«Doppelhaushälfte»: Nicht Fisch, nicht Fleisch

Acht neue Episoden hat StickUp Filmproduktion in den vergangenen Wochen hergestellt. Gerade der Auftakt „Gender Pay Gap“ ist ein echtes Highlight geworden.

Mitte August stellte das ZDF die achtteilige dritte Staffel von «Doppelhaushälfte» in die Mediathek. Die Erwartungen an die neuen Geschichten waren groß, vor allem weil die zweite Staffel inhaltlich nicht an die erste Runde anknüpfen konnte. Doch mit „Gender Pay Gap“ haben die Autoren Amina Eisner und Dennis Schanz ins Schwarze getroffen.

Die Tochter Zoe (Helena Yousefi) von Mari (Maryam Zaree) und ihrem Partner Theo (Benito Bause) muss ein Schulprojekt anfertigen und befragt dafür unter anderem die Nachbarn Andi (Milan Peschel) und Tracy (Minh-Khai Phan-Thi). Das Thema: Ungleichbezahlung der Geschlechter in Deutschland im Jahr 2024. Mari erfährt durch Zufall durch ein Interview, dass es in ihrem Automobilkonzern einen dreimonatlichen Bonus gibt, den allerdings scheinbar nicht alle Mitarbeiter in Führungspositionen bekommen. Mari, die zur oberen Riege der Personalabteilung gehört, hat davon noch nichts gehört. Sie fordert einen Bonus, sonst würde sie kündigen. Ihr Chef weicht ihr aus, sie droht mit der Kündigung und muss schließlich mit dem Bus nach Hause fahren.

Die Fassade der wohlhabende iranisch-ruandische Familie bekommt Risse, vor allem weil Theos Lehrergehalt nicht ausreicht, um das anspruchsvolle Leben der Sawadi-Krögers zu finanzieren. Die enttäuscht-depressive Mari entwickelt sich nach ihrem harten Arbeitsleben zunächst zu einer Couch-Potato und bestellt teures Essen, während ihr Lebensgefährte vom Bio-Supermarkt zum Discounter wechselt. Schließlich möchte er weiterhin im Winter nach Bali reisen. Schönheitssalon-Besitzerin Tracy tritt ihrem Hausmann Andi in den Hintern, er solle sich nach einem Nebenjob umschauen. Während Mari also zu Hause auf dem Sofa liegt, versucht Andi bei der Autofabrik eine Karriere aufzubauen. Das ist schon ärgerlich für die Geschäftsfrau, dass gerade ihr fauler Nachbar bei ihrem Arbeitgeber durchstarten kann. Doch schließlich kommt alles anders.

Tracy hat wiederrum große Probleme durch Zoe bekommen, denn nun wollen ihre Mitarbeiter bessere Löhne. Endlich sind auch die Beautysalon-Mitarbeiter Danh (Tutty Tran) und Ly (Trang Le Hong) zu sehen, die leider immer nur eine sehr begrenzte Screentime haben. Dennoch sitzen die kurzen Stellen in dieser Episode, das Drehbuch ist fabelhaft geschrieben. In dieser gesamten Auftaktstory wurden alle Figuren mit einbezogen. Es ist ein herrliches Schauspiel, wie schlussendlich die Figuren an sich selbst scheitern und sich mit dem Gender-Pay-Gap zufriedengeben. Die gesamte Komik der Geschichte wird auch noch hervorragend vom Ensemble umgesetzt, sodass man die Auftaktfolge wirklich feiern kann.

„Die Zone“ ist die zweite Geschichte, in der Theo, Mari und Zoe an einem See baden wollen. Doch dort sind nicht nur ihre Nachbarn, sondern auch die Eltern von Andi Knuppe. Das führt dazu, dass Andi von seinem Vater mehrfach vorgeführt wird. Mari ist weiterhin genervt von Tracy, die wiederrum Rocco (Ming Hoang Ha) zum Verkauf von Getränken und Brötchen animiert. Das geht selbstverständlich schief, danach beschäftigt dieser sich lieber mit Zoe. Die Beiden scheinen langsam Freunde zu werden, bis das Abenteuer abgebrochen wird. Zwischenzeitlich möchten alle Akteure in einen angesagten Daytime-Club, doch nur ein größeres Zelt gibt darauf einen Blick frei. So toll wie die erste Geschichte ist das zweite Abenteuer nicht.

Die Themen der übrigen Staffel sind große Bretter: In der dritten Folge mimt Maria Matschke Engel (Ja, es ist wirklich die Tochter von Matthias Matschke) Lola, die eine feste Beziehung mit Zoe eingeht. Für Rocco bricht eine Welt zusammen, doch seine Familie glaubt eher, er sei wegen seines Kumpels betrübt. In der vierten Geschichte steht ein Coup an, der allerdings nicht wirklich aufgelöst wird. Schließlich verstirbt Tracys Mutter und diese muss als Tote durch den Ort transportiert werden. In „Väter“ schaut Robert Stadlober als Zoes leiblicher Vater vorbei, ehe in „Work-Life-Balance“ Jonas Dassler zum Coach Tim wird.



Großartig sind die «Doppelhaushälften»-Folgen eins und zwei der aktuellen Staffel, die übrigen Geschichten sind teilweise einfach zu bemüht. Die Serie verwandelt sich immer mehr zu einem Drama, das mit Witzen unterlegt ist. Inhaltlicher Tiefpunkt ist leider das Staffelfinale „Der Traum ist aus“, bei dem die Charaktere rund 15 Jahre früher gezeigt werden. Das ist nett, aber kein Schenkelklopfer, den eine Serie bringen möchte. Vielleicht sollten die Autoren in der vierten Staffel weniger Specials produzieren, sondern sich auf die regulären Episoden konzentrieren. Großartige Sitcoms dieser Zeit waren doch so lustig, weil sie in den meisten Fällen hunderte Angewohnheiten wiederholt haben.

«Doppelhaushälfte» ist sehr ambivalent. Die Comedy-Serie ist zum Teil ernst, aber auch sehr lustig. Oft kann man lachen, aber bei gewissen Szenen bleibt eben doch ein fader Beigeschmack. So ist es beispielsweise Robert Stadlober, der als besoffener und armer Lebemann zum Geburtstag seiner Tochter erscheint. Die Serie muss sich entscheiden, was sie sein möchte: Drama oder Comedy, denn der Mittelweg wird langfristig keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.

«Doppelhaushälfte» ist in der ZDFmediathek abrufbar.
11.09.2024 11:57 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/154538