Luca Kieser erzählt von einer Jugendfreundschaft in der Migrationsgesellschaft.
Auf der ersten Seite von Lucas Kiesers neuem Roman "Pink Elephant" gerät der 14 Jahre alte Vincent in einen Streit mit Tarek und Ali. Scheinbar grundlos verspotten sie ihn als Bleichgesicht und prügeln ihn. Dabei prallen nicht nur Menschen aufeinander, sondern soziale Welten. Das Buch erzählt den Weg, wie daraus aus dieser Begegnung eine Freundschaft wird. Diese Geschichte bietet ein Höchstmaß an Lebendigkeit aber auch sozialen Sprengstoff.
Brisanz und Lebendigkeit hängen zusammen mit der Herkunft. Vincents Vater ist Arzt. Seine Mutter arbeitet für einen Politiker. Die Familien der anderen kommen aus dem Nahen Osten. Während Vincent in einem wohlhabenden Viertel lebt und sein größtes Problem die Langeweile ist, wohnen sie in großen Hochhäusern. Aus der anfänglichen Wut heraus bemüht sich Vincent um Verstehen.
Er freundet sich mit den beiden an, findet an ihrer Seite die lebendige Jugendkultur, nach der er sich sehnt. Kiesers Roman knüpft damit an eine Personenkonstellation an, wie sie aus Wolfgang Herrndorfs Bestseller Tschick bekannt ist. Er beschreibt, wie Jugendliche aus der sozialen Einengung, der Bevormundung durch Erwachsene und den rassistischen Zuschreibungen ausbrechen. Es ist eine temporeiche Geschichte mit einer ordentlichen Portion Humor. Dabei zeigt sich schnell: Die Welt, über die die drei sich lustig machen, ist für Tarek und Ali gerade nicht zum Lachen.
Mit seinen Freunden findet Vincent Spaß. Er geht mit ihnen auf Touren, sieht sich Pornos mit ihnen an und zieht "Pink Elephant"-Zigaretten aus Automaten. Diese Markenbezeichnung gibt dem Roman den Titel. Gleichzeitig lässt sie sich als Metapher lesen. Denn Vincent ist selbst eine Art „Pink Elephant“, ein Tollpatsch im sozialen Porzellanladen. Mit seinen Freunden identifiziert er sich bald stark. Er will sich ihnen angleichen. Das betrifft nicht nur die sprachliche Ebene, Gesten und Kleidung. Er färbt sein Gesicht mit einer dunklen Creme, um migrantischer zu wirken. Das erinnert stark an Blackfacing und stößt auf herbe Probleme. An sich ist er abermals auf Verstehen aus. Doch dann passiert Katastrophe.
Lucas Kiesers Roman „Pink Elephant“ verspricht für Jugendliche und Erwachsene mit einem Interesse an Adoleszenzgeschichten eine tolle Lektüre. Vor allem jedoch bietet es einen interessanten Stoff für Leser, die noch etwas anderes erfahren möchten: Wie Rassismus und soziale Positionierungen in der Gesellschaft wirken und wie der Einzelne in diese verstrickt ist. Der Roman ist im August 2024 im Blessing Verlag erschienen, 301 Seiten stark und kostet als Hardcover 24 Euro.