Mit 3sat an die Substanz ran?

ARD und ZDF wollen mehrere Fernsehangebote streichen. Hierzu blickt Quotenmeter auf den Streitfall des Dreiländerprojektes. Ein Vorschlag von Fabian Riedner.

Über neun Milliarden sammelte der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio mit Sitz in Köln jährlich im Jahr 2023 ein. 1.000 Beschäftigte sorgen dafür, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Mittel erhält. Seit einigen Wochen wird diskutiert, ob man den deutsch-schweizerisch-österreichischen Sender 3sat in das deutsch-französische Kulturprogramm arte aufgehen lassen kann, um Kosten zu sparen. Eine Fusion mit ARD alpha, ZDFinfo, phoenix und Tagesschau24 sei möglich, so die Chefs der Rundfunkkommission, die sich mit den Ländern abstimmen müssen.

Zunächst einmal gibt es unzählige Möglichkeiten, wie man Fernsehsender zusammenstellen könnte, neu ordnen oder gar neu aufteilen könnte. Doch wirklich teuer ist der Aufwand für die Programmverbreitung nicht. Das lineare Fernsehen vom ZDF kostet 54,25 Millionen pro Jahr und steigt bis 2028 auf 57,0 Millionen Euro. Der gesamte Aufwand ist mit 82,83 Millionen äußerst überschaubar (+9,18 Millionen). Die zahlreichen Sender der ARD verteuern sich auf 204,9 Millionen Euro. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) stellte fest, dass die Programmverbreitung gerade einmal um 3,4 Prozent steigt. Die Abschaltung von bis zu sechs Fernsehsendern würde jährlich nur einen geringen Satz sparen.

Vielmehr muss über das Programm gesprochen werden: 3sat hat die Magazine «Nano» und «Kulturzeit» im Programm, aber diese Programmstrecken brauchen keinen eigenen Fernsehsender. Hier könnte man das Programm des ZDF so umgestalten, dass die Inhalte zum Beispiel die endlosen Folgen von «Die Rosenheim-Cops» oder auch «hallo deutschland», das zeitgleich mit «Brisant» im Ersten läuft, ersetzen. Damit wäre eine klare Alternative im Nachmittagsprogramm der öffentlich-rechtlichen Sender geschaffen. Die mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnete Sendung «Bosetti Late Night» könnte im Anschluss an eine Sendung von «Markus Lanz» ausgestrahlt werden. Hart, aber ehrlich: Selbst dann wären die Reichweiten höher als bei 3sat.

In weiten Teilen besteht das Programm des deutsch-schweizerischen-österreichischen Fernsehsenders aus Wiederholungen von ARD und ZDF. Das schweizerische Kulturmagazin «10 vor 10» kommt in der Nacht zum Dienstag um 00.25 Uhr, immer öfters fällt die österreichische Version der «Tagesthemen», «ZIB2», im Programm aus. Das österreichische Magazin «Stöckl» läuft ebenfalls um 0:30 Uhr, die Comedy-Sendung «Willkommen Österreich» läuft dagegen nur in der Nacht zum Samstag um 02.25 Uhr. Und «Gute Nacht Österreich» ist gar nicht vertreten, dann lieber YouTube aufsuchen.

Warum der deutsch-österreichischer-schweizerische Kultursender die alten BBC-Schinken «Luther» und «Spooks» wiederholt, ist mindestens zweifelhaft. Ist der amerikanische Spielfilm «Sacrifice – Todesopfer» wirklich aktuelle Kultur aus dem DACH-Raum oder füllt 3sat-Koordinatorin Natalie Müller-Elmau mit ZDF-Ware lediglich die Lücken? 3sat hat sicherlich gute Dokumentationen im Programm, aber das sind auch Aufgaben, die andere Sender übernehmen können. Es laufen zahlreiche Wiederholungsstrecken mit «Der Schwarm», «Morgen hör ich auf» und «Gestern waren wir noch Kinder». Es wäre wünschenswert, wenn mit dem Ende von 3sat das Kabarett nicht zu Grabe getragen wird. Aber hier bietet beispielsweise der Bayerische Rundfunk eine gewisse Abwechslung, wo noch an eigene Künstler geglaubt wird.

Ist das Kunst, kann 3sat weg? Diese Frage werden sich kluge Köpfe stellen müssen. Allerdings ist die Programmauswahl der ZDF-Sender inzwischen eine Abspielstation von zahlreichen alten Kamellen der Mainzer geworden. Davon hat man beim ZDF erstaunlich viele: ZDFinfo nudelt genauso sinnfrei wahllos Dokumentationen den gesamten Tag hoch und runter, ZDFneo ist auch nicht mehr das, was es mal war: Experte und besondere Doku-Reihen gehören lange der Vergangenheit an. Derzeit besteht das Tagesprogramm aus «The Rookie» und «Death in Paradise». Das Zweite Deutsche Fernsehen konzentriert sich auf seinen Hauptsender, alle anderen sind lieblos abgedroschene Wiederholungssender. Diese möchte man natürlich auch nicht aufgeben, schließlich könnten die teils guten Marktanteile an die Mitbewerber verloren gehen.

Dennoch: Wenn die Öffentlich-Rechtlichen sparen wollen, müssen sie wirklich an die Substanz gehen. Braucht zum Beispiel der Bayerische Rundfunk eine eigene Daily-Soap oder eine halbstündige «Tagesschau» namens «BR24 18:30»? Muss der Westdeutsche Rundfunk wirklich elf Regionalstudios unterhalten, die täglich sechseinhalb Stunden Lokalprogramm produzieren? Wer soll das alles konsumieren? Die Duisburger «Lokalzeit» zeigt Studenten auf Wohnungssuche, einen Ferientipp in einer Trampolinhalle, die Funktionsweise einer Eisspeicherheizung und insektenfreundliche Staudenbeete. Das ist kein Lokaljournalismus, das ist Boulevard oder Service. Das muss man nicht gefühlte 25 Mal am Tag unter der Flagge der ARD produzieren lassen.

Die öffentlich-rechtlichen Sender produzieren so viel Material, dass man gar nicht mehr aufzählen kann, wie viele Dokumentationen pro Tag ausgestrahlt werden. Zeitweise strahlte arte täglich fünf neue Dokumentationen aus, rechnet man die zahlreichen Sendungen von funk hinzu, kommt man auf mindestens ein Dutzend Erstausstrahlungen allein an Dokumentationen. Die Dritten Programme haben auch viele Magazine und Servicesendungen im Programm, so dass man von 5.30 Uhr bis 20.15 Uhr durchgehend eine Servicezeit findet. Vielleicht wäre die Einstellung von 3sat der erste Schritt in eine wegweisende (sparsamere) Zukunft.
12.10.2024 12:23 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/155435