Ngo The Chau: ‚Heckbert war für mich sowas ähnliches wie Jabba the Hood bei «Star Wars»‘
«Dornröschen und der Fluch der siebten Fee» erscheint in der Mediathek zusätzlich noch barrierefrei. Auch Inklusion und die Besetzung von kleinwüchsigen Schauspielerin ist ein Thema im Quotenmeter-Interview.
Herr Chau, Sie haben den Klassiker «Dornröschen» neu interpretiert. Können Sie uns kurz erzählen, was in diesem Märchen passiert und welche modernen Elemente Sie hinzugefügt haben?
Wie auch nach dem Klassiker von Perrault, versucht ein Prinz eine Prinzessin aus einem verfluchten Schlaf zu befreien. Anders als im Original ist der Prinz nicht auf der Jagd, sondern ist aus seinem Königreich weggelaufen, da er sich von seinem älteren Bruder nicht verstanden fühlt. Wir zeigen einen Prinzen, der kein klassischer Held ist, sondern ein junger Prinz, der nicht durch seine Kampfkunst oder Stärke wie im klassischen Märchen erwähnt, sich auf die Suche nach der Prinzessin macht. Ein typischer Antiheld, der eigentlich nicht genau weiß, was die Zukunft bringt. Angelockt von Stimmen in seinem Kopf in seinen Träumen, landet er im Dornenreich und wird dort vor zahlreichen neuen Aufgaben gestellt. Ein junger Prinz, der durch jede Schwelle, die er übertritt, eine neue Aufgabe meistert und über sich hinaus wächst. Die moderne Interpretation dieses Abenteuers beruht sicherlich auf einen imaginären magischen Zauber der durch Nebelschwaden transportierte Kommunikation ermöglicht. Überhaupt einen Hilferuf zulässt! Auch anders als im Original erzählen wir nicht eine Mutter, die auf grausame Weise Kinder essen möchte. In unserem Märchen haben wir eine lebendige/sprechende Dornenhecke, Heckbert genannt, die alle Ritter und Helden bei dem Vorhaben, die Prinzessin zu befreien, verspeisen möchte.
Der Film dreht sich um den jungen Prinzen Parvus, der einen Fluch brechen muss, um die Prinzessin Rosabella zu retten. Wie haben Sie versucht, die inneren Konflikte und Unsicherheiten dieser Figur filmisch darzustellen?
Zunächst ist unser junger Prinz Parvus an anderen Dingen interessiert und daher auch kein Kämpfer oder gar ein Held. Er interessiert sich in erster Linie für Pflanzen und züchtet Rosen und daher vermag er ein Händchen für diese Pflanzen zu haben. Nach einem Streit mit seinem Bruder wird ihm bewusst, dass er herausfinden muss, was er wirklich will im Leben, angelockt von der Freiheit und der Schönheit der Natur begibt er sich naiv und voller emotionalen Befreiungsschmerz auf eine Reise, die ihn schicksalshaft zum Dornenreich führt. Sein fester Wille, ein wenig Naivität und eine Freundschaft zu einem verzauberten Feerich geben ihm die nötige Kraft und das nötige Durchhaltevermögen, sich seinen inneren Konflikten zu stellen. Wenn man will, kann eine innere Stimme ein Hilferuf aus einer anderen Dimension sein. Diese grenzüberschreitende Vorstellung fantastisch visuell auszudrücken, war mir ein Anreiz.
Rubia, die dunkle Fee, hat das Schloss mit besonderen Herausforderungen versehen, darunter die lebendige Dornenhecke „Heckbert“. Was war die Inspiration für dieses fantasievolle und ungewöhnliche Element?
Heckbert war für mich sowas ähnliches wie Jabba the Hood bei «Star Wars», nur etwas sympathischer! Ich mochte die Vorstellung, dass Heckbert gierig nach mutigen Helden ist, die er verspeisen kann. Natürlich komödiantisch interpretiert für unsere jungen Zuschauer.
Wie haben Sie das Zusammenspiel der magischen Figuren, wie der Feen und Schattenwesen, visuell umgesetzt, um die Märchenwelt lebendig werden zu lassen?
Wir haben eine eigene Welt der Feen kreiert, mithilfe von KI generierten Bildern. Der Entwurf für das Heim der Feen wurde 100 Prozent mit KI generiert. Wir haben die tollen bunten Kostüme als Vorlage gehabt und konnten daher wunderbar eine außergewöhnliche Architektur für unseren magischen Wesen kreieren.
Was reizt Sie als Regisseur besonders daran, klassische Märchen zu adaptieren und ihnen eine zeitgemäße Note zu verleihen? Gibt es bestimmte Themen, die Sie besonders hervorheben wollten?
In allen klassischen Märchen versteckt sich die hohe Kunst, eine Geschichte zu erzählen. Eine gute Geschichte entführt uns in eine andere Welt, die wir mit unserer eigenen realen Welt betrachten und uns im besten Sinne für das andere öffnen und zugänglich machen.
Dieser Film ist eine Kooperation zwischen Deutschland und Tschechien. Wie hat diese Zusammenarbeit die Produktion beeinflusst und welche besonderen Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
Ich habe schon öfters in der Tschechei Märchen-Filme gedreht und profitiere von einem sehr professionellen Umgang und einer großen kulturellen Erfahrung, was das Märchen verfilmen angeht. Kreative Kollegen, egal aus welcher Kultur, sind immer eine Bereicherung, um aus seinem eigenen Blickwinkel anderes und Neues zuzulassen. Wir profitieren immer, in der Tschechei in wundervollen Originalmotiven wie Burgen und Schlösser drehen zu dürfen. Wertvolle Originalmotive, die wunderbar renoviert und in Stand gehalten sind, ermöglichen es uns, viele Originalmotive als Drehmotive zu benutzen.
Was war die größte Herausforderung bei den Dreharbeiten, vor allem hinsichtlich der visuellen Effekte und der Kameraführung, die das Märchenflair unterstützen sollen?
Die größte Herausforderung bestand diesmal daraus, unsere Welten durch zirka 80 Prozent KI generierte Landschaften und Gebäude in ein fantasievolles, aber auch glaubhaftes Setting zu verwandeln.
Der Film erscheint in der ZDF-Mediathek komplett barrierefrei. Wie wichtig ist Ihnen Inklusion im Film, und welche Schritte unternehmen Sie persönlich, um Barrierefreiheit zu fördern?
Gerade für Kinderfilme oder Familiengeschichten finde ich Inklusion oder das sichtbar machen sehr wichtig! Gerade heutzutage müssen wir nicht mehr darüber reden, ob Behinderte Menschen zur Gesellschaft dazu gehören. Unsere Welt ist so fortschrittlich in ihrer Technologie, so dass wir heutzutage privilegiert sind, um allen Menschen gerecht zu werden. Daher scheue ich nicht, sondern genau im Gegenteil, habe ich in der Vergangenheit zum Beispiel öfters kleinwüchsige Darsteller besetzt.
Die Figuren durchleben teils große Veränderungen, wie Parvus, der in seine Rolle als Retter hineinwachsen muss. Was hoffen Sie, dass junge Zuschauer aus dieser Geschichte mitnehmen?
Ich glaube fest daran, jungen Menschen sich ausprobieren zu lassen, damit sie auf ihrem Weg zum Erwachsenen werden und einen eigenen und wertvollen Blick auf das Leben bekommen.
Sie haben sowohl Regie als auch Kamera übernommen. Wie gelingt es Ihnen, beide Rollen zu vereinen und sicherzustellen, dass Ihre visuelle Vision auch in der Geschichte zum Ausdruck kommt?
Mittlerweile habe ich eine eigene und sehr effektive Struktur gefunden, um beide Berufe zu vereinen. Ich vertraue stark auf meine visuelle Ausdruckskraft und versuche mit meinem wunderbaren Team, was mich inspiriert und berät, auf meinen Geschmack und meiner Vision zu vertrauen.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
«Dornröschen und der Fluch der siebten Fee» ist an Heilig Abend um 15.00 Uhr im ZDF zu sehen. Der Spielfilm ist bereits vorab in der ZDFmediathek abrufbar.