Götz Schubert: ‚Na da ist er ja, der Butsch‘
Am Donnerstag kehrt Schubert mit zwei neuen «Wolfsland»-Teilen zurück. Im Interview erzählt der Schauspieler über die Arbeit, die Balance seiner Figur Butsch zu halten.
In «Wolfsland» steht Butsch in diesem Fall vor einer sehr persönlichen Herausforderung. Wie haben Sie die emotionalen Spannungen zwischen ihm, Viola und der Staatsanwältin Anne Konzak erlebt?
Erfreulicherweise denken sich unsere Autoren immer etwas Neues aus und bringen die Figuren häufig an ihre Grenzen. Das ist Futter für den Spieler und dafür bin ich sehr dankbar. Spannungen zwischen Viola/Anne/Butsch gab es schon häufiger, tatsächlich aber hat die Zerreißprobe diesmal eine noch größere Existenzialität. Ich mag meine Kolleginnen wirklich sehr, aber in den Szenen ging es zum Teil schon sehr frostig zu. Da helfen nur Gespräche über gänzlich andere Dinge in den Drehpausen.
Die Beziehung zwischen Butsch und Viola ist in «Wolfsland» oft von Spannungen geprägt. Wie hat sich dieses dynamische Duo für Sie über die Jahre entwickelt?
Wer mag, kann sich in der ARD Mediathek alle Wolfsland-Folgen chronologisch hintereinander anschauen, ich habe schon Menschen gesprochen, die das gemacht haben und mir berichteten, vehemente Veränderungen beobachtet zu haben. Ich glaube, man kann deutlich sehen, dass die Beziehung zwischen den beiden keineswegs eine gleichmäßig, dynamische Entwicklung auf einen Höhepunkt hin genommen hat, sondern eher von einer ellipsenartigen Umkreisung geprägt ist, wobei die Momente der Annäherung häufiger werden, aber nur kurz dauern und es dabei nie zum Stillstand kommt. Um so kostbarer sind sie, zumal es dafür wenig Worte braucht und der Zauber eher aus der Stille heraus entsteht.
Der aktuelle Fall in «Wolfsland» konfrontiert Butsch mit einem mächtigen Gegner aus der Unterwelt. Was hat Sie an dieser kriminalistischen Verstrickung am meisten gereizt?
In den vergangenen Filmen ist Butsch seiner aus Erfahrungen gewonnenen Überzeugung, ausnahmslos keinem Menschen zu trauen, mehr und mehr untreu geworden, das Misstrauen ist einer Bereitschaft gewichen, sich zu öffnen. Und es ging ihm zunehmend gut damit. Dass der Gegner in der Lage ist, genau diesen Umstand für seine Ziele in infamer Weise auszunutzen und letztlich sogar Erfolg damit hat, das macht diesen Feind, der er für die Ermittler ist, extrem gefährlich. Zurück bleiben Verletzungen, Ängste, Psychosen, Zerrüttung. Die Dimension des Bösen in der Folge fand ich erschreckend und reizvoll zu gleich.
Butsch ist ein Kommissar mit vielen Ecken und Kanten. Welche Aspekte dieser Figur haben Sie in den bisherigen «Wolfsland»-Folgen am meisten gefordert?
Die Balance zu halten, zwischen der Sturheit, die diese Figur auszeichnet und einer Zugewandheit, die sich vorsichtig abzeichnet, zwischen einer Ernsthaftigkei und Tiefe, aber auch Leichtigkeit bis hin zur Albernheit, zwischen der Professionalität eines Ermittlers und einer leidenschaftlichen Gefühls- und Meinungsäußerung, die eher privater Natur ist. Das unter einen Hut zu kriegen, das Pendel zwar ausschlagen, aber nicht (los) fallen zu lassen, die Glaubwürdigkeit der Figur zu behalten, das ist für mich die größte Herausforderung, die alle Filme bisher begleitet hat und der ich mich mit großer Freude gestellt habe und weiterhin stellen werde.
Die Verstrickungen in der Unterwelt und die psychologischen Spiele machen den neuen Fall besonders komplex. Was war für Sie der herausforderndste Moment während der Dreharbeiten?
Ein gänzlich sinnloser Mord: Eine Tat, die an Niederträchtigkeit und Erbärmlichkeit kaum zu überbieten ist, wird in diesem Film erzählt. Beim Lesen des Drehbuches hat mich das schon fürchterlich aufgeregt. Vor Ort dann, also am Drehort selbst, war es kaum auszuhalten, die traurige Geschichte der Ermordeten mit zu erleben, insbesondere in der großartigen Darstellung der Schauspielerin Sabine Vitua. Man wollte die Täter sofort zur Rechenschaft ziehen, nein, man wollte sie umgehend zur Strecke bringen. Butsch wollte das und ich wollte das auch.
Sie sind seit vielen Jahren ein fester Bestandteil der deutschen Fernsehlandschaft. Wie hat sich die Art und Weise, wie Krimiserien produziert werden, in Ihrer Karriere verändert?
Der Produktionsprozess hat sich meines Erachtens nicht wirklich sehr verändert, im Grunde haben wir ja schon 2006 mit «KDD» eine Krimiserie gemacht, die sehr anders war. Das ist achtzehn Jahre her. Mittlerweile ist die Bereitschaft größer geworden, die ausgetretenen Pfade zu verlassen, filmische Erzählweisen zu suchen, die dem Stoff, dem Inhalt, der Geschichte, den Figuren und Situationen gerecht werden. Insofern hat sich verändert, dass die Kreativen mehr und mehr wieder Eigenverantwortung übernehmen und ihre künstlerische Freiheit zurück erlangen, auch was die Auswahl der Geschichten und Charaktere betrifft, die gezeigt werden sollen.
Würden Sie noch einmal in einer Serie wie «KKD – Kriminaldauerdienst» mitspielen?
Ja klar, das war schon was Besonderes, gerade die Szenen auf der Wache, also im Studio, mit großer Personage. Im Grunde haben wir die Idee des heute so angesagten immersiven Theaters vorweg genommen und für den Film adaptiert. Die Schauspielenden konnten nie sicher sein, wo und wann und wer gerade von welcher Kamera abgefilmt wird, also mussten wir immer in der Figur und in der Situation bleiben, vor und hinter den Kameras. Und wenn im Drehbuch nichts geschrieben stand, was die Figur tun soll, wenn sie keinen Text mehr hat, dann musste man sich eben was einfallen lassen. Gerade im „gläsernen“ Büro meiner Figur des Dienstleiters Helmut Enders konnte es einen „erwischen“. Daher habe ich hinter meinem gut sichtbaren Schreibtisch ein Mantra auf etliche Notizzettel geschrieben: „Immer weiter spielen! Immer weiter spielen! Immer weiter spielen!“ (lacht)
Sie haben sowohl in TV-Produktionen als auch auf der Theaterbühne beeindruckende Rollen verkörpert. Wie unterscheidet sich Ihre Herangehensweise an die Arbeit auf der Bühne im Vergleich zum Fernsehen?
Es ist vor allem eine andere Ökonomie. Die über mehrere Wochen gehende Probenzeit am Theater und eine dreistündige Vorstellung sind ein ganz andere Arbeitsprozess als eine szenische Probe und einzelne Takes aufzunehmen am Set. Und was im Kasten ist, ist im Kasten, da kann der Spielende nichts mehr daran ändern. Am Theater habe ich die Chance, es am nächsten Abend vielleicht besser zu machen. Warum ich allerdings was und wie spiele oder sage, die Motivation einer Figur, das ist für mich hier wie da gleich, egal ob Bühne oder Film. Der „Rest“ ist eine Frage der Mittel: Wenn ich auf einer großen Bühne vor Erstaunen die linke Augenbraue hochziehe, sieht das kein Mensch. Und wenn ich vor der Kamera vor lauter Freude ein Salto schlage, bin ich schlichtweg aus dem Bild.
Wenn Sie auf Ihre bisherigen Karriere-Highlights zurückblicken, gibt es eine Rolle, die Ihnen besonders ans Herz gewachsen ist?
Naja, mit keiner Rolle war ich bisher so lange und intensiv beschäftigt wie mit KHK Burkard Schulz, den alle Butsch nennen. Vor einigen Jahren noch bin ich häufig von Menschen angesprochen worden: Ich kenne sie, sie sind doch Schauspieler, aber auf den Namen komme ich jetzt nicht. Mittlerweile sagen die meisten einfach: Na da ist er ja, der Butsch. Da kann ich schon durchaus von „ans Herz gewachsen“ sprechen.
Sie sind für Ihre Vielseitigkeit bekannt. Welche Rolle oder welches Genre reizt Sie noch, das Sie bisher nicht gespielt haben?
Ich habe den Ruf, ein ernsthafter Schauspieler zu sein. Das ist schön, schränkt aber auch ein, denn allem Anschein nach hat sich noch nicht herumgesprochen, dass dieser Umstand die beste Voraussetzung für die Darstellung komischer Rollen ist. Insbesondere beim deutschen Film gilt nach wie vor: komisch ist nur, wo von vornherein auch komisch drauf steht. Also die wirklich gute Komödie, im besten Fall eine Tragikomödie, die wartet noch auf mich.
Welche Entwicklung würden Sie sich für Butsch in zukünftigen «Wolfsland»-Folgen wünschen, sowohl auf beruflicher als auch auf persönlicher Ebene?
Ich wünsche ihm Gelassenheit und dass er seinen Frieden machen kann mit seinen Geistern und Dämonen. Möge er nichts an seiner Kauzigkeit und Knorrigkeit verlieren, möge er seinen Humor behalten und seine direkte Art, die Dinge beim Namen zu nennen. Möge er weiter lernen, dass es nicht immer hilfreich ist, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen und möge er es dennoch weiterhin versuchen. Ja und etwas Glücklichsein, dass sei ihm auch gegönnt.
Danke für Ihre Zeit!
Der «Wolfsland»-Film „In der Schlinge“ ist am 31. Oktober zu sehen, „Schwarzer Spiegel“ folgt am 7. November 2024.