Die Kino-Kritiker: «Trigger Warning» – Actionkino der wenig erquicklichen Art
Nach einem emotional fordernden Einsatz erfährt die Elitesoldatin Parker, dass ihr Vater bei einem Unglück ums Leben gekommen ist. Daheim aber hegt sie bald Zweifel daran, dass der Tod ihres Vaters ein Unfall war.
Besetzung: Jessica Alba, Anthony Michael Hall, Mark Webber, Jake Weary, Tone Bell, Aljandro de Hoyos, Gabriel Basso, Kaiwi Lyman, Hari Dhillon
Netflix hat einfach kein Glück mit seinen US-Spielfilmproduktionen. Ausgerechnet Hollywood liefert dem Streaming-Giganten meist nur mittelmäßige 08/15-Ware. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Prestigeprojekte wie einen neuen Zack Snyder-Film oder um Standardproduktionen wie «Trigger Warning» handelt. Was läuft da schief, fragt man sich. Warum gelingt es Hollywood nicht, fesselndes Kino auf den Bildschirm zu bringen? In Sachen Serien lässt Hollywood doch auch keine Wünsche offen?
«Trigger Warning» ist ein filmischer Verkehrsunfall. Der einzige Grund, den Stream nicht vor Ablauf der rund 106 Minuten Spielzeit abzubrechen, ist die Hoffnung, dass die Geschichte irgendwann so etwas wie einen unerwarteten Twist präsentiert. Als geneigter Actionfilmfreund kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, dass sich eine Handlung wirklich so unfassbar öde und vorhersehbar dahinschleppt. Da muss doch noch etwas kommen. Irgend etwas, das nicht schon fünf Minuten vor seinem Geschehen auf der To-Do-Liste erscheint und dann tatsächlich so abgehakt wird, wie vorhergesehen.
Doch nichts dergleichen geschieht.
Da ist also die Elitesoldatin Parker, die während eines Einsatzes in der syrischen Wüste in die Handlung eingeführt wird. Dort wird sie gejagt. Am Ende ist ihr Partner tot, während sie darüber hinaus gezwungen wird, seine festgenommenen Mörder vor der Selbstjustiz ihrer Kameraden zu verteidigen. Gegen wen die Soldaten hier zu Felde gezogen sind, ist egal: Der Prolog dient in bester 80er-Jahre-Klopper-Manier eh nur dazu, die taffe Heldin einzuführen. Schaut her, die Frau ist eine Kampfmaschine!
Und dann kommt der Anruf. Ihr Vater ist bei einem Unglück in einem alten Stollen ums Leben gekommen. Wieder daheim beschleichen sie bald Zweifel an der Darstellung des Unfallhergangs, denn ihr Vater kannte den Stollen. Das, was die Polizei ermittelt hat, macht einfach keinen Sinn. Und dann taucht auch noch Elvis auf, der Sohn eines Senatskandidaten, der hier daheim ist. Elvis ist ein mieser Wicht, der seine Hände nicht an sich halten kann, ein großes Maul hat und einfach viel zu unsympathisch ist, als dass er nicht auch Dreck an den Händen kleben hätte – denn kaum zurück daheim fällt Parker auf, dass verdammt viele, viel zu große Waffen in ihrem Heimatkaff im Umlauf sind. Waffen, die man selbst in den USA nicht mal eben beim Walmart in der Quengelzone kaufen kann. Und da Elvis’ Vater der schmierige Senatskandidat ist…
… kann man kaum glauben, wie brav und erwartbar sich die Handlung von Szene A zu Szene B zu Szene C bewegt. «Trigger Warning» wirkt wie ein vergessenes Drehbuch zu einem van Damme-Klopper der frühen 2000er Jahre, also aus jener Zeit, als van Damme nicht mehr fürs Kino taugte und mit kleiner werdenden Budgets im DVD-Sumpf langsam versackte. Der verlorene Sohn kehrt zurück in die Stadt, kommt ein paar bösen Jungs in die Quere und am Ende braucht es keine langwierigen Strafprozesse mehr. Originell ist das nicht, aber es kann funktionieren. Etwa dann, wenn die Inszenierung zügig voranschreitet, wenn die Action gut aussieht oder die Hauptfigur zu fesseln vermag. Nichts von alledem findet sich jedoch auch nur ansatzweise in «Trigger Warning». Da hilft es auch nicht, dass der verlorene Sohn zur Abwechslung eine verlorene Tochter ist. Schon der Prolog in der syrischen Wüste hinterlässt einen faden Beigeschmack: Die Inszenierung wirkt seltsam statisch und entfaltet keine Dynamik, die man von einem Actionfilm erwarten würde. Die Montage findet keinen Rhythmus; was der Prolog bietet, ist eine lose Bilder-Abfolge. Dass die Bild-Hintergründe deutlich als Greenscreen-Projektionen zu erkennen sind, sei nur am Rande erwähnt.
Womit die Regie von Anfang an überfordert wirkt. Mouly Surya heißt die Regisseurin und sie darf von sich behaupten, die erste Indonesierin zu sein, die in den USA einen Film inszeniert hat. Das indonesische Kino hat seit «The Raid» 2011 auch hierzulande durchaus Fans gefunden. Indonesische Actionfilme gelten als hart, gnadenlos und jugendgefährdend. Zumindest, wenn man den Freigabebescheiden der FSK folgt. Das heißt, es gibt in Indonesien Regisseure, die es ordentlich krachen lassen können. Mouly Surya ist allerdings eine Regisseurin, deren Filme eher auf Filmfestivals wie Sundance zu sehen sind. 2017 zeigte auch das Filmfest Oldenburg einen ihrer Filme: «Marlina the Murderer in Four Acts». Über den (von der Kritik sehr freundlich aufgenommenen) Thriller, der inszenatorisch als eine Art Neo-Western beschrieben wird, kann man zumindest nachlesen, dass sein Ende einem Tarantino würdig sein soll. Was die Regisseurin hier allerdings in ihrem US-Debüt abliefert, bewegt sich inszenatorisch auf dem Niveau von billigen Actionreißern der 90er. Und zwar von jenen, die sich keinen van Damme leisten konnten. Ja, man haut sich hier und da auf die Nase, es gibt sogar etwas Martial-Arts-Choreografie, doch auch für diese Szenen gilt: Einen Rhythmus erzeugt hier gar nichts. Schnitt, Musik, Kamera: Es wackelt nichts, die Bilder sind scharf, die Noten werden getroffen. Für einen packenden Thriller ist das jedoch viel, viel zu wenig.
Und dann ist da Hauptdarstellerin Jessica Alba. Alba hat durchaus Erfahrungen mit dem Actionfilmgenre. Ihre Karriere begann mit James Camerons Serie «Dark Angel» 2000. Sie war Invisible Woman in den von Bernd Eichinger produzierten «Fantastic Four»-Filmen - und zuletzt spielte sie neben Gabrielle Union die zweite Hauptrolle in der Action-Serie «L.A. Finest», einem hierzulande ziemlich untergegangenen Serien-Spin-Off von «Bad Boys». Alles schön und gut. Die taffe Einzelkämpferin aber, die sie hier darstellt, die nimmt man ihr schlicht nicht ab. Alba wirkt zu langsam, zu unbeweglich für die Rolle, die sie darstellt. Dessen muss sich die Regie bewusst gewesen sein, denn ihre Figur hat eine Vorliebe für Messer, welche wie eine dritte Hand fungieren und die körperliche Unterlegenheit, die ihre Figur gegenüber ihren männlichen Antagonisten nicht verbergen kann, ausgleichen soll. Was nur mäßig gelingt und die Frage in den Raum stellt, ob es nicht geschickter gewesen wäre, mit schlichten Filmtricks wie einer agilen Montage die körperlichen Schwächen der Darstellerin zu überdenken. Dafür aber müsste die Regie agil agieren. Was, und da schließt sich der Kreis, bekanntlich nicht der Fall ist.
Möchte man das Wort "dilettantisch" als Kritik vermeiden, so lässt sich «Trigger Warning» als ein ideenloser, vorhersehbarer und schlecht gespielter Actionfilm beschreiben, der sich wie ein 25 Jahre alter, billiger Videothekentitel aus den staubigen, unteren Regalreihen anfühlt.
Seit dem 21. Juni 2024 auf Netflix
26.06.2024 11:22 Uhr
• Christian Lukas
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