Serientäter: «Batman: Caped Crusader» – Reboot oder doch etwas Neues?

Zwischen 1992 und 1995 begeisterte «Batman: The Animated Series» das amerikanische Publikum und fand auch hierzulande eine Fanbase. Inzwischen gilt die Serie als Klassiker. Mit «Batman: Caped Crusader» versucht nun Prime, diesen Erfolg zu wiederholen. Mit Erfolg?

Batman: Caped Crusader

  • SHOWRUNNER: Bruce Timm
  • ORIGINALSTIMMEN: Hamish Linklater, Jason Watkins, Krystal Joy Brown, Eric Morgan Stuart, John DiMaggio
  • MUSIK: Frederick Wiedmann
  • EXECUTIVE PRODUCERS: Bruce Timm, J.J. Abrams, Matt Reeves, Ed Brubacker, Sam Register (u.a).
  • SCHNITT: Marc Stone
  • REGOE: Christina Sotta, Matt Peters, Christopher Berkeley
Bruce Timm lautet der Name des Produzenten, der als junger Wilder 1992 die Originalserie an den Start brachte. Viele seiner Geschichten werden heute noch für ihre komplexen Charakterporträts gelobt. Timm bewies, dass sich in einem kleinen Format, das sich in erster Linie an ein junges Publikum wenden sollte, große Geschichten erzählen ließen. Es verwundert daher nicht, dass seine Serie bald weit über die vom US-Sender Fox Kids anvisierter Zielgruppe hinaus Fans fand. Timm darf daher auch als der Vater der seit gut 30 Jahren regelmäßig produzierten DC-Animationsfilme betrachtet werden, die sich oft direkt an ein erwachsenes Publikum richten. Mag die neue Serie «Batman: Caped Crusader» unter anderem von J.J. Abrams und Matt Reeves, dem Regisseur von «The Batman», produziert werden, haben sie doch Timm als Showrunner ins Boot geholt.

Ob man «Batman: Caped Crusader» ein Reboot nennen möchte oder eine Neuinterpretation… Das ist letztlich dem Betrachter der Serie überlassen. Als Dark Deco wird der Stil der Originalserie bezeichnet. Dieser Stil kombiniert die Art-Deco-Ästhetik der 1930er Jahre mit modernen Elementen und er trug vor 30 Jahren maßgeblich zur finsteren und mysteriösen Stimmung der Serie und damit ihrem Erfolg bei. Die neue Serie hat diesen Stil weithin übernommen, auch wenn er leider nie die Brillanz der Originalserie erreicht. Zwar wirkt die Montage oftmals agiler als dies in den 90ern der Fall gewesen ist (der digitale Schnitt macht es möglich), dennoch fehlt der neuen Serie die inszenatorische Eleganz des Originals.

«Batman: Caped Crusader» macht es dem Betrachter nicht leicht, die Serie zu mögen. Gerade der Einstieg in die zehnteilige Reihe holpert überraschend zäh über eine narrative Buckelpiste. Muss sich der dunkle Rächer im ersten Fall mit einer weiblichen Version des Pinguins herumärgern, verschwindet in der zweiten Episode ein Starlet, das es zu retten gilt. Während die erste Episode brav die Stationen eines erwartbaren Batman-Abenteuers abhakt, kann sie kein wirkliches Interesse erzeugen. Die zweite Episode überzeugt in Bezug auf die Bildgestaltung durch seinen Handlungsort, ein Filmstudio samt sehr vieler Verweise auf Klassiker des Horrorfilms. Sie scheitert jedoch als Detektivgeschichte, da die Auflösung des Falles der Zuschauerschaft nach etwa der Hälfte der Spielzeit regelrecht ins Gesicht springt. Das ist schwach, denn es unterläuft den Anspruch der Serie, Batman als das zu inszenieren, was Batman zu Beginn seines Comiclebens gewesen ist: The World's Greatest Detective. Dieser frühe Batman ist noch ein Mann, der gegen Schurken kämpft – menschliche Schurken. Der Schulterschluss mit Superman, Wonder Woman oder Aquaman fand erst sehr viel später statt.

Es ist die dritte Episode, die dann den Knoten zum Platzen bringt – als eine gewagte Mischung aus Komödie und Kriminaldrama. Die Geschichte von «Der Kuss der Katze» spielt sich auf zwei Ebenen ab. Auf seiner dramatischen Ebene wird Batmans Geschichte erzählt. Natürlich ist diese hinlänglich bekannt und sie wird auch nicht neu interpretiert. Bruce Waynes Eltern werden ermordet. Er bleibt als das wahrscheinlich reichste Waisenkind der Welt allein zurück. Diese Geschichte ist packend, da sie sich letztlich auf den entscheidenden Moment fokussiert: Den Moment, in dem Bruce Wayne den Entschluss fasst, Rache zu nehmen. Bruce Wayne will keine Rache am Mörder seiner Eltern. Sie alle sollen zahlen. Ohne Ausnahme. Diese Entscheidung wird narrativ konterkariert durch die Geschichte der Gegenwart, in der Batman mehr oder minder versehentlich eine junge Frau dazu bringt, es ihm gleichzutun. Also die Sache mit dem Kostüm und technischen Gadgets. Die junge Frau ist Selina Kyle. Selina ist eigentlich eine verwöhnte Göre. Ihr Vater hat ihr ein Leben im Luxus geschenkt. Bis zu dem Tag, da er, der erfolgreichste Steuerberater Gothams, selbst wegen eines Steuervergehens im Gefängnis landete und Selina außer Schulden nichts mehr besitzt. Ein Zusammentreffen mit Batman bringt sie auf die Idee, ihn zumindest in Teilen zu kopieren – allerdings nicht, um den Menschen zu helfen, sondern um wieder das Leben leben zu können, das sie sich wünscht. So wird aus Selina niemand anderes als Catwoman. Selina Kyle alias Catwoman ist eine sensationelle Femme fatale. Natürlich ist sie eine Diebin und natürlich ist sie selbstsüchtig. Aber böse ist sie nicht – was Batman in eine verzwickte Lage bringt. Er, der er unbarmherzig das Verbrechen bekämpft, muss sich eingestehen, dass Catwoman ihn von seiner Mission abhält. Weil sie nicht ins Schema jener Gangster passt, die er normalerweise bekämpft? Oder weil sie eine schöne Frau ist, die ihn und sein Handeln seltsamerweise versteht?

Leider gerät die Serie nach dieser grandiosen dritten Episode wieder ins Stolpern. Vermutlich liegt es daran, dass die Serie zu schnell ihre Figuren definiert, ihnen viel zu wenig Zeit lässt, sich in Ruhe entwickeln zu können. Schließlich sind da Commissioner Gordon, seine Tochter Barbara, die Polizistin Montoya, zwei korrupte Cops, der Staatsanwalt Harvey Dent, die Psychologin Harleen Quinzel … gleichzeitig gibt es den Schurken der Woche, der seine Geschichte zu erzählen hat ... Zu Zeiten der Originalserie war es noch ungewöhnlich, episodenübergreifende Handlungsstränge zu kreieren, heute ist es Standard. Die erste Animationsserie war da noch sehr vorsichtig – und hatte entsprechend Zeit, seine Hauptfiguren zu entwickeln. Diese Zeit fehlt der Neuauflage, die ganz klassisch zwar eine Geschichte pro Episode erzählt, aber, das Publikum ist darauf heute geeicht, stets über die einzelnen Episoden hinaus weiterdenken muss. Ein wirkliches Gleichgewicht zwischen vertikalem und horizontalem Erzählen findet «Batman: Caped Crusader» leider nie.

Auch zwei Ausflüge ins Horrorgenre wollen sich nicht wirklich organisch in die Reihe einfügen. «Batman: Caped Crusader» versteht sich als eine Verbeugung vor dem Film noir, mit dem Wechsel ins Horrorgenre wird ein Erwartungsbruch des Erwartungsbruches wegen vollzogen. Sonn macht das nicht.

Harvey Dent


Bevor dieser Text jedoch in einem Verriss endet, sei eine der beiden Horrorepisoden, «Nocture» aufgegriffen. Es handelt sich um die achte Episode und sie läutet den Showdown der Serie ein, da Harvey Dent in dieser Episode eine wichtige Nebenrolle spielt. Dent, in der DC-Welt auch als Two Face bekannt, ist in dieser Serie keine sympathische Figur. Als Staatsanwalt ist er ein Karrierist, der vor Gericht vor allem die Fälle behandelt, die ihm Aufmerksamkeit bringen. Dent inszeniert sich als ein Mann für Recht und Ordnung, doch in einer Stadt wie Gotham, die de facto der Mafia gehört, hat auch Dent seine Leichen im Keller liegen. Seine Kontakte zur Mafia mögen eher locker gespannt sein, ganz ohne kommt aber auch er nicht aus. Zumindest nicht, wenn er Bürgermeister werden will – und das ist sein Ziel. Obschon in der Stadt jeder weiß, dass der amtierende Bürgermeister korrupt bis in die letzte Haarspitze ist, gilt er für die kommenden Wahlen erneut als Favorit – denn er kann die Gewerkschaften hinter sich versammeln. Zu Dents Überraschung ist Thorne, der Boss der Bosse Gothams, jedoch bereit, dies für Dent zu ändern. Der amtierende Bürgermeister ist, wie soll man sagen, nicht der klügste Politiker im Land. Selbst das organisierte Verbrechen sähe es lieber, wenn ein Mann mit Grips im Bürgermeisterbüro säße. Thorne kann die Gewerkschaften auf Dents Seite ziehen. Alles, was Dent dafür tun muss, ist ein kleiner Gefallen.

«Der Mörder in mir» und «Wilde Nacht», die Abschlussepisoden der Serie, reißen es raus. Ohne zu spoilern – man ahnt, was mit Harvey Dent geschieht: Das, was in all seinen Inkarnationen seit 1942 mit ihm geschehen ist. Dent wird verletzt und verändert sich. «Der Mörder in mir» erzählt die Geschichte eines Mannes, der langsam vom Wahnsinn heimgesucht wird. Er wird sich seiner Fehler bewusst und sein neues Ich entschließt sich zu einer wilden Nacht, um einige Fehler der Vergangenheit zu korrigieren.

Mit den letzten beiden Episoden findet die Serie zu sich. Als grimmige Rachemär erschafft sie endlich jene Mischung aus Spannung und Drama, die «Batman: The Animated Series» einst zum Kult werden ließ. Die Welt schließt sich zu einem Kreis, in dem Schwarz und Weiß als eine Mischung unendlich variierbarer Grautöne verschmelzen und in dem Erlösung im besten Fall einen kurzen Augenblick anhält. «Batman: Caped Crusader» endet als großes Drama, das in einer Epilog-Sequenz direkt eine Fortsetzung einläutet. Doch ob es die wirklich braucht? Trotz des großartigen Abschlusses ist «Batman: Caped Crusader» nur bedingt gelungen. Es fehlt den Charakteren an Tiefe, die Genrewechsel lassen die Inszenierung inkohärent wirken, selbst die Animation der Ur-Serie weiß weitaus mehr zu fesseln. Einen Teil dieser Negativa lässt sich mit Sicherheit auf die Produktionsgeschichte der Serie zurückführen. Als HBO-Serie gestartet, landete sie in einem großen Topf mit ungeliebten Eigenproduktionen, von denen sich HBO Mitte 2022 getrennt hat. Um es überspitzt zu sagen: Da man bei HBO zur Kenntnis nehmen musste, dass Netflix und auch Prime mit ihren Produktionen den eigenen Streamingdienst Max weit überholt haben, hat man sich entschlossen, mit Steuersparmodellen dagegenzuhalten und einfach eigene, teure Produktionen abzuschreiben oder an Konkurrenten zu lizenzieren. Was mit Sicherheit eine ganz tolle Idee ist, wenn man sich gegen die mit dicken Brieftaschen ausgestatteten Platzhirsche durchsetzen will (Ironiemodus: aus).

«Batman: Caped Crusader» ist in diesen Topf geraten und hat auf diese Art seinen Weg in die digitalen Regale von Amazon gefunden. Solche Senderwechsel haben immer Auswirkungen auf eine Produktion, wenn sich diese noch im Produktionsprozess befindet. Auf der anderen Seite ist Showrunner Bruce Timm der erfahrenste Animations-Produzent im Hause DC, der eigentlich weiß, wie es geht …



Fazit: Aufgrund der kurzen Einzelepisodenlaufzeiten von maximal 25 Minuten kann man «Batman: Caped Crusader» ganz anständig „weggucken“, gerade im Wissen um die Qualität der Abschlussepisoden. Der große Wurf ist die Serie jedoch nicht.

«Batman: Caped Crusader» ist bei Prime Video abrufbar.
08.01.2025 11:54 Uhr  •  Christian Lukas Kurz-URL: qmde.de/157821