Zuletzt erreichte Kabel Eins mit seinen Spielfilmen ansehnliche Reichweiten. Doch der Sender verschenkt ganz viel Potenzial.
Im November 2023 rückte der Kabel Eins-Geschäftsführer Marc Rasmus eine Karriereleiter vor und wurde zum neuen Sat.1-Chef befördert. Ob das die richtige Entscheidung ist, darüber streiten sich die Fernseh-Gelehrten, schließlich hat Rasmus seinen alten Sender sieben Jahre nur verwaltet. Neue Impulse gab es unter seiner Ägide nicht, stattdessen wurde das Programm zu eines der langweiligsten heruntergewirtschaftet.
Der Sender war vor zwei Jahrzehnten vor allem für seine hochwertigen Spielfilme bekannt, inzwischen werden sämtliche amerikanischen Werke, die im Portfolio der Studios angeboten werden, lizenziert und gedankenlos ausgestrahlt. Zum amerikanischen Unabhängigkeitstag programmieren die Planer lieber «Achtung Abzocke – Urlaubsbetrügern auf der Spur» mit dem Thema „Japan“ statt «Independence Day» plus den eher schlechten Nachfolger zu wiederholen. Man könnte auch Peter Giesel nach Washington D.C. schicken. Solche Beispiele ziehen sich durch das gesamte Programm, selbst an Feiertagen werden Spielfilme ohne Bezug wahllos ausgestrahlt. Man könnte meinen, dass Rasmus, und jetzt sein Nachfolger Felix von Mengden, die Spielfilme auswürfeln. Ein Konzept ist jedenfalls nicht ersichtlich. Lobend kann man durchaus erwähnen, dass Reihen oftmals an Feiertagen am Stück gesendet werden.
Dennoch: Potenziale lässt man völlig liegen. Scheinbar gibt es auch keine Spielfilm-Redakteure mehr, denn das Programm besteht ohnehin nur noch aus US-Produktionen, die in jedem DVD-Regal stehen könnten. Dabei gibt es für das Programm zahlreiche Konzepte. Das völlig vernachlässigte, aber immens erfolgreiche Genre des Horrorfilms wird nicht bedient. Es wäre doch möglich, dass eine Programmstrecke am späten Samstagabend eingeführt wird.
Spielfilm-Klassiker wie «Metropolis» von Fritz Lang aus dem Jahr 1927, «Casablanca» aus dem Jahr 1942 von Michael Curtiz oder «Vom Winde Verweht» von Victor Fleming (1939) könnten genauso wie «Ben Hur» am Sonntagnachmittag ein älteres Publikum zu einer Matinee angeboten werden. Stattdessen laufen am Sonntag fünf Stunden lang «Mein Lokal, dein Lokal»-Reruns und die Wiederholung von «Achtung Abzocke».
Obwohl die Verantwortlichen von ProSiebenSat.1 gerne in die Vereinigten Staaten von Amerika schauen, finden sie keinen Gefallen an den Tätigkeiten von Turner Classic Movies (TCM), der Fernsehsender von Ted Turner startete erst nach Kabel Eins, bietet aber ein bedeutend besseres Filmprogramm an. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass man Gesprächsabende und Double-Features zu Jubiläen anbietet. Kabel Eins siecht aber seit gefühlt zwei Dekaden auf dem gleichen Level herum, weshalb sollten sich die Strategen überhaupt so etwas wie Mühe für das Programm geben? Mit einem guten Angebot aus hochwertigen Spielfilmen könnte man schlussendlich auch noch Sat.1 oder ProSieben übertrumpfen.
Als Tele5 vor knapp einem Jahr Oliver Kalkofe und Peter Rütten mit ihrer Reihe «Die schlechtesten Filme aller Zeiten» vor die Tür setzte, ging die Reihe nicht an Kabel Eins. Stattdessen schlug der Mitbewerber RTL zu, fortan ist die Reihe bei Nitro beheimatet, obwohl der Spielfilmsender nördlich von München die Aufmerksamkeit gut gebrauchen könnte.
Deutsches Kino findet bei Kabel Eins in regelmäßiger Reihe statt, allerdings nur dann, wenn ein amerikanisches Studio oder Constantin Entertainment eine Produktion im Angebot hat. Ein fundiertes Archiv, gar Programmstrecken, bietet die Fernsehstation nicht. Stattdessen laufen die allergleichen Spielfilme wie «Der Patriot», «Sherlock Holmes», «Die Tribute von Panem» oder «Up in the Air». Am Freitag- und Samstagabend werden mittelmäßige amerikanische Serien wiederholt, deren Qualität besonders in den späteren Staffeln mau ist.
Das Nachmittagsprogramm von Kabel Eins besteht aus Wiederholungen von «Castle», «The Mentalist», «Elementary», «Bull» und «Navy CIS» – und das seit vielen Jahren. Als hätte Hollywood in den vergangenen 20 Jahren nur zehn verschiedene Krimi-Serien hervorgebracht. Die Auswahl im Programm ist so derart monoton, dass die sinkenden Reichweiten selbst verschuldet sind. Die Fernsehstation erreichte im vergangenen Fernsehjahr 3,0 Prozent Marktanteil und lag somit nur knapp hinter ProSieben (3,2%). Beim umworbenen Publikum ist man mit 4,2 Prozent nur noch vor RTLZWEI (4,1%).
Am Vorabend setzt Kabel Eins auf frische Ware: «Abenteuer Leben täglich» leitet den Vorabend ein und setzt auf zahlreiche kulinarische Themen, im Anschluss folgt «Mein Lokal, Dein Lokal», das seit Jahren verlässliche Werte einfährt. «Achtung Kontrolle! Wir kümmern uns drum» ist ebenfalls ein fester Bestandteil. Im vergangenen Jahr versuchte man das «Quiz Taxi» hervorzukramen. Solche Sendungen waren vor 15 Jahren allerdings nur erfolgreich, weil es schlichtweg noch kein Streaming gab. Ideengeber war übrigens Jan Böhmermanns Podcast-Partner Olli Schulz, der dies in einer «Fest & Flauschig»-Sendung vorschlug. Bei solchen Entscheidungen von Ex-Chef Marc Rasmus muss man sich nicht wundern, dass der Sender auf der Stelle tritt. Kabel Eins hat einen sehr guten Markenkern, man sollte einfach gewisse Sendeplätze mit Themen-Genres bespielen.