Weitere Einschnitte soll es in Verwaltung, Produktion und Infrastruktur geben.
Derzeit zahlt jeder Haushalt in Deutschland monatlich 18,36 Euro für öffentlich-rechtliche Fernseh-, Radio- und Onlineangebote. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) hatte zuletzt eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent empfohlen, was einer Steigerung um 0,8 Prozent pro Jahr in der kommenden Beitragsperiode ab 2025 bedeuten würde. Dass die Erhöhung tatsächlich kommt, ist angesichts einiger Bundesländer, die ihre Zusage bislang verweigerten, durchaus fraglich. Der Südwestrundfunk (SWR) plant jedenfalls mit der – geringfügigen – Erhöhung, und kündigt Einschnitte in Verwaltung, Produktion, Infrastruktur und Programm an, da die Kosten deutlich gestiegen sind.
Aktuell rechnet die SWR-Geschäftsleitung ohne Gegenmaßnahmen mit einem dauerhaften strukturellen Defizit von jährlich rund 70 Millionen Euro. So hat man beschlossen, den Immobilienbestand weiter zu verkleinern sowie Mittel für Unterhaltungssendungen im linearen Fernsehen – auch zugunsten von Angeboten für jüngere Zielgruppen – zu reduzieren. Außerdem teilte der öffentlich-rechtliche Sender am Montag mit, dass Produktionsprozesse und Workflows weiter standardisiert werden und damit für noch mehr Wirtschaftlichkeit in Produktion und Verwaltung sorgen. Zudem fokussiert und strafft der SWR sein Angebot an Off-Air-Veranstaltungen.
„Der SWR geht verantwortungsbewusst mit dem Geld um, das uns die Beitragszahlenden anvertrauen. Deshalb folgt der SWR einer klaren Strategie: Wir wollen weiterhin bestmögliches Programm für die Menschen machen, die digitale Transformation kraftvoll vorantreiben und das finanzielle Fundament stabil halten. Das ist eine Aufgabe, die den gesamten SWR fordert und die wir nur mit einer großen Gemeinschaftsanstrengung aller Mitarbeitenden meistern werden“, erklärt SWR-Intendant Kai Gniffke.
Konkret auf das Programm bezogen bedeutet dies, dass der SWR, der den überwiegenden Teil seines Geldes für Programm ausgibt, das vor allem ein älteres Publikum erreicht, Mittel reduzieren werde, um Angebote für jüngere und digitalaffine Zielgruppen fortsetzen und ausbauen zu können. So wird es ab 2026 beispielsweise deutlich weniger Neuproduktionen der
«Eisenbahn-Romantik» geben. Die Sendung
«Menschen und Momente» wird ab 2025 eingestellt. Ressourcen für den Dokumentarfilm im Dritten Programm werden für die Mediathek eingesetzt. Auch die Sendung
«lesenswert» wird im linearen TV-Programm eingestellt. Mit dadurch freiwerdenden Mitteln sollen Formate entstehen wie zum Beispiel
«Longreads» mit Helene Hegemann für die ARD Mediathek.
Weniger «Verstehen Sie Spaß?»
Im Bereich Fernsehunterhaltung werden unter anderem die
«Mathias Richling Show», die Sendungen
«Advent live» sowie
«Comedy vom Rhein» aufgegeben. Zuvor hatte man bereits das Ende der Formate
«Spätschicht» und
«Ich trage einen großen Namen» bestätigt. Mit Mathias Richling sind stattdessen ein Podcast und eine Fortführung des YouTube-Formats
«Richling Backstage» geplant. Nicht mehr übertragen werden zukünftig der
«Umzug Deutsches Weinlesefest»,
«Rhein in Flammen» sowie das
«Seenachtsfest». Für das Erste wird der SWR künftig noch drei statt bisher fünf Ausgaben von
«Verstehen Sie Spaß?» pro Jahr beisteuern. Verstärkt soll es dafür exklusive Verlade-Filme für die ARD Mediathek und Content für die erfolgreichen «Verstehen Sie Spaß?»-Digitalkanäle geben.
„Wir straffen und fokussieren unser Angebot, um auf den wachsenden finanziellen Druck und den Wandel der Mediennutzung zu reagieren“, erklärt Clemens Bratzler, Programmdirektor Information, Sport, Fiktion, Service und Unterhaltung. Gleichzeitig betont er: „Unterhaltung bleibt uns wichtig, muss aber stärkere Einschnitte verkraften als andere Teile unseres Auftrags. Folglich konzentrieren wir uns im SWR Fernsehen vor allem auf unsere Erfolgsmarken «Nachtcafé», «Sag die Wahrheit» und den «Schlagerspaß», aber auch auf regionale Formate wie die neu gestartete «Comedy-Scheune». Im Digitalen wollen wir Erfolgsformate wie die «Kurzstrecke» mit Pierre M. Krause oder «Almania» mit Phil Laude fortsetzen und uns weiter im Bereich Comedy engagieren. Die Reduktion der linearen Ausgaben von «Verstehen Sie Spaß?» soll es uns ermöglichen, uns an anderer Stelle und mit neuen Ideen am nationalen Angebot der ARD zu beteiligen.“
Auch bei Festivals und Events stellt sich der SWR neu auf: So wird ab 2025 das SWR Dokufestival nicht mehr stattfinden. Den Deutschen Dokumentarfilmpreis will der SWR mit seinen Partnern MFG und LfK jedoch weiterhin vergeben und die Förderung des jungen Dokumentarfilms unverändert fortsetzen. Außerdem wird die Veranstaltungsreihe
«SWR live!» beendet. Bereits bekanntgegeben wurde darüber hinaus das Ende des
«SWR3 Comedy-Festivals» zum kommenden Jahr.
Fortsetzung der Flächenkonsolidierung
Darüber hinaus will man weitere Wirtschaftlichkeitspotenziale in der Produktion wie in den Verwaltungsbereichen durch standardisierte Systeme und harmonisierte Abläufe ausschöpfen. Neben der Realisierung des «Nachtcafés» im Mainstage-Studio in Mainz, sollen zudem Etats gekürzt, Wartungsintervalle gestreckt sowie Investitionen gekappt werden. Und es erfolgt eine Trennung von ganzen Bereichen, wie zum Beispiel bei den unterstützenden Infrastrukturleistungen von der Telefonzentrale bis hin zur Hausdruckerei am Standort Stuttgart.
Außerdem werde man die strategische Flächenreduktion vorantreiben. Der SWR trennt sich von Immobilien, die sanierungsbedürftig, ineffizient oder nicht mehr unbedingt erforderlich sind. Verwaltungsdirektor Jan Büttner erklärt: „Der SWR setzt seinen bereits vor vielen Jahren eingeschlagenen Kurs der Flächenkonsolidierung fort. Die Bandbreite reicht dabei von der systematischen Aufgabe von Lagerflächen bis hin zur konsequenten Verkleinerung bei sämtlichen Bauvorhaben.“