hr spart massiv beim Hörfunk

Der Hessische Rundfunk hat seine Radiostrategie für die kommenden Jahre vorgestellt und konkrete Einsparmaßnahmen für die erste Stufe bis 2028 angekündigt.

Das lineare Radio hat ähnlich wie das lineare Fernsehen mit stark rückläufigen Nutzerzahlen zu kämpfen. Von Jahr zu Jahr verliert das Radio im Durchschnitt etwa ein Prozent an Nutzung, bei den jüngeren Zielgruppen liegt der Wert bei etwa 2,5 Prozent. Dementsprechend sieht sich die ARD gezwungen massive Einsparungen im Angebot vorzunehmen. Der Hessische Rundfunk (hr) hat am Mittwoch die erste Stufe seiner langfristigen Hörfunk-Strategie vorgestellt, die konkrete Pläne bis 2028 vorsieht. Die Radiostrategie leitet sich ab aus einem Zielbild, das der hr für 2032 entwickelt hat. Dieses sieht eine Neuausrichtung des Angebotsportfolios vor, das sich an den veränderten Nutzungssituationen der Medien und den Bedürfnissen orientiert.

Die neu entwickelte Radiostrategie hat das Ziel, Ressourcen für digitale Produkte und für mehr Dialogangebote zu generieren, und zwar für alle Zielgruppen, alt wie jung, Land wie Stadt, mit unterschiedlichen Herkünften und unterschiedlichen Bildungshintergründen, wie der hr betont. Diese Stufe sieht vor, dass sich die sechs Radiowellen hr1, hr2-kultur, hr3, hr4, YOU FM und hr-iNFO, noch passgenauer an den sich ändernden Nutzungsgewohnheiten und Zielgruppen ausrichten sollen. Der Fokus aller Hörfunkprogramme soll auf die stark genutzten Zeiten am Morgen gebündelt werden. Die reichweitenschwächeren Tagesbegleitprogramme sollen hingegen mehr Synergien durch Mehrfachverwertung vorhandener Inhalte nutzen. Damit intensiviert man, was die ARD bereits am Abend und am Wochenende begonnen hatte. Zusätzlich werden die hr-Radio-Apps in die ARD Audiothek integriert.

Konkrete Auswirkungen auf die einzelnen Radiowellen bekommt vor allem der junge Sender YOU FM zu spüren. Dieser soll entweder mit anderen jungen ARD-Programmen kooperieren oder er wird zu deutlich reduzierten Kosten eigenständig weitergeführt.  Bei hr1 und hr4 liegt der Fokus auf den Frühsendungen der einzelnen Wellen. Originärer Content nach den Primetime-Strecken am Morgen soll reduziert werden, dabei kann es zu längeren Moderationsstrecken kommen. Am Abend setzt man verstärkt auf die ARD-Kooperation. Auch der Kultursender hr2 soll seinen Fokus auf die Frühschiene legen. Danach verzichtet man auf originären Content, stattdessen gibt es Klassische Musik. Wortformate werden zweitverwertet. Die aktuelle Kulturberichterstattung wird zukünftig primär für hr-iNFO produziert, da dort, so der hr, die Hörer aktuelle Informationen erwarten würden. Bei der Popwelle hr3 sind hingegen keine wesentlichen Programmveränderungen geplant, auch hr-iNFO bleibt es bei einem verlässlichen Informationsprogramm. Der Sender soll bei überregionalen Themen verstärkt mit dem ARD-Verbund zusammenarbeiten.

In der zweiten Stufe wird über die Zukunft von Radiowellen über 2028 hinaus entschieden. Konkret geht es dann um die Frage, wie sich die Mediennutzung entwickelt hat, welche Radioangebote die Menschen in Hessen nutzen und demnach der hr nach 2028 anbietet. Nach aktuellem Stand sieht das Szenario noch drei Vollprogramme mit eigenproduzierten Inhalten vor, für die weiteren Wellen bedeutet dies aber nicht gleich das endgültige Aus. Im ARD-Verbund oder durch interne Zusammenarbeit könnten sie durchaus weiter bestehen, so lässt sich der hr eine Hintertür offen.

„Natürlich können wir nicht so weit in die Zukunft schauen. Es ist uns dennoch wichtig, mit dieser Annahme unsere stetigen und umfassenden Veränderungen im hr voranzutreiben. Denn wir müssen weitere langfristige Entscheidungen, zum Beispiel zu Produktions- und Redaktionsflächen sowie der personellen Ausstattung, treffen. Dabei hilft eine Orientierung an drei eigenproduzierten Radiowellen. Welche das sein könnten, wird sich dann in einigen Jahren zeigen. Darüber gibt es heute noch keine Entscheidung”, erläutert Programmdirektorin Gabriele Holzner.

Ab September werden die verantwortlichen Programmmacher*innen und die Geschäftsleitung einen Umsetzungsplan für Stufe 1 entwickeln. Alle tarifvertraglichen Verpflichtungen sollen dabei geachtet werden, Kündigungen schließt die Geschäftsleitung derzeit aus.

„Das Radio ist und bleibt wichtig und wir wollen weiter erfolgreiches Radio anbieten. Die einzigartige Funktion, die Radio einnimmt, lässt sich nicht digitalisieren – und genau deshalb wird es auch in Zukunft Radio geben. Es wird Radioangebote brauchen und geben, die konsequent an die Zielgruppe der über 50-Jährigen und deren Nutzungsverhalten ausgerichtet sind”, erklärt Martin Lauer, stellvertretender Programmdirektor.
13.06.2024 09:40 Uhr  •  Veit-Luca Roth Kurz-URL: qmde.de/152309