Daniel Boschmann schafft es nicht, der an das «Familien-Duell» angelehnte Show Rhythmus und Dynamik zu verleihen. Dabei wäre das gar nicht so schwer.
Werner Schulze-Erdel genießt Kultstatus in Fernsehdeutschland, führte er zwischen 1992 und 2003 im Daytime-Programm über 2.000-mal durch die Spielshow «Familien-Duell». Inzwischen sind Gameshows abseits der Primetime mehr oder weniger ausgestorben, nachdem es Sat.1 einige Jahre erfolglos versucht hatte. Verblieben sind einige klassische Quizformate im Ersten. Sat.1 selbst baut zwar weiterhin auf kürzere Gameshows mit Quiz-Charakter, aber nur noch in der Late-Prime. Eines davon läuft seit einigen Wochen am Donnerstagabend und heißt
«Schätze die Plätze!».
Gesucht werden nicht nur Topantworten zu einzelnen Kategorien, sondern die richtige Reihenfolge. Es geht um Fragestellungen, wie „Welche Haushaltstätigkeiten werden am häufigsten von Männern erledigt?“, die sich hinter kryptischen Kategorien verbergen. Moderiert wird die Sendung von Daniel Boschmann, der bereits andere Gameshows für den Unterföhringer Sender moderieren durfte, dabei aber nur selten Erfolg hatte. Boschmann nimmt im Studio vor einer großen Videoleinwand an einem sehr kleinen Schreibtisch Platz. Warum Daniel Boschmann nach seinen zuweilen lustlosen «Mein Mann kann»-Auftritten erneut diese Moderation erhielt, wirft Fragen auf. Die ersten vier Folgen eröffnete er stets mit einem tölpelhaften „Hallo“. Auch in der achten und vorerst letzten Sendung begrüßte er das Publikum vor den Fernsehschirmen mit dieser Floskel.
Dadurch, dass er an seinem Schreibtisch sitzt, entsteht in der Sendung viel zu selten Dynamik. Stets an Boschmanns Seite sitzen die Comedians Ilka Bessin und Simon Pearce, die jeweils ein Rate-Duo als Kapitäne anführen. Bessin spielte in der letzten Folge mit Comedian Martin Klmepnow zusammen, während Pearce mit Reality-Star Janine Pink die Plätze schätzte. Bereits zu Beginn zeigt sich die größte Schwäche des Formats: Trotz einer eigentlich überschaubaren Sendelänge von 45 Minuten hat die Sendung zahlreiche längen. Es dauert rund zehn Minuten, bis endlich die erste Rangliste präsentiert wird. Stattdessen lässt Boschmann die Kandidaten das eigentlich simple Spielprinzip erklären, das sich eigentlich in zwei Sätzen zusammenfassen lässt. Pro Kategorie stehen den Duos jeweils sieben Antwortmöglichkeiten zur Auswahl, wobei aber nur fünf korrekt sind. Diese müssen gefunden werden und in die richtige Reihenfolge gebracht werden.
Die kryptischen Kategorien, hinter denen sich dann jeweils eine Fragestellung verbirgt, sind im Staffelfinale „Taktgefühl“, „Last Christmas“, „Schwätzchen“, „Animalisch“ und „Hautnah“. Bessin beginnt daraufhin mit einem Rant über Weihnachten. „Wenn ich jetzt schon höre ‚Weihnachten‘…“, so Bessin, die wohlgemerkt am 12. Dezember im Fernsehen zu sehen ist. Schnell fällt auf, dass die Sendung offenbar einen langen Produktionsvorlauf hatte, das Publikum sitzt teilweise in kurzen Hosen und T-Shirt im Studio. Weihnachtliche Stimmung will dabei nicht aufkommen, zumal die Promis eher über das „Fest der Liebe“ abkotzen. Hinter der Kategorie „Last Christmas“ verbirgt sich dann auch die wenig besinnliche Ranking-Frage: „Was nervt die Menschen an der Weihnachtszeit am meisten?“. Es vergehen über acht Minuten mit teils sinnlosem Gerede, ehe Boschmann die Antwort-Möglichkeiten vorgibt: „Menschenmassen“, Geschenke“, „Musik“, „Harmonie(zwang)“, „Bahnchaos“, „Weihnachtsbaum“ und „Dunkelheit“.
Plötzlich herrscht Hektik pur. Pearce und Pink haben nach kurzem Überlegen nur 30 Sekunden Zeit, um die richtige Reihenfolge zu wählen. Für das Publikum bleibt kaum Gelegenheit, den Gesprächen zu folgen oder selbst mitzuschätzen. Ein besonders fragwürdiges Highlight der Sendung war die Frage: „Welche Tänze finden die Menschen am schönsten?“ Statt schnell zur Auflösung zu kommen, wurden für jeden Tanz einzeln Musik angespielt, was die Sendung zusätzlich in die Länge zog. Der ehemalige «Let’s Dance»-Teilnehmer Martin Klempnow sollte mit Janine Pink einen Wiener Walzer auf die unebene Studiofläche zaubern. Warum die Produzenten ausgerechnet Pink dafür wählten, die in Schlappen im Studio saß, bleibt deren Geheimnis. Die Einlage wirkte hölzern und zu gewollt, was nicht (nur) an den Tanzkünsten des Duos lag. Dadurch dass Werner Schulze-Erdel frei im Studio herumlief, war er für die Kandidaten viel nahbarer. Boschmann versteckt sich dagegen hinter seinem Pult, wodurch er auch weniger Kontrolle versprüht.
«Schätze die Plätze!» ist dann am stärksten, wenn die Comedians bei ihren Ausführungen ins Erzählen kommen. Dann merkt man die Schlagfertigkeit und Wortgewandtheit eines Simon Pearce und Martin Klempnow am meisten. Klempnow landete mit dem Spruch „Nehmen Sie den Christbaum mit, dann haben Sie damit ein Leben lang Ruhe“ einen großen Lacher. Auch bei Daniel Boschmann, der die Pointe lauthals wiederholte und damit die Euphorie leider wieder bremste. Boschmann trat zudem weniger als Helfer der Kandidaten in Erscheinung, sondern als Antagonist. Als Pearce erklärte, in welches Tier er sich gerne verwandeln würde und „Milan“ nannte, stempelte Boschmann ihn als „Bildsbürger“ ab und äffte ihn nach.
Insgesamt wirkt «Schätze die Plätze» wie ein zielloses Gag-Feuerwerk. Mit nur fünf Raterunden in 45 Minuten rückt das humorvolle Geplänkel der Promis in den Vordergrund. Doch während Sendungen wie «Das Duell um die Welt» mit Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf lebendige Anekdoten und echte Unterhaltung bieten, bleibt die Interaktion hier oft oberflächlich und uninspiriert. Ein großer Schwachpunkt der Show sind zudem die Auflösungen der Rankings. Es werden langweilige Einspielern gezeigt, die überfrachtet sind mit Symbolbildern und unmotivierten Pointen. Die Gag-Dichte ist so gering, dass «Schätze die Plätze» vor allem eins bleibt: eine langatmige Sendung und verpasste Chance für eine bessere Comedy-Rateshow.
«Schätze die Plätze» ist im Anschluss an «Das 1% Quiz» in Sat.1 zu sehen. Alle Folgen können bei Joyn gestreamt werden.