«Elsbeth»: Eine Anwältin als Ermittlerin

Nach dem Ende von «The Good Fight» wollten die Kings ihr Serienuniversum weiterleben lassen. Jetzt darf die Anwältin, verkörpert von Carrie Preston, in den Mittelpunkt treten.

Mit «Elsbeth» haben das Autorenpaar Robert King und Michelle King bereits die dritte Serie aus dem «Good Wife»-Universum geschaffen. Die ursprüngliche Drama-Serie lief mit 156 Episoden zwischen 2009 und 2016 und behandelte Julianna Margulies als Ehefrau Alicia Florrick, die von ihrem Mann Peter, den Staatsanwalt von Cook County, betrogen wurde. Um sich unabhängig zu machen, kehrte Alicia in die Kanzlei ihres früheren Mentoren Will zurück. In «The Good Fight» stieg Diana Lockhart aus ihrer Kanzlei aus, jedoch wurde ihr Rentenfond veruntreut. Weshalb sie in einer afro-amerikanischen Anwaltskanzlei anheuerte.

Mit «Elsbeth» verlässt das Serienuniversum die drittgrößte Stadt der Vereinigten Staaten und die Handlung wird von Chicago nach New York verlegt. Carrie Preston, bekannt aus den früheren Serien, ist eine etwas undurchschaubare und leicht verrückte Anwältin. Mit dieser neuen Serie, die lediglich drei Hauptdarsteller hat, versuchte CBS anzugreifen. Aufgrund des Autoren- und Schauspielerstreikes im vergangenen Jahr fiel die erste Staffel mit zehn Episoden sehr kurz aus. Die Kings wählten nämlich den Weg zurück ins Fernsehen, nachdem «The Good Fight» für CBS All Access und dessen Nachfolger Paramount+ produziert worden war.

Die Kings bauten zwei ungewöhnliche Erzählstrukturen, denn man kehrt das „umgekehrte Detektivgeschichtenformat“ um, das bereits durch «Columbo» und Co. etabliert wurde. In Deutschland ist eines der bekanntesten Vertreter die frühere Sat.1-Serie «Kommissar Rex», wenngleich die Autoren des Hundekrimis nicht an die Genialität des «Elsbeth»-Autorenraums herankommen. Das zweite Stilmittel ist die Protagonistin selbst: Elsbeth Tascioni wird aus Chicago nach Big Apple geschickt, um dort die teilweise miserable Polizei-Arbeit zu überwachen und den Ermittlern zur Seite zu stehen. Das hat zur Folge, dass die Ermittler eigentlich zu Spurensuchern degradiert werden und Elsbeth die Ermittlung übernimmt. Jedoch blickt sie nicht wie eine Ermittlerin auf die Fälle, sondern als Profi-Anwältin. Bei Serien wie «CSI» wurden die Spurensucher zu Ermittlern heraufgestuft. Mit dieser Formatentwicklung könnte nicht nur selbst ein neues Sub-Genre im Fernsehen erschaffen werden, sondern auch die Polizeiarbeit tatsächlich revolutioniert werden.

Die Serie beginnt mit der Studentin Olivia Cherry, die ihren Theaterprofessor Alex Modarian verpetzt, weil dieser mit ihr eine Affäre hatte. Nicht das erste Ausnutzen eines Schülers, weshalb die Karriere schnell beendet sein könnte. Der Zuschauer sieht schon in den ersten Minuten, dass Alex auf geschickte Art und Weise die Studentin ermordet und dies wie ein Selbstmord aussehen lässt. Der große Schwachpunkt der Episode ist die Schlussfolgerung, wie Elsbeth bereits durch das Auftreten von Alex Modarian als Täter vermutet und gegen ihn ermittelt. Wenn hier keine Szene nachträglich herausgeschnitten wurde, ist das die schlechteste Folge der Serie und es ist keine wirkliche Überführung erkennbar. In den anderen Geschichten ist dies deutlich besser gelöst.

Zu Beginn lernt Elsbeth am Tatort die junge NYPD-Beamtin Kaya Blanke (Carria Patterson) kennen, die Beiden freunden sich recht schnell an und haben direkten Bezug zum Captain Charles Wallace Wagner (Wendell Pierce), der das Revier leitet. Dazu gibt es mehrere Ermittler, die aus früheren Krimiserien bekannt sind: Dies sind Fredric Lehne («Einer gegen alle - Mancuso, FBI») und Molly Price («Third Watch»).

Der Vorteil der kurzen ersten Staffel liegt auf der Hand: Es gibt eine Bestechungsgeschichte um Captain Wangner, die innerhalb von zehn Episoden aufgeklärt wird. Es fühlt sich deshalb auch nicht so an, als würde das Thema ewig gestreckt werden. Außerdem hatte das Produktionsteam Zeit, die Serie tatsächlich in New York City zu drehen. Zahlreiche Sehenswürdigkeiten wurden in die Serie eingebaut, es fühlt sich nicht nach einer typischen Studio-Show an. Auch ein Ausflug in die Hamptons bekommen die Zuschauer mit.



Weil Elsbeth in der Serie die Polizeiarbeit überprüft, wird sich auch nicht mit kleinen Verbrechen auseinandergesetzt. Die Kings wählten den Weg, wie ihn schon «The Closer» ging: Es werden nur die prominentesten Fälle der Stadt ausgewählt. Weniger logisch ist, wenn sie nach einer Überführung gestehen und vor den Polizisten wie ein Wasserfall die Tat aufdecken. Das große Ensemble der Gaststars ist klasse: Stephen Moyer («True Blood»), Jane Krakowski («30 Rock»), Linda Lavin («Alice»), Jesse Tyler Ferguson («Modern Familly»), Retta («Parks and Recreation») und Blair Underwood («L.A. Law») ist nur eine kleine Auswahl.

Die zehn vorgestellten Fälle sind einfallsreich und abwechslungsreich. Einer der besten Folgen ist die Folge um die Schönheitschirurgin Vanessa Holmes, die von ihrem Schützling Astrid Olsen bloßgestellt wird. In einer anderen Geschichte steht ein Journalist im Mittelpunkt, der das Geheimnis einer Überwachungsapp geknackt hat. Durch die jahrelange Berufserfahrung von Elsbeth als Anwältin sind ihre Rückschlüsse – mit Ausnahme der ersten Folge – glaubwürdig. Die Serie macht Spaß, vor allem weil sich die Täter und Elsbeth des Öfteren zoffen. CBS hat die Serie frühzeitig für eine zweite Staffel verlängert, das ist eine tolle Nachricht für Serienfans.

«Elsbeth» kann bei Sky gestreamt werden, die neuen Folgen laufen dienstags in Sat.1 und sind auch bei Joyn verfügbar.
12.11.2024 00:01 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/156299