass die Geschichte der deutschen, televisionären Kreuzfahrt nach wie vor offiziell mit «Zur See» beginnt. Vielleicht sollte man sich darauf einigen, dass «Zur See» als erste Serie tatsächlich zumindesst teilweise auf einem Ferienschiff gedreht worden ist. Dann kann man «Das Ferienschiff» wieder als Kuriosität früher Fernsehtage betrachten.
Fazit: Während «Polizeistation» zumindest in der Darstellung seiner Hauptfigur(en) progressive Wege beschritten hat und daher durchaus eine Wiederentdeckung verdient, belegt «Das Ferienschiff», dass man die Vergangenheit nicht verklären muss, nur weil etwas in die Jahre gekommen ist. «Das Ferienschiff» ist nicht nur aus der Perspektive der Gegenwart abgewrackter Schrott, die lieblos heruntergekurbelte, von jeglicher Finesse befreite Inszenierung dürfte auch 1968 wenig Begeisterung hervorgerufen haben. «Das Ferienschiff» ist nicht in Vergessenheit geraten. Ihre konsequente Nicht-Nennung in Geschichten über das televisionäre Fernweh der deutschen Zuschauerschaft lässt eher darauf tippen, dass sie aus dem Gedächtnis verdrängt werden sollte. Was ziemlich gut gelungen ist. Bis Pidax die Serie aus ihren dunklen Untiefen des Verdrängens geborgen hat.
«Das Ferienschiff» und «Polizeistation» sind auf DVD erhältlich.