Die Kritiker: «In Wahrheit - Zwischen Recht und Gerechtigkeit»

Getreu dem Titel hat die neue Folge der beliebten ZDF-Reihe großes vor. Aber kann sie auch halten, was sie verspricht?

Stab

Darsteller: Christina Hecke, Robin Sondermann, Rudolf Kowalski, Steffi Kühnert, Pierre Kiwitt, Jean-Luc Bubert
Drehbuch: Mathias Schnelting
Schnitt: Geraldine Sulima
Kamera: Rodja Kükenthal
Kostüme: Natascha Curtius-Berger
Musik: Hansjörg Kohli
Regie: Kirsten Laser
Die neue Ausgabe der ZDF-Reihe «In Wahrheit» wagt sich, wie ihr Titel „Zwischen Recht und Gerechtigkeit“ zu verstehen gibt, an die großen Themen des Justizdramas: Was passiert, wenn das Rechtssystem versagt und Gerechtigkeit auf der Strecke bleibt? Ein großer Aufriss für eine vermeintlich kleine Reihe. Doch nicht selten entsteht ja großes Fernsehen, auch wenn die Gefahr besteht, dass sich die Autoren und Filmemacher an ihrem Projekt leicht verheben könnten.

Gerade das ist diesem Film unter der Regie von Kirsten Laser bei diesen anspruchsvollen Fragen jedoch passiert. Denn die Geschichte bleibt fast durchgehend an der Oberfläche verhaftet. Statt einer tiefgehenden Reflexion über das Spannungsfeld zwischen Gesetz und Moral werden dem Zuschauer fast nur flache Antworten präsentiert, die den an sich komplexen Stoff zu leichtfertig abhandeln.

Die Geschichte beginnt mit der Entdeckung der Leiche einer jungen Frau, die in der Saar ertränkt wurde, vollgepumpt mit Betäubungsmitteln. Schnell gerät ihre Ex-Freundin Roxy unter Verdacht, doch die Ermittler Judith Mohn (Christina Hecke) und Freddy Breyer (Robin Sondermann) stoßen bald auf weitere Spuren, die sie auf die Fährte des Chefs des Opfers und einen Cold Case in Frankreich führen. Hier scheint es dann endlich auch einmal spannend zu werden: Ein ungeklärter Fall, eine schmutzige Vergangenheit und ein mutmaßlicher Täter, der aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde. Doch die Spannung verpufft genauso rasch, wie der Plot diese Wendung nahm, weil das Drehbuch von Mathias Schnelting sich zwar um die Dramatik bemüht, aber die tiefere Auseinandersetzung mit den moralischen Fragen vermissen lässt.

Der eigentliche Clou der Geschichte – der Konflikt zwischen Recht und Gerechtigkeit – wird lediglich als Kulisse für eine standardisierte Krimihandlung benutzt. Jochen Bendig, der Vater des Opfers und Richter, könnte ein Schlüssel zum Verständnis der moralischen Dilemmata sein, doch seine Figur bleibt blass und wenig greifbar. Auch der französische Anwalt Alain Montand, gespielt von Pierre Kiwitt, wird weniger als vielschichtiger Charakter eingeführt, sondern eher als Judiths Love Interest platziert, was dem Potenzial der Figur leider einiges an Glaubwürdigkeit nimmt.

Was den Film dennoch trägt, ist das Schauspielensemble. Christina Hecke verkörpert die Kommissarin Judith Mohn mit einer rauen Entschlossenheit, die zu fesseln vermag. Sie ist der moralische Anker des Films und schafft es, die innere Zerrissenheit ihres Charakters durchwegs glaubhaft darzustellen. Ihr Kollege Freddy Breyer, gespielt von Robin Sondermann, überzeugt derweil als sympathischer Sidekick. Doch so gut die Darsteller auch agieren – die Inszenierung bleibt trotz vielversprechender Ansätze oft in gängigen Klischees stecken.

«In Wahrheit – Zwischen Recht und Gerechtigkeit» ist damit ein Krimi, der stellenweise ganz gut unterhalten mag, aber viel Potenzial liegen lässt. Die spannend inszenierte Jagd nach dem Täter wird von den moralischen Fragen, die der Titel verheißt, nicht auf den Prüfstand gestellt. Für Krimifans, die auf starke Figuren und klassische Whodunnit-Momente setzen, ist der Film sicher einen Blick wert – wer sich jedoch auf eine tiefere Auseinandersetzung mit Recht und Unrecht freut, dürfte hier leider enttäuscht werden.

Der Film «In Wahrheit – Recht und Gerechtigkeit» läuft am Samstag, den 31. August um 20.15 Uhr im ZDF.
29.08.2024 11:20 Uhr  •  Oliver Alexander Kurz-URL: qmde.de/154353