Klaus Zeyringer, Autor von „Fans: Von den Höhen und Tiefen sportlicher Leidenschaft“, beschreibt, wie die Bindung zwischen Vereinen und Sportler aussehen sollte.
Über den Autor
Klaus Zeyringer, geboren 1953 in Graz, habilitierte sich dort 1993 und war Professor für Germanistik in Frankreich. Als Literaturkritiker arbeitet er u.a. für den Standard", ist Jurymitglied der ORF-Bestenliste und moderiert Literaturveranstaltungen in Österreich, Deutschland und der Schweiz.
© S. Fischer
Von was sind Sie eigentlich Fan? Eher von Sportarten, Teams oder von den Sportlern?
Wie ich es in unserem Buch "Fans" beschreibe, bin ich im Fußball (recht spät, nach dem Studium) zum Fan geworden, zunächst des österreichischen Nationalteams beim Match in Cordoba, danach des FC Nantes in Westfrankreich, wo ich lange gelebt habe. Fan von einem einzelnen Sportler war ich nie, auch nicht von anderen Sportarten - allerdings mit gesteigertem Interesse für Events wie die Tour de France.
In letzter Zeit wird häufiger die Frage gestellt: Wem gehört der Sport, im Speziellen der Fußball? Was wäre Ihre Antwort? Welchen Anteil haben die Fans?
Schön wäre es, wenn der Fußball den Fans gehören würde. Tatsächlich gehört er, zum Teil auch schon im Amateurbereich, dem Geld und den Herrschaften der Sportinstanzen. Aber: Die Fans könnten einen viel größeren Einfluss ausüben, wenn sie sich ihrer Bedeutung im Sportbetrieb und dadurch ihrer Macht bewusst würden. Wenn sie eine Zeit lang boykottieren würden, könnte der Betrieb nicht mehr so funktionieren. Anders läuft es in den sogenannten Randsportarten, weil das mediale Interesse viel geringer bis gar nicht gegeben und deutlich weniger Geld impliziert ist.
Gerade der Fußball hat sich in den letzten Jahren immer weiter von den Fans entfernt. War auch deshalb der Tennisball-Protest gegen einen Investoreneinstieg so vehement?
Ja, das ist einer der Gründe. Dazu kommen die bessere Organisation der Fans, etwa im Zusammenschluss "Unsere Kurve" und die in Deutschland stärkere Sensibilisierung, was die Besitzverhältnisse der Vereine betrifft, siehe die Debatte über die 50+1-Regel.
Aktuell läuft die Europameisterschaft. Wie verändert sich das Fan-Bewusstsein, wenn das Ereignis eine nationale Tragweite bekommt?
Der soziale Druck nimmt zu, die Medien bewirken eine Verstärkung des Wir-Gefühls, mit Erfolgen umso mehr, bis zur Masseneuphorie. So sind die Fans auch außerhalb der Stadien und ihrer Umgebung mehr präsent, auf den Plätzen der Städte, beim Public Viewing... - was wiederum die Begeisterung aufzustacheln vermag, wenn das eigene Team gewinnt.
Sind Fußball-Fans die mächtigsten Fans? Gibt es Sportarten, in denen Fans keine Rollen spielen?
In Europa und Südamerika und in großen Teilen Afrikas sind es die Fußballfans, nicht zuletzt weil im Fußball bei weitem das meiste Geld unterwegs ist und auf dem Spiel steht. Anders in Nordamerika mit Baseball und American Football, in Indien mit Cricket - die dort die fanträchtigsten Sportarten sind, wie wir in unserem Buch "Fans" erzählen. In "Randsportarten" spielen Fans meist eine geringere Rolle, aber es gibt punktuelle Ausnahmen, etwa die Fechter-Stadt Tauberbischofsheim in Deutschland, die Ringerhochburg Wals in Österreich.
Sie versuchen die Turniere der UEFA und FIFA zu boykottieren, da Sie die Organisationen für mafiös halten. Gibt es überhaupt noch sauberen Sport (gerade im Fußball)?
Richtig ist: Wir versuchten einen TV-Boykott der Fußball-WM in Russland 2018, jedoch hat das überhaupt nicht funktioniert - wir beließen es also dabei. Ob es "sauberen" Sport gibt? Grundsätzlich durchaus, aber die Verbände, auch das IOC, sind so organisiert, dass sie Machtmissbrauch und Korruption erleichtern, zudem durch das Prinzip der Zuwahl ihrer Funktionäre durchaus ins mafiöse tendieren.
Die Liebe für einen Sportler oder Verein lässt sich einfach ausnutzen. Trikots werden immer teurer, Übertragungen auf zahlreiche Streamingdienste verteilt. Der Dumme ist meistens der Fan, der tief in die Tasche greifen muss. Wie verhindert man, dass man blind vor Liebe wird?
Wie wir in unserem Buch "Fans" erzählen, kostet Fantum mitunter viel. Aber ein "richtiger" Fan nimmt das in Kauf und lässt sich seine Leidenschaft was kosten. Unser Buch trägt ja den Untertitel "Von den Höhen und Tiefen sportlicher Leidenschaft". Gut ist es, darüber Bescheid zu wissen und sich zu überlegen, wie weit man für seine Leidenschaft gehen will.
Im Stadion treffen sich junge und alte, reiche und arme, gebildete und weniger gebildete Menschen. Ist der Sport ein Gleichmacher unserer Gesellschaft?
Ein Gleichmacher nicht wirklich, eher ein Brennspiegel. Es gibt ja Unterschiede zwischen Zuschauer und Fan, zwischen Kurve und Haupttribüne, zwischen den Rängen und den VIP-Clubs...
Was unterscheidet den Ultra aus der Fankurve vom legeren Haupttribünen-Gucker?
Der eine ist leidenschaftlich, und die Leidenschaft kann sehr weit gehen, in seltenen Fällen geht es um Leben und Tod, wie wir in unserem Buch erzählen. Der andere ist Zuschauer.
Sie beschreiben das Fan-Dasein als eine Art Realitätsflucht. Ist das nicht ein zu billiges Argument, Sexismus, Rassismus und Homophobie im Stadion zu dulden?
Missverständnis! In keiner Weise sollen Sexismus, Rassismus oder Homophobie geduldet werden, im Gegenteil. Darüber schreiben wir recht deutlich. Die Arena ist zwar vom Alltag abgehoben, dennoch auch Tribüne von Alltagsphänomenen und sozialem Verhalten. Sie darf und soll kein ethikfreier Raum sein.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
„Fans: Von den Höhen und Tiefen sportlicher Leidenschaft“ von Ilija Trojanow und Klaus Zeyringer ist seit 24. April 2024 im Handel erhältlich.