«Sugar»: Die größte Serien-Enttäuschung seit Jahren

Colin Farrell spielt neben «Sandman»-Star Kirby Howell-Baptiste in der AppleTV+-Serie mit. Die Serie begann großartig, stürzte dann aber zu einer wahren Katastrophe ab.

«I Am Legend»-Autor Mark Protosevich hat seit Jahren keine neuen Projekte mehr realisiert, dann folgte allerdings das neue AppleTV+-Projekt «Sugar». Die Serie startet eindrucksvoll: In Tokio befreit Privatdetektiv John Sugar (Colin Farrell) den Sohn eines Yakuza-Bosses, wobei er sich an seinem Arm verletzt. Schnell wird klar: Sugar ist kein eiskalter Mörder, der die Entführer um die Ecke bringt. Er verabschiedet sich und kehrt in die Stadt der Engel zurück.

In Los Angeles trifft der Cineast John Sugar auf den Filmproduzenten Jonathan Siegel (James Cromwell), der sich große Sorgen um seine Enkelin Olivia (Sydney Chandler) macht. Während der übrige Teil der Filmfamilie glaubt, dass sie nur wieder ihre Spielchen treibt, glaubt Siegel-Senior an eine Entführung. Dass die übrige Siegel-Familie etwas zu verschweigen hat, erfährt Sugar in der Wohnung von Olivia. Dort trifft er auf den Stiefbruder Kenny (Alex Hernandez). Nach einer kurzen Auseinandersetzung findet er einen Koffer voller Erinnerungsstücke an Olivias verstorbene Mutter Rachel Kaye (Natalia Alyn Lind), die bereits vor vielen Jahren verstarb.

Am Ende der ersten Episode erleidet Sugar einen Schock, schließlich ist seine Wunde aus Tokio noch immer nicht verarztet. Der Zuschauer grübelt mit Sicherheit, warum er diese Wunde nicht verarzten lässt. Doch dann holt Sugar eine Spritze heraus und sticht sich in die Haut. Er verliert das Bewusstsein und die zweite Folge startet mit einem Treffen von Olivas Vater Bernie Siegel (Dennis Boutsikaris), der das Verschwinden seiner Tochter eher gleichgültig hinnimmt. Er tippt vielmehr auf einen Drogenrückball und eine kommende Einlieferung in eine Entzugsklinik. Sugar sucht weiter, findet den Kriminellen Clifford Carter in Olivias Auto, dessen Leiche später verschwindet.

Er findet eine neue Spur: Melanie Matthews (Amy Ryan), die frühere Stiefmutter von Melanie. Das Model und der Schnüffler kommen sich in einer Bar näher, dort verrät John Sugar, dass sein Körper Alkohol viel langsamer abbaut als bei anderen Menschen. Die zugedröhnte Melanie und der Privatdetektiv gehen in die Villa der früheren Schauspielerin, dort kümmert sich Sugar um sie. Am nächsten Tag erfahren die Zuschauer, dass sie Alkoholikerin ist und seit Tagen rückfällig war.

Ein weiteres Puzzleteil ist John Sugars Kontaktperson in Los Angeles: Ruby (Kirby Howell-Baptiste), die ihn immer wieder die Fälle zuweist. Obwohl sie ihn dem Fall präsentiert, bittet sie ihn, dieses Problem nicht zu beheben. Schon in den ersten Minuten ist klar: Hier steckt wohl mehr dahinter. Im späteren Verlauf kommt es zu einem Treffen in Rubys Haus mit – vermutlich weiteren – Agenten.

Während die ersten zwei Episoden noch eine kluge Geschichte um einen Vermisstenfall sind, entwickelt sich das Format mehr und mehr zu einem Drama. Die Familie Siegel hat scheinbar zahlreichen Leichen im Keller, die nicht an die Öffentlichkeit kommen sollen. Das führt auch dazu, dass die Geschichte einen überproportionalen Anteil in der Erzählung einnimmt.

Auch die Storyline hinter dem Treffen in Rubys Haus wird komplizierter. Es könnte sich hier wohl um die mysteriöse Polyglot Society handeln, einem Netzwerk von weltweiten Spionen, die im Auftrag einer höheren Eminenz arbeiten. Unter anderem trifft John Sugar dort auf seinen alten Weggefährten Henry (Jason Butler Harner) wieder, der seines Zeichens Anthropologe ist. Schließlich wird immer wieder davon gesprochen, dass Sugars Schwester ebenfalls vor langer Zeit entführt worden sei.

In der sechsten von acht Episoden kommt es schließlich zum Bruch: John Sugar spritzt sich ein Mittel und verwandelt sich in ein außerirdisches Wesen. Was der Zuschauer immer wieder in leichten Häppchen serviert bekommt, wird nun offensichtlich – und zerstört das gesamte Feeling der Serie. Autor Mark Protosevich hat das gesamte Setting um einen geheimnisvollen Ermittler wie beispielsweise James Bond über den Haufen geworfen, um den Zuschauer schließlich mit einer Science-Fiction-Serie abzuspeisen.



Zu Beginn der siebten Folge sieht man dann auch Ruby vor einem schreibmaschinen-ähnlichen Computer, mit denen die Aliens wohl mit ihrer Heimat kommunizieren können. Es ist schade, dass noch nicht einmal ihr Plan erwähnt wird. Stattdessen verfällt die Serie in bizarre Muster, denn schließlich verfolgt nun die Regierung die fremden Besucher.

Henry gibt Sugar schließlich die Adresse vom Haus eines Senators und wird von einem Sicherheitsmann aufgehalten. Doch dieser ist in Wirklichkeit der Sohn des Senators und hat einen Folterkeller. Dort kann Sugar schließlich die vermisste Olivia finden. Schließlich wird noch ein weiteres Geheimnis gelüftet, da im Folterraum wohl zwei Personen anwesend waren.

Zu guter Letzt werden die Außerirdischen zur Abreise beordert, jedoch bleibt Sugar zurück, da er seine Schwester suchen möchte. Es ist eine groteske Reise, die der Fernsehzuschauer mit der AppleTV+-Serie gehen muss. Schließlich wird dieser mit einer spannenden Kriminalgeschichte gelockt, die am Ende völlig abdriftet. Gegen Ende wird das Storytelling so schlecht, dass die Schritte leicht vorausgesehen werden können. Sugar ermittelt nicht mehr, sondern bekommt die Antworten vorgeworfen. Es ist eine Tragödie, dass Mark Protosevich die Serie so gegen die Wand fahren ließ. Leider muss man sagen: «Sugar» ist Zeitverschwendung.

«Sugar» ist bei AppleTV+ abrufbar.
18.06.2024 12:22 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/152341