Bill und Tom Kaulitz bekommen eine eigene Doku-Soap bei Netflix. Das Ergebnis lässt tief blicken.
Es gibt TV-Formate, die laden zum Verweilen ein und bieten tiefe Einblicke in das spannende Leben ihrer Protagonisten. Und dann gibt es «Kaulitz & Kaulitz», die neue Netflix-Reality-Serie, die den Ruhm der Kaulitz-Brüder – Tom und Bill – nutzen möchte, um Quote zu machen. Doch was hier präsentiert wird, ist weniger ein emotional catchendes Portrait, als vielmehr ein Paradebeispiel dafür, wie man mit großem Tamtam und wenig Substanz die Plattform verschwendet, die einem von einem weltweiten Streaming-Dienst geboten wird.
Von der ersten Szene an fragt man sich, was sich die Macher dieser Serie eigentlich gedacht haben mögen. Denn die Sendung wirkt wie ein zusammengewürfelter Haufen belangloser Szenen aus dem Leben der Kaulitz-Zwillinge, die in ihrer Oberflächlichkeit nur so vor sich hin dümpeln. Statt eines durchdachten Konzepts, das den Zuschauern einen faszinierenden Blick hinter die Kulissen in das „wirkliche“ Leben zweiter „Stars“ oder jedenfalls Veteranen der Unterhaltungsindustrie oder zumindest die eine oder andere interessante Geschichte bieten könnte, wird hier lediglich eine Abfolge vollkommen belangloser Ereignisse präsentiert, die jegliche Tiefe vermissen lässt.
Denn jenseits ihres Reichtums und ihres aufregenden Wohnorts Los Angeles scheint das Leben von Tom und Bill Langeweile pur zu sein. So hat dieses Format auch überhaupt nichts zu erzählen und begnügt sich deshalb damit, Tom und Bill eben eine mehrstündige Plattform zur Selbstinszenierung zu bieten. Von der ersten Minute an gerät damit so ziemlich alles zum Fremdschämen. Authentizität? Fehlanzeige! Die Protagonisten wirken so, als hätten sie selbst kaum Interesse an dem, was sie so tun, und ihre gespielte Begeisterung für die immer gleichen Belanglosigkeiten ihres Lebens ist kaum noch zu ertragen. So entstand ein professionelles Streaming-Format, das sich anfühlt wie eine misslungene Instagram-Story. Der chaotische Schnitt und die aufdringliche Musikuntermalung tun dabei ihr Übriges.
Wer also auf tiefe Einblicke oder emotionale Momente spekuliert, wird von Anfang an enttäuscht – was angesichts der Protagonisten zunächst nicht verwundern mag. Trotzdem haben andere Formate schon wesentlich eindrucksvoller einen Blick hinter die Kulissen auch eher belangloser Stars geboten. Stattdessen bekommt man bei «Kaulitz & Kaulitz» hingegen eine oberflächliche Glitzerwelt präsentiert, die vor Einfallslosigkeit strotzt und dabei so grauenvoll aufdringlich gerät wie ihre aktuelle McDonald’s-Werbung. Es scheint, als hätten die Macher der Serie keine Idee davon gehabt, wie man die Brüder in ein Licht rückt, das über ihre allzu offensichtliche Selbstverliebtheit hinausgeht.
So verbleibt der Eindruck, dass Netflix mit «Kaulitz & Kaulitz» eine große Chance verpasst hat. Statt eines Formats, das die Zuschauer zumindest mit einem Unterhaltungswert abholt, der den beiden Namen im Titel auch gerecht wird, bekommt man hier eine Serie geboten, die an Belanglosigkeit und überzogener Selbstdarstellung kaum zu übertreffen ist. Die Show wirkt wie ein verzweifelter Versuch, die Marke Kaulitz auszuschlachten, ohne dabei auf die Idee zu kommen, etwas wirklich Interessantes oder Innovatives zu liefern. Wenn das Streaming-Sommerloch einen Namen hat, ist es nun auf jeden Fall Kaulitz.
Die Doku-Soap «Kaulitz & Kaulitz» befindet sich im Streaming-Angebot von Netflix.