Das Jüngste Quoten-Gericht: Sat.1 ist ein Scripted-Reality-Sender

Montags blickt Quotenmeter auf aktuelle Quoten-Highlights und Marktanteil-Flops und ordnet diese ein. Diesmal geht es die die Sat.1’sche Besinnung auf die alte Stärke.

Als Daniel Rosemann vor etwas mehr als drei Jahren neben der Leitung von ProSieben auch den Chefposten bei Schwestersender Sat.1 übernahm, wollte er, dass er zum 40. Geburtstag des Privatsenders „ein neues Sat.1 mit alter Stärke“ strahle. Dass der Bällchensender auf eine Geburtstagsfeier verzichtete, lag auch an der Arbeit von Rosemann selbst, die wenig Anlass zur Freude gab. Der Sender verbesserte sich nicht, im Gegenteil. Rosemann gelang es nicht die Identität des Senders zu schärfen.

Aus Kritiker-Sicht lässt sich festhalten, dass er – Gott sei Dank – den Plan verfolgte, sich von den Scripted-Realitys zu trennen. Faktisch fand diese Trennung aber nie statt. Weite Teile des Daytime-Programms wurden mit Wiederholungen von «Auf Streife» und Co. gefüllt, selbst Ingo Lenßen hatte noch Auftritt in der Access-Prime. Aus wirtschaftlicher sowie aus historischer Sicht war der Schritt, auf die Programmfarbe zu verzichten, nicht nachvollziehbar. Scripted Reality gehört zu Sat.1 wie der bunte Ball zum Senderlogo. Fernsehen, wie es Barbara Salesch oder Ulrich Wetzel produzieren, mag nicht jedem gefallen, aber es wirft gute Quoten ab. RTL hat diesen Trend nach zahlreichen Versuchen erkannt und setzt seit eineinhalb Jahren voll auf Gerichtsshows, die als antiquiert verschrien waren.

Währenddessen versuchte sich Sat.1 an einem Aussetzer nach dem anderen – allen voran das Live-Debakel «Volles Haus!». Teil des Magazins war auch «Das Spar-Dinner», das in diesem Jahr als «Das Schnäppchen-Menü» zu einem eigenen Format entwickelt wurde. Inzwischen ist die Sendung mit Alexander Kumptner schon wieder Geschichte – genau wie dessen Vor- bzw. Nachlauf «Drei Teller für Lafer». Sat.1 unter Rosemann-Nachfolger Marc Rasmus ist auf den Trichter gekommen, dass die Lösung möglichweise doch in der Scripted Reality liegt.

Programmänderung macht sich bezahlt
In den neun Wochen auf Sendung fuhren die beiden Kochshows zwischen 15:00 und 17:00 Uhr im Schnitt lediglich 0,20 Millionen Zuschauer ab drei Jahren ein. Mit einem Marktanteil von 2,4 Prozent erreichte man gut die Hälfte des Senderschnitt. In der Zielgruppe sah es mit 0,05 Millionen und 3,9 Prozent ähnlich mies aus. Mit dem 15. Juli wurde die «Auf Streife»-Strecke, zu der auch «Auf Streife – Die Spezialisten» gehört, auf sieben Stunden verlängert. Die Programmänderung machte sich bezahlt.

Während «Das Schnäppchen-Menü» und «Drei Teller für Lafer» zwischen dem 8. und 12. Juli im Schnitt auf 200.000 Zuschauer und 2,4 Prozent Marktanteil kamen, mehr als verdoppelten die zwei zusätzlichen «Auf Streife»-Stunden das Ergebnis. Zwischen dem 15. und 19. Juli markierte Sat.1 in der 15- und 16-Uhr-Stunde rund 420.000 Zuschauer ab drei Jahren, der Marktanteil verbesserte sich auf 5,2 Prozent. Auch in der Zielgruppe stiegen die Werte an: Mit 90.000 statt 50.000 14- bis 49-Jährige fuhr Sat.1 7,1 Prozent Marktanteil ein. In der Vorwoche belief sich der Wochenschnitt auf 4,3 Prozent.

Positiver Effekt auch im Nachlauf
Endlos ist die Scripted-Reality-Schiene trotz ihrer Ausprägung nicht. Um 17:00 Uhr steht weiterhin «Lebensretter hautnah» auf dem Plan. Doch auch die Verlängerung von «Auf Streife» wirkt sich auch positiv auf das chronisch mäßig laufende Blaulicht-Format aus. In der zweiten Juli-Woche erreichte man zwischen 17:00 und 17:30 Uhr im Schnitt 0,21 Millionen Zuschauer, der Marktanteil fiel mit 2,2 Prozent überschaubar hoch aus. Auch in der Zielgruppe standen nur 3,8 Prozent zu Buche. In der vergangenen Woche zog die Produktion von Flat White Productions und MoveMe spürbar an. Die durchschnittliche Reichweite stieg auf 0,33 Millionen, der Marktanteil auf 3,5 Prozent. In der Zielgruppe waren mit 0,09 Millionen solide 6,0 Prozent drin. Am Donnerstag, 18. Juli, stieg der Zielgruppen-Marktanteil sogar auf 9,3 Prozent. Gemeinsam mit den Regionalmagazinen ab 17:30 Uhr verbesserte sich der Wert sogar auf 12,4 Prozent – Rekord.

Und nicht nur «Lebensretter hautnah» freut sich über den neuen Vorlauf, sondern auch Bärbel Schäfer. Die Moderatorin präsentiert ihren «Notruf» in der 18-Uhr-Stunde, wird bekanntlich aber mit der Einführung der zweiten täglichen fiktionalen Serie eine Stunde nach vorne wandern. Zwar stieg das Ergebnis auf dem Gesamtmarkt von 0,45 Millionen auf 0,48 Millionen bzw. von 3,6 auf 3,8 Prozent Marktanteil, doch in der Zielgruppe war der Effekt intensiver. Hier erreichte man im Schnitt 30.000 werberelevante Zuschauer mehr, sodass der Marktanteil von 6,1 auf 7,5 Prozent stieg. Am Donnerstag holte man mit 11,2 Prozent ebenfalls einen neuen Rekord.

Es bleibt abzuwarten, wie nachhaltig der Effekt der ausgedehnte Scripted-Reality-Strecke sein wird, schließlich füllt «Auf Streife» im Alleingang fünf Stunden des Sat.1-Programms. Derzeit ist nicht bekannt, ob es irgendwann neue Folgen geben wird. Rosemann hatte dem entschieden einen Riegel vorgeschoben, ob Rasmus diesen Hebel zurückdreht, ist offen. Ebenso ungewiss ist, ob «Lebensretter hautnah» ebenfalls eine Stunde nach vorne rutscht, wenn die Bavaria-Fiction-Serie «Für alle Fälle Familie» aufschlägt. Nachdem Marc Rasmus die Primetime des Senders durch ein klares Konzept stabilisiert hat, könnte sich Sat.1 auch in der Daytime verbessern. Aus Quotensicht, und damit unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – und das ist schließlich das Hauptaugenmerk eines Privatsenders – , machen Scripted-Realitys in der Daytime jedenfalls Sinn.
22.07.2024 16:46 Uhr  •  Veit-Luca Roth Kurz-URL: qmde.de/153328